Miquel Ballester liebt seine Heimat Mallorca. Der 48-Jährige lebt von Geburt an auf der Insel, im Gespräch fällt ihm bei manchen Begriffen nur das mallorquinische Wort ein. Der im Rathaus von Campos für die Stadtplanung zuständige Architekt steht dem baulichen Wandel der Insel in den vergangenen Jahren kritisch gegenüber und verteidigt auf Biegen und Brechen die traditionelle Bauweise der Mallorquiner. In seinem Buch „Els materials de construcció a Mallorca" (Verlag Lleonard Muntaner, 220 Seiten, 25 Euro) unternimmt Ballester eine Zeitreise vom 14. bis ins 18. Jahrhundert und erklärt, wie die Mallorquiner in dieser Zeit gebaut haben. Vor allem die Steine, die dafür verwendet wurden, haben es ihm angetan.

Sie sind ein Verfechter der traditionellen Bauweise auf Mallorca mit Stein und Materialien, die direkt von der Insel kommen. Wie steht es darum?

Nicht gut. Wir sind Meister darin, unser architektonisches Erbe zu zerstören. Das Problem ist, dass wir Mallorquiner sehr an unserem Eigentum hängen. Wenn wir ein Haus von der Oma erben, dann zerstören wir es lieber und nehmen ihm seine Seele, in dem wir es komplett umbauen, als dass wir es an jemanden verkaufen, der es liebevoll wiederherrichten würde. Oder schauen Sie sich nur die jungen Leute an: Ganz gleich, ob sie irgendwo auf dem Land oder mitten in der Altstadt von Palma leben wollen, sie wollen moderne Architektur. Wir verfügen heutzutage über eine ganze Menge an Information darüber, welche unterschiedlichen Baustile es auf der Welt gibt. Und die jungen Leute wollen heute alles in Weiß. Dabei ist das für Mallorca überhaupt nicht typisch, eher für Ibiza oder manche Dörfer auf Menorca. Die großen ­posse­ssions auf Mallorca waren nie weiß.

Welche waren denn traditionell die wichtigsten Steine für die Bauwirtschaft auf der Insel?

Das kam ganz darauf an, in welchem Gebiet man baute. Obwohl Mallorca ja eine relativ kleine Insel ist, wurden die meisten Baumaterialien sehr lokal verwendet und kaum größere Strecken über die Insel transportiert. In der Region Pla, also dem Flachland in der Inselmitte und im Osten, war der Marés-Stein der wichtigste, im Gebiet des Raiguer, also rund um Inca, war es der sogenannte Stein aus Binissalem, und in der Serra de Tramuntana wiederum war es eher der Stein aus Sóller.

Der Marés ist wohl der bekannteste Stein auf Mallorca. Wie setzt er sich zusammen?

Der Marés wird noch einmal unterteilt. In den Marés, der im Binnenland abgebaut wird, und den Marés, der direkt von der Küste kommt. Schon das Wort Marés kommt schließlich von mare (Meer). Der Stein weist neben Kalk auch viele Bestandteile auf, die von Weichtieren stammen und somit maritimen Ursprungs sind. Die Vorkommen, die direkt am Meer abgebaut werden, sehen im Querschnitt aus wie eine Blätterteigtorte. Da kann man die Schichten sehr schön nachvollziehen.

Ist der Marés-Stein der edelste Stein der Insel?

Nein, das ist ohne Zweifel der Stein aus Santanyí. Ein schönes Beispiel für seine Verwendung ist die Lonja in Palma. Der Stein aus Santanyí ist von korallischem Ursprung und erlaubt eine bessere Bearbeitung mit Werkzeugen als der Marés. Er ist stabiler und außerdem im Gegensatz zum Marés nicht wasser­durchlässig.

Wo wird der Stein aus Santanyí abgebaut?

In einer ziemlich dünnen Gesteinszunge, die sich durch die Gemeindegebiete von Ses Salines, Santanyí und Felanitx zieht, stets etwa drei Kilometer vom Meer entfernt.

Das heißt, dieser Stein wurde bis auf Palma nur in der Gegend um Santanyí benutzt?

Ja, Palma ist eine Ausnahme, es war nun mal die wichtigste Stadt der Insel. Es gab aber beispielsweise bis ins 19. Jahrhundert hinein kein Gebäude im Norden der Insel, das etwa mit Stein aus Binissalem gebaut worden wäre. Genauso wenig wie man im Raiguer Stein aus Santanyí nutzte. Das änderte sich erst mit der Eisenbahn Ende des 19. Jahrhunderts. Da wurde zwischen Felanitx und Porreres ein Haltepunkt für das Verladen von Steinen eingerichtet. Der wichtige Steinbruch Son Garau lag nur rund zwei Kilometer von dieser Haltestelle entfernt. Von hier wurde der Stein zunächst einmal nach Palma befördert und von dort aus weiter. Der ganze Modernismo, wie etwa das Gran Hotel, wo heute das Caixa Forum untergebracht ist, oder das Gebäude der Fundació Sa Nostra, wurden mithilfe dieser Bahnstation gebaut.

Marés und Santanyí-Stein haben wir angesprochen. Wodurch kennzeichnet sich der Stein von Binissalem?

Das ist ein härterer Stein in einem grünlich-gelblichen Farbton, der für das Auge sehr angenehm ist. Die Kirche von Binissalem ist damit erbaut.

Wurden die jetzt angesprochenen Steine eher für Prachtbauten verwendet?

Ja, für den gewöhnlichen Bedarf waren diese Steine zu teuer. Man baute damit öffentliche Gebäude oder verzierte, wenn man das Geld hatte, einzelne Teile des eigenen Hauses, wie etwa einen Türbogen oder andere exponierte Stellen, mit einem dieser Steine.

Aus welchem Stein bauten die Menschen auf der Insel ihre Wohnhäuser?

Dafür verwendeten sie Steine, die herrenlos auf der Erde herumlagen oder die sie in den zahlreichen Steinbrüchen abbauten. Diese Steine, oft waren es sogenannte piedras rojas (rote Steine, Anm. d. Red.) waren für den Mauerbau gut geeignet, weil sie äußerst stabil sind. Man konnte sie häufig mit relativ geringem Aufwand bearbeiten und dann zum Mauerbau verwenden. Oft trugen diese Steine auch Ton oder Lehm in sich oder Mischungen aus Kies und Ton. Mit Gips oder Kalk hat man dann die Steine miteinander verbunden, wobei sich Gips eher für Marés eignete und Kalk eher für gewöhnlichere Steine.

Man sagt, jeder Ort hatte früher seinen eigenen Steinbruch. Wie funktionierte dieses Geschäft?

Es gab tatsächlich in fast jedem Ort einen Steinbruch oder zumindest ein Loch, aus dem die Menschen Steine für ihre Häuser holen konnten. Privatleute betrieben die Steinbrüche und vermarkteten die Steine. Eine Besonderheit waren die unterirdischen, höhlenartigen Steinbrüche. Dort arbeiteten die Männer, wenn sie wegen Regens nicht aufs Feld gehen konnten.

Wie veränderte sich die Art, auf Mallorca zu bauen, zwischen dem 14. und dem 18. Jahrhundert?

So gut wie gar nicht. Es war schlicht nicht nötig. Die Mallorquiner haben ihren konservativen Charakter auch auf den Hausbau angewandt und sich mit Händen und Füßen gegen neue Techniken gewehrt. Und sie sind gut damit gefahren. Einen großen Wandel gab es erst mit der aufkommenden Industrie gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

Sie sind kein Freund von dem, was danach kam. Was ist so schlimm daran?

Die mallorquinische Architektur war immer schon sehr eng mit einem nachhaltigen Baustil verknüpft, wenn es darum ging, sich vor den Einflüssen des Wetters zu schützen. Es gab kleine Fenster, dicke Steine, Lehm. Das Material selbst diente als Dämmung - man brauchte keine künstliche Dämmung. Und so wie man heute dämmt, mit Schaum oder anderen Materialien, wie sie in Nordeuropa üblich sind, schadet man hier eher den Häusern. Aufgrund der Feuchtigkeit müssen die mallorquinischen Häuser luftdurchlässig sein, nicht hermetisch versiegelt, sonst kriegt man die Feuchtigkeit ja nicht mehr raus, wenn sie einmal im Haus ist.