Jaume Bonet gehört zum Inventar von Ses Salines wie die Dorfkirche, das Rathaus und das Restaurant Casa Manolo. Wenn er auf dem Bürgersteig flaniert, wird er angesprochen. Was nicht verwundert, denn jahrzehntelang holte der inzwischen 80-Jährige von den in der Umgebung liegenden Fincas die Milch der Kühe, um sie zu einer Fabrik und auch zu Privatleuten zu fahren - in den 60er-Jahren erst auf einem Motorrad nebst Anhänger, das die damals noch kaum motorisierten Menschen in große Aufregung versetzte, und später mit einem eigenen Lkw. Irgendwann begegnete und begegnet man Jaume Bonet in der 5.000-Einwohner-Gemeinde zwangsläufig.

Der umtriebige Mann nutzte seinen Lkw auch, um in den 70er-Jahren die damals noch nicht mit Leitungen versehenen Haushalte in Colònia de Sant Jordi mit Trinkwasser zu versorgen, sodass er auch im benachbarten Küstenort vielen älteren Einwohnern weiterhin ein Begriff ist. Und schließlich war Jaume Bonet auch als führendes Mitglied einer Inte­ressenvereinigung von Landwirten bekannt - so sehr, dass fast alle seinen Namen automatisch mit dem Zusatz des Sindicat versehen (der von der Gewerkschaft).

Das Berufsleben wurde Jaume Bonet „des Sindicat" mit der Zeit allerdings ein wenig langweilig, weswegen er damit begann, nebenbei auch die Veränderungen in seinem Dorf fotografisch zu begleiten. „1962 kaufte ich mir eine Canon-Kamera und machte zunächst Schwarz-Weiß-Bilder", so das Urgestein des Insel-Südostens zur MZ. „Ich hatte damals gerade geheiratet, zuvor hatte ich noch nie einen Fotoapparat besessen."

Über die Jahre sind Tausende Bilder, die das tägliche Dorfleben zeigen, zusammengekommen. Sie sind nicht kunstvoll, aber dafür umso authentischer. 70 dieser Aufnahmen präsentiert Jaume Bonet bis zum 23. Januar im Erdgeschoss des örtlichen Seniorenheims „Residència", nicht weil er dort wohnt, sondern weil es die einzigen für ein solche Schau geeigneten Räumlichkeiten im Ort sind. Die Ausstellung heißt treffend „Històries d´una Història" - „Geschichten einer Geschichte".

Es sind Einblicke in die Vergangenheit von Ses Salines. Zu sehen sind etwa Fotos aus den 60er-Jahren, als die ersten Straßen des Dorfes geteert und asphaltiert wurden. „Auf einem ist mein Geburtshaus zu sehen und die aufgerissene Straße davor", sagt Jaume Bonet. Weitere Bilder zeigen Eselskarren und Pferdekutschen, von denen einige laut dem Hobbyfotografen noch bis vor 20 Jahren im Dorf umherfuhren. Auf anderen ist zu sehen, wie die Bewohner arbeiteten - etwa auf offener Straße Mandeln knackten.

Auf einem Bild sitzen auf einem Eselskarren zwei von drei Brüdern - der Dorfpfarrer und der Friedensrichter. Zusammen mit dem dritten Bruder - dem Bürgermeister - waren sie lange Jahre die Dreifaltigkeit des Ortes. Um sie ranken sich Anekdoten, über die heute noch in Ses Salines schallend gelacht wird. „Die drei betrieben parallel zu ihren Berufen in den 50er-Jahren eine Mehlmühle und ein eigenes kleines Elektrizitätswerk, in dem sie Mandelschalen verbrannten und damit Strom generierten", weiß Jaume Bonet. „Allerdings reichte das nur für zwei Stunden Strom pro Nacht." Den Rest der Tage und der Nächte lebte man in Ses Salines, was Elektrizität anbelangt, noch fast wie im Mittel­alter.

Zahlreiche weitere Bilder des Hobbyfotografen zeigen die Bewohner dabei, wie sie an Sommernachmittagen vor ihren Häusern sitzen und sich an der Abkühlung in geselliger Runde freuen. Tomar la fresca heißt dieser heute noch auf Mallorca verbreitete Brauch. Auch Treffen oder Zeltlager der franquistischen Jugendorganistation „Organización Juvenil Española" OJE dokumentierte Jaume Bonet. Und er fotografierte die Betreiber von längst nicht mehr existierenden Geschäften. „Die meisten von ihnen sind schon lange tot", sagt Jaume Bonet.

Lange Jahre unterhielt der einstige Mann für die Milch- und Wassertransporte an Festtagen seine Mitbewohner mit wohldurchdachten Diashows im Dorf-Rathaus. „Da ich früher viel Fußball spielte und den Orts­club jahrelang als Trainer leitete, zeigte ich den Leuten auch zu diesem Thema Bilder", so Jaume Bonet.

Das Rathaus wusste sein Engagement zu honorieren: Im Jahr 2000 verlieh es ihm die örtliche Auszeichnung „Grumet de Sal" (Schiffsjunge des Salzes) - eine Ehre, die den trotz seines Alters weiterhin rüstigen Mann noch immer rührt.

Mit seiner Kamera unterwegs war Jaume Bonet auch in seinem Palmenhain. „Im Südosten des Ortes habe ich von meinem Vater ein Grundstück geerbt. Er machte mir zur Auflage, etwa 1.000 Palmsetzlinge zu pflanzen", erzählt Bonet. „Man fühlt sich dort gerade im Sommer fast wie in einer Wüsten­oase." Die auch mit weiteren Bäumen angereicherte Finca El Palmeral liegt zwei Kilometer südlich von Ses Salines und kann auch besucht werden (täglich 9 bis 21 Uhr, Camí Es Torrent, Richtung „Poblado Talaió­tico", Tel.: 656-93 31 24).

Die lehrreiche Ausstellung im Altersheim von Ses Salines (Carrer Ortega i Gasset, 48) ist täglich von 15.30 bis 17.30 Uhr geöffnet.