Wer nicht aufpasst, könnte diesen Ort glatt übersehen. Den Flugplatz von Binissalem erkennt man erst, wenn man draufsteht. Kein Kontrollturm ragt in den Himmel, eine Grasfläche lässt allenfalls erahnen, dass hier Flugzeuge starten und landen könnten.

Etwas Flieger-Flair kommt erst beim Anblick von elf silbrigen Wellblechhangars auf, die an eine amerikanische Minimilitärbasis auf einer Südpazifikinsel in den 40er-Jahren erinnern und in denen versteckt hinter Schloss und Riegel 22 kleine Flugzeuge stehen, Doppeldecker inklusive. Auch einen Windsack gibt es. Er hängt an einem drei bis vier Meter hohen Mast. Der Nordwind pfeift steif und kalt von der nahen Serra de Tramuntana herunter. Am Ende des Hangar-Ensembles schließlich steht um die Ecke ein feuerroter Ultraleichtflieger der tschechischen Marke Aeroprakt, sodass man weiß: Ja, das ist wirklich ein Flugplatz.

13 Liter auf 100 Kilometern

13 Liter auf 100 Kilometern„Diese A 22-L hat einen 70-Liter-Tank, und mit einem Zusatztank kann man mit ihr fast 1.000 Kilometer fliegen, ohne zu landen", freut sich Pablo Ruiz. „Ich war mit diesem Flugzeug schon in Madrid." Der Flugplatzbetreiber und Fluglehrer steht neben der filigranen Maschine, die bei normalen Windverhältnissen 13 Liter Normalbenzin auf 100 Kilometern benötigt und die man mit zwei Händen ohne große Anstrengung anschieben kann. Das Miniflugzeug gehört der Flugschule. „Für jemanden, der fliegen will, ist es billiger, darauf zurückzugreifen und nur 95 Euro Versicherung pro Flugstunde zu bezahlen, als erst ein Flugzeug teuer zu erstehen und dann noch die Unterstellgebühren zu entrichten sowie die Versicherung zu bezahlen." Dennoch gehören 17 der hier stehenden Flugzeuge Privatleuten und nur fünf dem Club.

Beim Besuch der MZ-Reporter ist Pau Bennassar, ein Polizist, vor Ort. Seine Ehefrau sitzt auf einem Klappstuhl in Sichtweite der Aeroprakt. „Ich nehme hier Flugstunden", sagt Pau Bennassar. „Wenn ich das Geräusch des Propellers höre, dann ist das wie Musik in meinen Ohren." Bennassar wirft den Motor an, der gar nicht mal so laut ist. Er lacht breit wie ein Honigkuchenpferd.

Schräg am Wind

Schräg am WindZusammen mit seinem Lehrer Pablo Ruiz steigt er in die an ­einen Vogelkäfig erinnernde enge Kabine der feuerroten A 22 L mit dem übersichtlichen Armaturenbrett. „Wäre der Wind nur ein wenig stärker, würden wir am Boden bleiben", sagt Ruiz. Sie fahren los und starten nach nur etwa 40 Metern auf der nur 228 Meter kurzen Rasen-Piste. Wie eine Feder tänzelt die A 22-L in der Luft. Gegen den Wind kommt die Maschine heute nur mit allergrößter Mühe an, manchmal scheint es, als stünde sie still im Himmel. Pablo Ruiz und Pau Bennassar drehen zwei Runden und landen nach zwanzig Minuten schräg gegen den Seitenwind - keine einfache Sache. Und das, obwohl Pau Bennassar erst lediglich 25 Flugstunden auf dem Buckel hat.2.800 Euro Kursgebühr

2.800 Euro Kursgebühr„Seit 2007 bieten wir Kurse für angehende Piloten von Ultraleichtfliegern, also Maschinen, die weniger als 475 Kilogramm wiegen", sagt Pablo Ruiz. Mit 2.800 Euro ist man dabei, das Benzin nicht eingerechnet. Das sei nicht teuer: Auf dem Flughafen Son Bonet bei Palma zahle man 6.000 Euro für zwischen sechs und zwölf Monate. Der Fluglehrer, der zusammen mit zwei anderen Männern Gesellschafter der Betreiberfirma Patín de Cola Aviación ist, steht neben seinem Büro - einem zwei mal zwei Meter kleinen Verschlag in Sichtweite des Aeroprakt-Flugzeugs und einer ebenfalls tschechischen Eurofox-Maschine. „Auf dem Stundenplan stehen unter anderem Thermik, Wetterkunde und Mathematik", sagt er. Es gebe Schüler, die erheblich schneller als andere ein besonderes Gefühl für den Ultraleichtflieger entwickelten. „Die sind dann schon nach sieben Monaten inklusive Prüfungen fertig." Andere bräuchten fast die doppelte Zeit.

Das trichterförmige Areal nordöstlich und südwestlich des internationalen Flughafens Son Sant Joan ist für die Ultraleichtflieger absolut tabu. Sonst ist das Fliegen überall über der Insel ausdrücklich erlaubt, wenn die Flughöhe nicht 300 Meter über der Erdoberfläche überschreitet. Alles darüber wird streng kon­trolliert. „Wer also über den Puig Major fliegen will, kann das problemlos in 299 Metern tun", sagt Pablo Ruiz.

Über fehlenden Andrang kann er sich nicht beklagen. Rund 30 Schüler hat die Flugschule derzeit. Und das, obwohl es auf der Insel noch andere Flugschulen gibt: Son Bonet bei Palma, in Vilafranca de Bonany und - relativ neu - in Llucmajor. „Nicht nur Spanier, sondern auch viele Deutsche, Niederländer, Brasilianer und Briten sind hier Mitglieder oder Schüler." Darunter sind auch Profis, die hier ebenso wie die Schüler 10 Euro Mitgliedsgebühr pro Monat entrichten. Er wundere sich immer, sagt Ruiz, wie schwer sich erfahrene Piloten etwa von Air Europa, mit den Ultaleichtfliegern von Binissalem täten. „Wer so etwas fliegt, muss anstrengende Handarbeit leisten. Ein Passagierflugzeug fliegt dagegen fast von allein."Der Traum des Boxers

Der Traum des BoxersAus dem Boden gestampft hatte den Flugplatz von Binissalem Jim Oliver, ein ­flugzeugvernarrter und inzwischen verstorbener Insel-Boxer, der es sogar zu einer Teilnahme an den Olympischen Spielen brachte. Ein Gedenkstein am Eingang des aeródromo erinnert an ihn. Olivers Sohn Santiago ist weiterhin einer der Betreiber des Flugplatzes. Der Militär und Flugzeugnarr Gonzalo Prohens ging Oliver bei der Verwirklichung seines Traums zur Hand.

Pablo Ruiz weist darauf hin, dass der Flugplatz Binissalem kein Vergnügungsgelände für gelangweilte Millionäre sei: Hier kommen vor allem Mittelständler hin - Schreiner, Anwälte, Kellner, Büroangestellte oder Polizisten wie Pau Bennassar. Pablo Ruiz und seine Kollegen bringen auch Schülern aus der Umgebung die Welt des Fliegens nahe - an die 350 waren es im vergangenen Jahr. „Manche diese Kinder, die in der Schule eher schwach sind, blühen hier richtig auf", so Pablo Ruiz. „Das hier ist eben etwas anderes, als einfach vor einer Tafel zu sitzen." Am

Ende jeder jeweils von Montag bis Freitag dauernden Unterrichtsreihe, die mit einer Prüfung endet, winkt den zehn besten Kindern ein Rundflug über Binissalem.

So liebevoll sich Pablo Ruiz und seine Kollegen um die Flugschüler kümmern, so intensiv haben sie auch die Umwelt im Auge. „Hier auf unserem Flugfeld gibt es viele Tiere", weiß er. Falken und Milane sorgen dafür, dass andere Vögel keine Gefahr für die Flugzeuge darstellen. „Für die Hasen haben wir hier sogar künstliche Höhlen angelegt", sagt Pablo Ruiz.

Weil man sich so umweltfreundlich gibt, ist auch nicht geplant, hier mal eine Betonpiste hineinzuklatschen - obwohl das rechtlich möglich wäre. Und so wird sich wohl nichts an der Tatsache ändern, dass man diesen Ort auch dann glatt übersehen könnte, wenn man bereits draufsteht.

Kontakt: Tel.: 619-72 02 06, www.aterriza.org/binissalem