Manchmal fühlt sich Marc Alba wie ein Gefängnisinsasse in alten, amerikanischen Filmen, wenn er mit seinem Bergeisen auf einen mallorquinischen Kalkstein einschlägt. Der 43-Jährige aus Palma ist einer von 250 margers der Insel, das ist die mallorquinische Bezeichnung für einen Trockensteinmauerbauer. Die Technik, die ohne Bindemittel wie Zement auskommt, wurde von der UNESCO am Mittwoch (28.11.) zum Weltkulturerbe ernannt (siehe Seite 3). „Das wurde auch Zeit", meint Marc Alba. „Denn die Kunden schätzen heutzutage die Pedra en sec (Trockenmauern) nicht mehr. Viele Finca-Besitzer lassen eingestürzte Mauern nicht mehr restaurieren." Bei Preisen ab 80 Euro pro Quadratmeter sei das auch eine Frage des Geldes.

Der Bau einer Trockensteinmauer ist harte Arbeit. Los geht es mit einem Grundstein, der etwa ein Meter in der Länge misst. Statt auf ­maschinelle Hilfe setzt Marc Alba auf Muskelkraft und Physik. Die an die 100 Kilogramm schweren Steine bewegt er mit einer Metallstange als Hebel. Die Kalksteine, die aus den Steinbrüchen der Insel kommen, klopft er falls nötig mit einem Bergeisen in die richtige Form. Marc Alba glättet die äußeren Enden aus ästhetischen Gründen. Zudem klopft er Beulen weg, die später beim Stapeln stören.

Beim MZ-Besuch ist der Mallorquiner dabei, ein abgestürztes Mauerteil auf einer Finca in der Nähe von Esporles wieder herzurichten. Die Mauer befestigt an einem Abhang ein Feld. „Hier ist es wichtig, dass die Steine möglichst dreiecksförmig sind." Die längste Seite bildet die äußere Wand der Mauer. „Dadurch liegt der Schwerpunkt vorne, was für Stabilität sorgt."

Ist die erste Reihe mit großen Steinen gelegt, wird wie bei einem Puzzle ein Teil auf das andere gesetzt. Die hintere Linie zum Hang läuft dabei gerade nach oben, die vordere sichtbare Linie läuft schräg zum Hang hin. Stein um Stein probiert Marc Alba aus, in welche Lücke das jeweilige Exemplar passt. Was nicht passt, wird passend gemacht. Bei der Mauer in Esporles gar nicht so einfach. „Die ist bestimmt 150 Jahre alt. Die Steine sind durch das Klima porös geworden" Schon bei leichten Schlägen auf das Gestein bröckeln große Stücke ab.

Marc Alba zur Seite steht seine holländische Lebensgefährtin Marije Mulder, die ihm die Steine reicht. Sie ist stolz darauf, eine von nur zwei weiblichen Assistentinnen im Trockenmauerbau-Gewerbe auf der Insel zu sein. Zu dem Job gehört Willenskraft. „Vergangene Woche hatte ich einen jungen, kräftigen Kerl engagiert, der mir helfen sollte. Den ersten Arbeitstag hatte er schon vorzeitig beendet. Am zweiten Tag hat er sich mit einer Ausrede krankgemeldet", sagt der Mallorquiner, der von der harten Arbeit gekennzeichnet ist. „Ich habe Hände wie ein Pianist", sagt er scherzend, denn auf Handschuhe verzichtet er.

Je weiter Marc Alba die Steine nach oben stapelt, umso kleiner werden sie. Wichtig ist, zwischen den Steinen Lücken zu lassen, damit das Grundwasser abfließen kann. Mangelnde Entwässerung führt in den meisten Fällen zu einstürzenden Mauerteilen. „Der Regen spült Schlamm in die Ritzen und das Wasser fließt nicht mehr ab. Irgendwann ist der Druck dann zu groß."

Um die Mauer am Hang zu befestigen, werden Kiesel auf die letzte Steinreihe geschüttet. Darüber kommt dann noch eine Erdschicht und die Mauer steht. Einen Tag braucht Marc Alba etwa, um ein zwei Meter langes eingefallenes Mauerstück wieder zu errichten.

Etwa 250 margers bieten auf Mallorca ihre Dienste an. Seit 30 Jahren ist der Inselrat darum bemüht, die Pedra en sec zu schützen und die Mauerbauer zu unterstützen. Eine der Initiativen war die Gründung einer Ausbildung der margers. 1986 war der erste Jahrgang. Zehn Jahre später hat dort auch Marc Alba in einem zweijährigen Kurs das Handwerk gelernt. „Ich hatte mich im Hotelierwesen versucht und auch im Juweliergeschäft meiner Eltern. Aber die Verbundenheit mit den Bergen und der Natur hat mich mehr gereizt."

Heute ist von dem Enthusiasmus nicht mehr viel übrig geblieben. „Mir tut jeden Morgen alles weh. Aber es ist halt der Job, mit dem ich mich am besten über Wasser halten kann." Vielleicht erlebt der Mallorquiner durch die Ernennung zum Weltkulturerbe einen zweiten Frühling und es locken lukrative Aufträge. Nötig wäre es, denn an Nachwuchskräften mangelt es. Der Inselrat hat vor 13 Jahren die Ausbildung wegen fehlender Subventionen eingestellt.