Curaje - dieses Wort hat Maria José Aguilar (36) in großen Buchstaben ausgedruckt und zu Hause an die Wand gehängt. Mut braucht es tatsächlich in Zeiten von Online-Shopping und Einkaufszentren mit Parkplätzen vor der Tür, um einen Colmado in der Altstadt von Palma zu eröffnen.

Die typisch kleinen Lebensmittelgeschäfte von einst führten auf engstem Raum alles, was man im Alltag brauchte. Und zum Einkauf gab es den persönlichen Schnack gratis mit dazu - manchmal wichtiger als das Paket Milch, das daheim fehlte. Was man heute in einem Colmado kauft? Dinge, die man auf der Stelle benötigt (Glühbirne, Schokolade) oder die man gerne täglich frisch zu Hause hat (Brot, Blumen). Das ist aber nur ein Ansatz, nach dem Maria José ihre Produkte für ihren Anfang Dezember eröffneten Colamdo Sant Jaume auswählt. Für sie zählen neben kurzen Lieferwegen Produkte con encanto, Produkte mit Charme, hergestellt von Menschen, denen Umweltschutz und soziale Werte wichtig sind. Die italienische Pasta bezieht sie beispielsweise von einem kleinen Familienbetrieb in der Toskana, der seine Nudeln schonend langsam trocknet. Die zitronengelbe Nudelverpackung macht sich zudem gut als Deko auf dem Küchenregal. Die Fischkonserven bezieht Majo, wie die zierliche Andalusierin von Freunden genannt wird, aus Galizien statt aus dem entfernten Chile, und das Netz um die Blechdose herum ist aus Baumwolle statt aus Plastik. Auch die Zahnpasta ist bei ihr etwas Besonderes, sie wird in Italien hergestellt mit so ungewöhnlichen Zutaten wie Kardamom und Minze oder Muskat, Zitrone und Mandarine. Bei den Weinen setzt Majo auf Naturweine aus Spanien und Frankreich (Herstellung ohne Zusatz von Schwefel) sowie auf Tropfen aus kleinen Produktionen der Insel wie Selva Vins und Tomeu Llabres. Nicht alles ist „Bio", weil zuoberst die Qualität steht. „Man muss sich informieren, statt blind auf ein Siegel zu setzen", findet Majo. Da Bio in Mode ist und sich damit Geld verdienen lässt, gibt es Bio-Produkte, die diesen Namen eigentlich nicht verdienen.

Vor allem ist Majo neugierig auf „Menschen, die etwas mit Leidenschaft tun" und gibt damit auch eine gute Beschreibung über sich selbst ab. In Sevilla geboren, wuchs sie auf Mallorca auf und studierte Tourismus auf der Insel. Als sie ihren Job am Flughafen in Palma verlor, fing sie an, sich für gesundes Essen zu interessieren und eigenes Gemüse anzubauen. Sie lernte die Macher der Kaffeebar La Molienda kennen, stieg als dritte Teilhaberin in das Café in Palma mit ein und entwickelte ein neues Küchenkonzept. Ab sofort kamen die Besucher nicht nur zu Kaffee und Tee in das kleine Eck-Café, sondern liebten auch Majos ökologische Frühstückskreationen und gesunde Snacks. Das Café quoll bald aus allen Nähten und die Idee, gesundes Essen in entspannter Atmosphäre anzubieten, ging für Majo plötzlich nicht mehr auf. Sie verkaufte ihren Anteil nach vier Jahren und stieß auf das frei gewordene Ecklokal am Ende der Carrer de Sant Jaume, in dem sich ehemals die Bäckerei Fornet de la Soca befand. „Da kam mir die Idee mit dem Colmado", erzählt sie, „als moderne Variante vom Tante-Emma-Laden."

In dem man natürlich auch Produkte der Insel findet, wie Duschgel, Shampoo und Mandelöl der Marke Tot Herba (Pont d'Inca). Bestimmte Dinge lässt sie speziell für ihren Colmado anfertigen, etwa Käse- und Schinkenmesser aus Consell mit Griffen aus dem seltenen Holz des Brustbeerbaums (20 Euro). Die hübschen Glasflaschen, deren Deckel aus einem umgekehrten Trinkglas bestehen (55 Euro), fertigen zwei Designerinnen in Kooperation mit der Glasfabrik Gordiola. Und die nützlichen Küchenobjekte aus Keramik stammen aus dem Töpferdorf Portol, darunter Butterdose, Salzgefäß und ein Tellerchen zum Ablegen des Kochlöffels.

Nachhaltigkeit ist Majo wichtig, Plastik würde sie am liebsten ganz aus dem Alltag verbannen. Tofu und Milch (Sa Teulera Petra) bezieht sie in Glasgefäßen, Cherrytomaten werden lose in Karton verpackt aus Andalusien geliefert. Sie führt Ohrenstäbchen aus Holz, wiederverwendbare Frischhalteverpackungen für Sandwiches und Salate, Fußabtreter aus Kokosfasern, Handfeger aus Holz und Rosshaar (14,99 Euro) sowie Kleiderbügelscheiben aus Zedernholz (5,20 Euro) und mit Zedernholzöl, um den Antimotten-Geruch immer wieder zu erneuern. In der Putzmittel-Ecke stehen Seifenflocken aus Marseille sowie althergebrachte Hausmittel wie Natron und Alkoholessig im Regal.

Zurück in den Alltag bringen möchte sie auch den typischen Blumentopf cussiol, ein Tongefäß mit drei Fächern auf verschiedenen Höhen, in die man Kakteen oder kleine Grünpflanzen pflanzt. Es handelt sich um eine Art mallorquinische Blumenampel, die traditionell in Weiß, Rot, Grün bemalt wird - den klassischen Farben der siurell (traditionelle mallorquinische Tonfigur mit Pfeife). „Cussiols bringen lebendiges Grün auch dorthin, wo eigentlich kein Platz für Blumen ist, etwa im Mini-Badezimmer oder auf dem Küchenregal", erklärt Majo.

Ihrer Liebe zum Kochen geht Majo im Moment nur am eigenen Herd nach, doch im Colmado bietet sie eine Reihe von Coffee Table Books zum Thema Küche und Kochen an wie „The Mezze Cookbook" von Salma Hage. Die hübschen Bücher sind zusammen mit einem Holzschneebesen oder der von Hand illustrierten Postkarte mit Feigenmotiv ein gelungenes Weihnachtsgeschenk - aus dem originellen Colmado am Eck.