In den Gewächshäusern der Kooperative Agroilla bei Ariany im Inselinneren von Mallorca sind die ersten Ramallet-Tomaten reif. In langen Pflanzreihen wachsen die Stauden dicht an dicht auf in Kunststofffolie gepackten Kokosfasern. Durch sie verlaufen die Rohre für die Versorgung mit Wasser und Nährstoffen. Die Hälfte der Pflanzreihen sind für die wissenschaftlichen Arbeiten der Botaniker der Balearen-Universität (UIB) reserviert.

Denn die Tomate ist die Protagonistin des von der EU finanzierten Projekts „TomRes", das im Rahmen des Umweltprogramms „Horizonte 2020" durchgeführt wird. Sie soll als Modell für andere Nachtschattengewächse wie die Kartoffel oder Aubergine dienen, die angesichts des Klimawandels künftig unter nachhaltigeren Bedingungen angebaut werden sollen.

Die Wissenschaftler sind also auf der Suche nach einer Tomatensorte, die wenig Wasser und Nährstoffe braucht aber so robust ist, dass weder Schädlinge noch Krankheiten ihr Schaden zufügen können. Obendrein soll sie die Geschmacks­erwartungen der Verbraucher erfüllen. „In spätestens zwei Jahren werden wir sie gefunden haben und auf den Markt bringen können", sagt Jeroni Galmés, Biologe und Leiter der wissenschaftlichen Forschung der UIB. An dem Projekt machen 25 Teilnehmer aus verschiedenen EU-Ländern mit. „Wir werden regionale Sorten auf ihre Trockenresistenz testen", sagt Ludwig Zeitheim vom Tomatenzüchter „Neurather Gärtner", er stellt als Teilnehmer in Deutschland der Universität Bonn Flächen in seinen Gewächshäusern zur Verfügung.

Zum Start des Projekts im vergangenen Jahr wurden auf der Finca von Agroilla 250 verschiedene Tomatensorten im Freien ausgepflanzt, darunter auch einheimische Sorten aus der Samenbank der UIB. Nach der Auswertung der Daten traf man sich im März im slowenischen Ljubljana. Aus allen im Vorjahr gepflanzten Tomaten wählte man diejenigen Sorten aus, die sich als besonders trockenresistent erwiesen haben. Unter den „Top-40" befanden sich fünf verschiedene Ramallet-Sorten.

Die Veredelung

Nachdem nun die Trockenresistenz der Inseltomaten im Freien bewiesen ist, konzentrieren sich die Wissenschaftler in diesem Jahr auf die bereits erwähnten Stauden in den Gewächshäusern von Ariany. Hier - so ist zu erfahren - sind die Pflanzen, als sie einen Monat alt waren, veredelt worden. Das heißt, man kombinierte zwei Sorten. Die eine nutzt man als Basis, das ist ein Stängel mit Wurzeln daran, die man im Deutschen Unterlage nennt, die Mallorquiner sagen „peus" (Füße) dazu. Die andere pfropft man auf den Stängel auf, die Verbindung schafft ein winziges Röhrchen.

Als Unterlage dienten beispielsweise die Marken emperador und maxifort, die vom holländischen Züchter mit einer langen Liste von Krankheitsresistenzen geliefert werden. Auch andere Unterlagen, die als besonders robust gelten, kamen zum Einsatz.

Während des Wachstums verglich man den Wasserverbrauch von veredelten und nicht veredelten Pflanzen. Dafür ist Mateu Fullana zuständig, der Biologe nutzt die Daten und analysiert sie für seine Doktorarbeit. Regelmäßig wird der Wasserverlauf und der Nährstoffverbrauch getestet. Allein die Veredelung der Pflanzen würde den Verbrauch schon enorm verringern.

Die echte Ramallet

Für Antonio Felíu, dem Vorsitzenden der Vereinigung „Associació Varietats Locals de ses Illes Balears", die jährlich einen Katalog der einheimischen Gemüsesorten veröffentlicht und die Samen vertreibt, ist es kein Problem, wenn auf jedwelche Unterlage eine der etwa 25 einheimischen Ramallet-Sorten aufgepfropft wird. „Wenn allerdings mit Hibriden veredelt wird, ist das Betrug", sagt der Landwirt, denn diese verfügten nicht mehr über die Gene, die die Qualität alter Sorten ausmachen. Ganz ungemütlich wird es ihm bei dem Gedanken, dass Ramallet-Tomaten jetzt im Gewächshaus reifen, wo man gerade in den Beeten Mallorcas - und auch er auf seinem Feld - die Setzlinge ins Freie auspflanzt. Die echten Ramallets reifen im Freien und kommen ohne Wasser aus.

Tomaten aus dem Gewächshaus könnten mit den echten Ramallets niemals konkurrieren, meint er. Nicht im Geschmack, nicht in Farbe und Konsistenz und auch nicht mit der festen Haut, die den alten Sorten monatelange Lagerfähigkeit beschert. „Wir bemühen uns seit Jahren um eine Etikettierung der lagerfähigen Freilandtomaten", sagt Felíu. Doch die Behörden nähmen die kleinen Produzenten nicht ernst. Dem Verbraucher rät er, erst im Sommer zu kaufen und möglichst von einem Bio-Bauern, von dem bekannt ist, dass er sich darum bemüht, dass die alten Sorten nicht in Vergessenheit geraten.