Etwa eineinhalb Minuten, an ihren besten Tagen knapp zwei, haben Juan Vargas, Juan Moya und María Arcos pro Tauchgang Zeit, um in einer Tiefe von bis zu sechs Metern möglichst viele außergewöhnliche Fische vor die Linsen ihrer Unterwasser-Kameras zu bekommen. So lange können die Hobby-Apnoe-Taucher ihre Luft nach einigen harten Stunden des Trainings anhalten. Auf eine Sauerstoff-Flasche verzichten die drei ganz bewusst. „Das wäre nur ein zusätzliches Gewicht, mit dem man nach einer Stunde wieder auftauchen müsste und sich generell nicht so frei bewegen kann", erklärt etwa María Arcos, die seit 2014 mit ihrer Kamera abtaucht. Apnoe-Tauchen sei die sportlichere Variante und eher eine Minderheiten-Aktivität. „Nach mehreren Stunden steigt man wirklich fix und fertig aus dem Wasser. Durch das Luftanhalten und das so vorgegebene Zeitlimit ist man ständig herausgefordert, schnell möglichst viele seltene Fische zu finden", so die 34-Jährige.

Neben Arcos gehen vor allem Männer dem Hobby regelmäßig nach und nehmen an Wettbewerben teil. Auf das Fotografieren unter Wasser wurde Arcos durch einen Tauchkurs aufmerksam. Seither ist sie Teil einer Clique aus Hobby-Unterwasser-Fotografen auf der Insel. Meist am Wochenende verabredet sich die Gruppe per Whatsapp in einer der Buchten, in denen sich besonders viele verschiedene Fischarten tummeln, weil es dort sowohl Sandbänke als auch Felsen sowie Neptungras gibt. Zu diesen Hotspots gehören die Cala Morlanda an der Ostküste, die Cala Lliteras und die Cala Gat in Cala Ratjada, die Cala del Mago in Portals Vells sowie die Cala Maioris beim Mhares Beach Club in Llucmajor.

Die richtige Ausrüstung

Die vielfältigen Unterwasser-Landschaften bieten der Gruppe perfekte Bedingungen, um für die anstehenden insel- und landesweiten Wettbewerbe trainieren zu können. Wegen der scharfen Felsen und den teils kalten Wassertemperaturen sowie um sich etwa gegen Quallen zu schützen, tragen die Taucher einen Neoprenanzug. Auch Bleigewichte muss sich jeder von ihnen mit einem Gürtel um den Körper legen. Extra lange Flossen ermöglichen es, schnell abzutauchen, der Schnorchel, mit dem Kopf unter Wasser zu bleiben. „So schaue ich schon beim Luftholen, wohin ich als Nächstes tauche", sagt Juan Moya. Schon seit zehn Jahren lichtet der 54-Jährige unter Wasser Fische ab. Sowohl er als auch seine beiden Kollegen nutzen Kamera-Modelle der Mittelklasse wie etwa die Olympus TG3 von María Arcos. Sie kosten mit wasserdichtem Gehäuse, Objektiv, externem Blitz und Licht knapp 2.000 Euro.

Dergestalt ausgerüstet, kann die Suche beginnen.

Zunächst ist das Schwierigste, da sind sich alle drei einig, besondere Fische zu finden. „Man muss ihre Lebensweisen gut kennen und wissen, wo sie sich bevorzugt aufhalten. Manche Tiere, wie der Gelbwangen-Schleimfisch (Lipophrys canevae), wechseln in der Paarungszeit und bei kälteren Wassertemperaturen ihre Farbe. Vor allem sie kann man oft nicht auf Anhieb identifizieren", erklärt Juan Vargas, der erst seit 2015 unter Wasser fotografiert, aber schon seit über dreißig Jahren dort fischt. „Viele denken, Fische sind dumm. Dabei können sie genau zwischen einer Jagdwaffe und einer Kamera unterscheiden", sagt der 66-Jährige aus Almería, der seit über 50 Jahren auf Mallorca lebt. Dabei gebe es sowohl besonders neugierige Fische, die wie Models posieren würden oder den Tauchern sogar am Finger saugen, als auch solche, die erst einmal Angst bekämen und sich im Sand vergraben oder in den Felsen verstecken.

Sekunden entscheiden

„Manchmal fühlt man sich wie ein Paparazzo, der viel Geduld haben muss, bis sich der richtige Fische endlich wieder blicken lässt", scherzt Vargas. Auch María Arcos erinnert sich noch genau an das Foto von einem Kardinalfisch oder Meerbarbenkönig (Apogon imberbis), das sie einige Tauchgänge gekostet hat. „Ich habe den Fisch in einem Felsen entdeckt. Er hat mir immer nur sein Hinterteil entgegengestreckt. Dabei wollte ich seinen Mund fotografieren, in dem er, weil das die Männchen dieser Art so machen, die Eier trug." Irgendwann ist es ihr dann gelungen. Oft entscheiden Sekunden. Neben dem unvorhersehbaren Verhalten der Fische könne auch aufgewühltes, dreckiges Wasser das Fotografieren unter Wasser erschweren.

Auch der Lichteinfall ist laut Juan Moya für die Qualität der Fotos entscheidend. In einer Tiefe von bis zu sechs Metern könne man dank dem natürlichen Licht in Kombination mit Zusatzlampen noch sehr gute Ergebnisse erzielen. Um Tiere, die an dunkleren Orten leben, mit einem grellen Licht nicht zu verschrecken, verwenden die

Taucher Rotlichtfilter.

Von ihren Models angegriffen worden ist noch keiner der drei. Wie Vargas aber durch den Kommentar eines Bekannten auf Facebook zu seinem Foto eines Mittelmeer-Petermännchen (Trachinus araneus) erfuhr, war er einmal womöglich zumindest kurz davor: „Da hast du ja noch einmal Glück gehabt. Diese Haltung nehmen Petermännchen an, kurz bevor sie angreifen", schrieb der Bekannte. „Diese Fische haben Stacheln am Körper. Wenn es schlecht läuft, muss man nach einem Stich ins Krankenhaus eingeliefert werden", weiß Vargas mittlerweile.

Mindestens ein Auge

Im schlechtesten, aber bisher noch nicht vorgekommenen Fall also riskieren die Taucher eine Attacke, um ein gutes Foto zu bekommen. Was „gut" ist, bewertet eine Jury. Es gibt jedoch ein paar Grundregeln, die die Taucher beim Einreichen der Fotos beachten müssen: Es muss immer um Fische gehen. Eher leblose Aufnahmen der Unterwasser-Welt, etwa von Seegras oder Felsen, sind nicht gewünscht. Zudem muss das Tier auf dem Foto gut und vollständig zu erkennen sein. Es muss immer mindestens ein Auge zu sehen sein. Je mehr verschiedene und seltene Arten - die von den Tauchern benannt werden müssen - man ablichtet, desto höher sind die Gewinnchancen. Fotos von Kompakt- und solche von Spiegelreflex-Kameras werden getrennt bewertet. Juan Moyas bisher größter Erfolg war der elfte Platz beim spanienweiten Wettbewerb im Jahr 2012 in Benidorm. María Arcos war beim Open Cala Morlanda 2017 unter den Besten.

Wer nun Lust bekommen hat, mitzutauchen, kann sich über die Facebook-Seite „Club Perlas Manacor" mit der Clique in Verbindung setzen. Es sei ein Sport, der süchtig mache, erzählen alle drei Taucher, es sporne enorm an, wenn man neue Fischarten findet. María Arcos liebt vor allem die Ruhe unter Wasser. Für sie ist das Meer so etwas wie das letzte jungfräuliche Gebiet auf Erden. Juan Vargas, den Ältesten der Clique, entspannt es, die Fische unter Wasser zu beobachten. „Außerdem habe ich nun eine gute Ausrede, sie nicht mehr jagen zu müssen."