Herr Morlà, wie lange brauchen Sie für das Schneiden eines Barts?

Zwischen zehn Minuten und einer Viertelstunde.

Erzählen Sie doch mal von früher, als Sie Ihrem Vater halfen.

Wenn ich samstags und sonntags schulfrei hatte, seifte ich mit ihm im Café Can Jordi Kunden ein. Mein Vater Pedro Morlà war der erste Barbier in Vilafranca, der allein davon leben konnte. Davor hatten viele nur nach Ausübung des Haupt­berufs abends als Barbier gearbeitet.

Barbiere arbeiteten einst in Cafés oder Bars, richtig?

So ist es. Alle waren an einem bestimmten Platz neben dem Tresen tätig. Das machte Sinn, weil es damals kein Fernsehen und nicht viele sonstige Unterhaltungsangebote gab und die Leute vor allem vor und nach der Arbeit in die Bars kamen. Das waren günstige Zeitpunkte für eine Rasur.

Zahlte man so etwas wie Miete?

Nein, denn es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Die Bar-Besitzer konnten von Gästen profitieren, die während ihrer Wartezeit beim Friseur etwas zu sich nahmen.

Erinnern Sie sich noch, wann Sie zum ersten Mal einen Kunden rasiert haben?

Als ich neun Jahre alt war, kümmerte ich mich um den Bart des Pfarrers Joanet. Er selbst war auf mich zugekommen. Mit zwölf bewerkstelligte ich bei einem Kunden meinen ersten Haarschnitt.

Wann wagten Sie den Schritt zum eigenen Friseurladen?

Als ich 26 oder 27 war, ging ich nach Palma, um das Haareschneiden mit dem Messer zu erlernen. Zurück in Vilafranca, habe ich dann meinen eigenen Laden eröffnet.

Wissen Sie, wie viele Barbiere es früher in Vilafranca gab?

Bis zu elf. Die Männer ließen sich in der Regel zweimal pro Woche rasieren. Wir hatten also alle genug Kundschaft, um den ganzen Tag durcharbeiten zu können. Heute gibt es hier nur noch mich. Als die Rasierklingen und die elektrischen Rasierapparate aufkamen, begannen die Leute, sich zu Hause zu rasieren. Barbiere wie früher gibt es nur noch wenige auf Mallorca. Ich habe einen Stammkunden, der fürs Rasieren jeden Mittwoch und Samstag aus Montuïri kommt. In den Nachbargemeinden gibt es keinen mehr wie mich. Die Männer ziehen es heutzutage vor, sich beim Barbier die Haare schneiden zu lassen.

Früher war es viel wichtiger, gut rasiert zu sein...

Ja, deshalb hatten wir auch an Samstagen und am Sonntagvormittag immer gut zu tun.

Heute lässt man sich lieber einen Bart stehen...

Etwa 90 Prozent tragen momentan einen mehr oder weniger kurzen Bart - manche wohl aus Faulheit, aber auch, weil es halt Mode ist.

Wie stellt man unter Beweis, dass man ein guter Barbier ist?

Es geht nicht nur darum, das Richtige zum richtigen Zeitpunkt zu tun, sondern auch um Feinfühligkeit. Das zeigt sich besonders bei empfindlicher Haut, da muss man viel vorsichtiger mit der Klinge umgehen.

Wie haben sich die Haarschnitte bei Männern weiterentwickelt?

Der radikalste Einschnitt kam mit den Beatles in den 60er-Jahren, als man dazu überging, zerzauste lange statt ordentliche kurze Haare zu tragen. Allerdings war es verglichen mit dem, was später kam, gar nichts. Aber die Leute waren das nicht gewohnt und anfangs entsetzt. Einige besorgte Mütter kamen und baten mich darum, die Haare ihrer Söhne so wie immer zu schneiden. Heutzutage glaube ich, dass wir eine andere Revolution erleben.

Worauf wollen Sie hinaus?

Immer mehr Männer werden sich die Haare bunt färben.

Würden Sie in einem neuen Leben noch einmal Barbier sein wollen?

Mit den Arbeitszeiten von heute ohne Zweifel. Wenn ich allerdings wie früher jeden Tag von 7.30 bis 13.30 Uhr und dann von 14 bis 23 Uhr und manchmal an Samstagen bis halb eins nachts malochen müsste, würde ich das ablehnen.

Wie haben sich die Preise verändert?

Heute verlange ich zehn Euro für den Haarschnitt und sieben für den Bart. In den 50er-Jahren zahlte man etwa anderthalb Peseten für den Bart und drei für den Haarschnitt.

Sie haben eine Art Pokal dort ­stehen. Hat der mit Ihrem Beruf zu tun?

Nein! Die stammt von 1992, als ich spanischer Meister im Marathon-Lauf in meiner Altersklasse geworden war. Ich benötigte dreieinhalb Stunden. Schauen Sie (Morlà zeigt ein Foto: Er trägt die olympische Fackel für die Spiele 1992 in Barcelona durch Vilafranca).

Warum kam man auf Sie?

Ich fing mit dem Laufen zwar erst mit über 40 an, aber es gab damals nur wenige trainierte Leute wie mich.

Haben Sie die Fackel noch?

Ja, man bot damals allen Trägern an, sie für 10.000 bis 15.000 Peseten zu erwerben (circa 117 bis 170 DM, Anm. d. Red.).