Ein Pilger bewegt sich nicht einfach in einer Landschaft fort, er unternimmt eine Reise zu sich selbst. Er habe das vor acht Jahren entdeckt, und es sei wie eine Offenbarung gewesen, sagt Guillem Ferrer, der ehemalige Designer der Schuhmarke Camper und inselbekannte Freigeist. Das Resultat dieser Offenbarung sind sieben liebevoll gestaltete Bände mit dem Titel „Camí de Lluc".

Ferrer hat sie vergangene Woche am Fuß des uralten Ficusbaumes beim Kulturzentrum Misericòrdia in Palma vorgestellt.

Auf den Bucheinbänden sowie dem dazugehörenden Schuber taucht immer wieder als Symbol ein Stein in Form eines Herzens auf, den Ferrer auf einer seiner Wanderungen zufällig gefunden hat. Auch auf den Karten ist das Herz dort platziert, wo sich Lluc, das Ziel der Wanderungen, befindet. Für Ferrer ist Lluc das spirituelle Zentrum Mallorcas. Schon die Römer hätten diese Berggegend zu Ehren der Jagdgöttin Diana „Lucus", den „Heiligen Wald", genannt.

Die Pilgerreisen beginnen an der Küste und in der Nähe des Meeres, am Wasser also, dem Ursprung allen Lebens. Guillem Ferrer ist die Wege Meter für Meter zu Fuß gegangen und hat sich dabei Notizen gemacht. „Manchmal bin ich sie vier Mal abgelaufen, bis ich den idealen Wegverlauf fand", sagt der Mallorquiner, der auf die Frage nach seinem Alter antwortet: „62 Jahre in diesem Körper".

Ferrer will seine Touren weder als Wanderungen noch als Ausflüge bezeichnet wissen. Er will damit nicht mehr Urlauber in das ländliche Mallorca locken. Das Wort „Projekt" widerstrebt ihm. Und wichtig ist ihm, dass die Wege nicht zum Kloster Lluc, dem Zentrum des Katholizismus auf der Insel, führen, sondern zum Santuari, dem „Heiligen Wald" von Lluc. Dem Pilger, heißt es im Buch, ergehe es wie den Menschen in ­vorchristlicher Zeit, als Mutter Natur Tempel und Kirche zugleich gewesen sei.

Und die sieben Büchern sind erst der Anfang. Mit der Website www.camidelluc.net soll eine Plattform entstehen, auf der Pilger ihre Erfahrungen auf den Wegen mitteilen können. Darüber hinaus will Ferrer die Bürgermeister von 34 Gemeinden, die er auf seinen Wegen durchquerte, in seine Arbeit mit einbinden. In jeder Kommune soll es künftig eine Informationsstelle geben, bei der sich Pilger informieren können. Sie sollen erfahren, bei welchen Familien sie günstig oder sogar umsonst übernachten können, ob es Herbergen gibt und welche Bio-Projekte zu besichtigen sind. Auch Restaurants sollen Erwähnung finden, in denen lokal geerntete Zutaten auf den Tisch kommen. So sollen sich langfristig auf den Pilgerreisen Ökologie, Kultur, Tradition und Erziehung vereinen.

Die sieben Bücher sind in katalanischer, spanischer, englischer und deutscher Sprache erschienen. Wobei die deutsche Übersetzung teilweise etwas holprig klingt und eine Schlusskorrektur hilfreich gewesen wäre. Man werde dies jedoch nach dem Verkauf der ersten Auflage nachholen, sagt Ferrer. Jeder Band kostet 15 Euro, den Schuber gibt es gratis beim Kauf der sieben Bände. Für das hübsche Layout ist Ferrer selbst verantwortlich, die Illustrationen stammen von Vera Makina (siehe Kasten). Die Bände sind auf Steinpapier gedruckt, Bäume kamen nicht zu Schaden.

Das Bildmaterial und der Text sind in allen Bänden bis Seite 43 identisch. Ferrer und andere Autoren schildern hier den Sinn einer Pilgerreise, die dem Konsum völlig entsagt und in der Stille die Selbstfindung sucht. Was nur dann richtig gelingen wird, wenn kein Mobiltelefon zur Hand sei. Erst dann könne der Pilger sein Herz und die Augen offen halten und dadurch die Natur intensiv in sich aufnehmen.

In jedem Band beschreibt Ferrer eine Reise: Vom Leuchtturm auf dem Cap de Formentor, von der Ermita de la Victòria, von den Höhlen bei Artà, von Porto Cristo, vom Cap de ses Salines, vom Haupttor der Kathedrale in Palma sowie vom Strand in Sant Elm nach Lluc. Die Tourenbeschreibungen beginnen mit einer Übersichtskarte und einem Einführungstext über Landschaft, Kultur und Pflanzen, die den Sinnsuchenden auf seiner Wegstrecke erwarten.

Danach sind die Wegbeschreibungen in Teilstrecken aufgeteilt, für die es jeweils eine eigene Karte gibt. Zu den kürzeren Wanderungen mit vier Etappen und einer einmaligen maximalen Netto­gehzeit von fünf Stunden zählt die Tour von Palma über Bunyola, Orient und die Font des Noguer zum „Heiligen Wald" .

Auch von Cap de Formentor und von Alcúdia aus gelangt man in vier Etappen zum Ziel. Von mittlerer Länge sind dagegen die Wege von Artà mit sieben Wegstrecken. Neun Etappen führen bei der längsten Wanderung von Cap de ses Salines über Llucmajor, Algaida und Alaró nach Tossals Verds bis zum Ziel. Hier führt der längste Abschnitt mit 20 Kilometern und sieben Stunden Gehzeit nach Llucmajor. Die restlichen Strecken sind dagegen kürzer.

Für den Autor ist „Camí de Lluc" kein kommerzielles Projekt. Die Einnahmen aus dem Buchverkauf gehen an die Stiftung Educació per la Vida, zu der auch die Schule Sa Lavor (der Samen) in Mancor de la Vall gehört. „Das Wichtigste ist die Erziehung", sagt Guillem Ferrer. Im Jahre 1998 gründete er Poc a Poc (www.pocapoc.org), eine Bewegung, mit der die Welt etwas besser gemacht werden soll. Nach und nach. Schritt für Schritt.

Mitarbeiter: Aufwendig gestaltet

Die in Paris lebende ungarische Künstlerin Vera Makina lieferte die hübschen farbigen Zeichnungen. Meditative Texte stammen unter anderem von dem indischen Buchautor Satish Kumar, der eine 12.000 Kilometer lange Friedenspilgerreise unternommen hat. Verantwortlich für die Pflanzenbeschreibungen ist der Homöopath, Arzt und Biologe Carles Amengual, der mindestens einmal die Woche den Camí vell de Caimari a Lluc wandert. Über das ländliche Mallorca schrieb der Buchautor und Tierzüchter Lorenç Payeras. Die Texte der Routen im Spanischen redigierte der Historiker und Wanderautor Gaspar Valero.