Ein abgetrennter Arm eines Mannequins wird in der Menge als Reliquie von Sant Sebastià (oder der Konsumwelt) herumgereicht. Ein Darsteller des Star-Wars-Bösewichts Darth Vader tritt auf einen Balkon und ruft, er sei ein Sohn des Heiligen. Ein Mann mit Affenmaske steigt auf ein Holzgestell und mimt den im Jahr 288 von den Römern hingerichteten Märtyrer. Und Hunderte feixen sich die Seelen aus dem Leib.

So schräg ging es 2016 beim alternativen Sant-Sebastià-Stadtfest zu, organisiert von einer Freundesgruppe, die sich selbst zur „Bruderschaft" (confraria) des Schutzheiligen der Stadt ernannt hat. Welche abseitigen Happenings am Donnerstag kommender Woche (19.1.) gezeigt werden, will Joan Moyà, Organisator des karnevalesken Treibens, der MZ nicht verraten. Nur so viel: Auch diesmal lässt sich wieder ein Mann, der Sebastià darstellt, durch die Straßen tragen. Und auch diesmal stecken Pfeilnachbildungen in seinem Ganzkörperanzug, denn auf den Heiligen waren einst Pfeile geschossen worden.

Mit der „dionysischen Orgie", wie Joan Moyà das surreal-abstrus angelegte Treiben nennt, wolle man sich vom offiziellen Festprogramm abgrenzen. Das Rathaus stellt in der ganzen Stadt Grillplätze bereit und veranstaltet bei der sogenannten revetlla seit Jahren Konzerte - diesmal mit 40 Gruppen und erstmals mit Elektronik-Musik. Erste Auftritte finden -ebenfalls eine Premiere - bereits an diesem Samstag (14.1.) auf der Plaça Joan Carles statt. Am 20.1. steht dann etwa eine ­Fahrrad-Rundfahrt an, und am 22.1. geht im Parc de Ses Estacions beim Bahnhof ein Kinderprogramm über die Bühne.

Joan Moyà und seinen meist mittelalten Mitstreitern, zu denen auch Mallorcas oberste Denkmalschützerin Kika Coll gehört, ist das alles zu öde. Anders als Valencia mit seinen Fallas oder Menorca zu Sant Joan wisse Palma nicht wirklich ausgelassen zu feiern. Feste seien dazu da, gemeinsam innezuhalten im Alltag, und sollten nicht in solch geregelten Bahnen verlaufen: „Wenn die Menschen dabei keine Regeln brechen, verlieren sie die Menschlichkeit. Es ist wie beim Karneval", findet Joan Moyà.

Und ein wenig wie beim Karneval geht es auch zu. Wie in den vergangenen Jahren startet das Treiben - von einigen vorbereitenden Aktionen einmal abgesehen - auch diesmal wieder um 13 Uhr an der Traditionsbar Can Vinagre in der Fußgängerzone Oms. „Wir trinken chupitos, schießen Feuerwerksraketen in die Luft und ziehen dann zur Bar Moltabarra in der Straße Pes de la Farina, um dort mittags etwas zu essen", sagt Joan Moyà. Erkennungszeichen der seit 2013 bestehenden Truppe sind grüne Halstücher, wobei diese nichts mit irgend welchen

ökologischen oder bildungspolitischen Ansichten zu tun haben. Zwei Musikgruppen begleiten den Tross, der am Abend wieder zur Bar Can Vinagre zurückfindet. Nicht nur Spanier, auch Deutsche oder Engländer sind dabei. „Wir sind bewusst sehr international ausgerichtet", sagt Joan Moyà.

Ursprünglich wollte man dieses Jahr nach den morgendlichen Feierlichkeiten vom Can Vinagre zum Traditionslokal Celler de sa Premsa defilieren, aber die Betreiber lehnten das Ansinnen wegen des Trubels ab. Es werden wieder zahlreiche Teilnehmer mit Affenmasken erwartet. „Das ist unser Markenzeichen und symbolisiert das Wilde, das in uns steckt. Das muss einmal im Jahr raus." Am 20. Januar, dem eigentlichen Feiertag zu Ehren des Schutzheiligen, wird dann der Rausch ausgeschlafen.

Beteiligten sich im ersten Jahr erst 150 Menschen an dem Treiben, waren es 2016 bereits etwa 300. „Das sind fast zu viele, weil wir nicht allzu groß werden wollen", meint Joan Moyà. Man verzichtet denn auch bewusst auf Facebook-Aufrufe.

Sehr wohl in den sozialen Netzwerken vertreten sind zwei andere alternative Vereinigungen, die an Sant Sebastià Kontrapunkte setzen: Die Leute von Orgull Llonguet, die gelbe Halstücher tragen, wollen schon am Mittwoch (18.1.) ab 19 Uhr mit llonguetadas - Spaß- und Tanzeinlagen vor Bars und Restaurants - sowie Umzügen das Palma-Brötchen (llonguet) in Ehren halten.

Eine weitere Vereinigung, Sant Kanut (Heiliger Joint), die noch 2016 ein Alternativprogramm im Parc de la Mar auf die Beine gestellt hatte, will dagegen diesmal auf die sonst veranstalteten Konzerte verzichten. „Wir nehmen uns eine Auszeit", sagte jüngst Casio, einer der Organisatoren. Viele Mitglieder seien schon in die Jahre gekommen und wollten Jüngeren Platz machen.