Ein Kutschführer, der Gefährt und Pferd vor der so gut wie menschenleeren Cala Agulla auf Mallorca in der Sonne posiert, im Hintergrund stehen drei Autos, die mittlerweile wohl Oldtimer wären. Eine Luftaufnahme von der fast unbebauten Promenade und dem Strand von Cala Millor, an dem sich ebenfalls nur vereinzelt Badegäste befinden. Männer mit Sonnenhut, die neben ihren beladenen Eseln stehen und am Strand von Cala Major Tongefäße an Badegäste verkaufen. Frauen, die in Bademode aus dem vergangenen Jahrhundert unter Mandelblüten posieren.

Wer wissen will, wie Mallorca und die Insel-Postkarten besonders in den 70er- und 80er-Jahren ausgesehen haben, sollte sich die Sammlung von Armin Bies anschauen. Auf seiner 2016 eröffneten Facebook-Seite „Mallorca - meine Ansichtskarten-Sammlung" hat der 59-jährige Insel-Urlauber rund zwei Drittel seiner über 3.000 postales ausgestellt. Der Pforzheimer präsentiert seine Sammelstücke dort übersichtlich in verschiedenen Ordnern, die mit den Namen der Orte oder Sehenswürdigkeiten wie dem Castell de Bellver oder den Drachenhöhlen gekennzeichnet sind.

Raritäten

Während sich in manchen nur ein einziges Foto befindet, kann man sich beispielsweise bei Palma de Mallorca, Arenal, Can Picafort und Cala Millor teilweise durch über hundert Karten klicken. „Von kleinen Ortschaften wie Selva oder Biniaraix, die kaum touristisch erschlossen sind, habe ich nur sehr wenige Postkarten. Bei den Urlauber-Hochburgen ist die Auswahl weitaus größer", erzählt Bies.

Nach wie vor wundert sich der Sammler darüber, dass auch Postkarten von Andratx eher rar sind, während ihm Motive von Port d'Andratx sehr häufig unterkommen. Begonnen hat Bies seine Sammelleidenschaft vor zehn Jahren mit Karten von Peguera und Cala Millor. Schon Ende der 80er-Jahre hatte er mit seiner damaligen Frau öfter an der Ostküste Urlaub gemacht. Dann bekamen die beiden eine Tochter und waren einige Zeit lang nicht auf der Insel. „Ich wurde neugierig, wie es dort früher ausgesehen hat", erzählt der Musikfachverkäufer, der 40 Jahre lang bei Kaufhof Schallplatten verkauft hat und mittlerweile in der Herrenschuhabteilung beschäftigt ist.

„Außerdem bin ich generell ein Jäger und Sammler. Ich muss meine Schätze in der Hand halten, anfassen und ordnen können", so der 59-Jährige, der auch eine umfangreiche CD-Kollektion mit lateinamerikanischer Musik und New Country sein Eigen nennt. Er begann, auf E-Bay unter der Rubrik „Sammeln und Seltenes" Einzelstücke und auch ganze Pakete mit Mallorca-Postkarten zu erwerben. Für die meisten der postales habe er ein bis zwei Euro plus Porto gezahlt. „Ich sammle zwar gern, bin aber trotzdem nicht dazu bereit, Riesensummen auszugeben. Bei fünf bis maximal sechs Euro pro Karte ist Schluss", so Bies, der, um Porto zu sparen, versucht, oft gleich mehrere Karten vom selben Verkäufer zu erwerben.

Um die Sammlerstücke nicht doppelt zu kaufen oder auf seiner Facebook-Seite und in anderen Mallorca-Gruppen wiederholt zu veröffentlichen, hat Bies alle von ihnen eingescannt und auf seinem Computer alphabetisch geordnet. Einige hat er mit Kürzeln gekennzeichnet. „So kann ich zum einen schnell nachschauen, ob ich eine Karte schon habe, und zum anderen vermerken, welche ich schon veröffentlichte", so der Sammler.

Lieber mit Farbe

Knapp 1.400 Follower hat seine Seite aktuell. Jeden Morgen, manchmal auch am Abend, lädt der 59-Jährige eine eingescannte Karte hoch und schreibt den Ort sowie, wenn bekannt, auch das Jahr hinzu, in dem die Karte verschickt oder gedruckt wurde. „Ich weiß, dass viele Follower gespannt darauf warten", sagt Bies. Schon nach wenigen Minuten hätten die Einträge mehrere Likes.

Bies' ältestes Sammlerstück, eine Schwarz-Weiß-Karte, die den damaligen Paseo Marítimo in Palma de Mallorca zeigt, stammt aus dem Jahr 1955. Die meisten der vor den 60er-Jahren aufgenommenen postales sind ihm zu unkonkret. „Einige von ihnen könnten auch woanders aufgenommen worden sein", erzählt Bies, der sich etwa an eine Karte erinnert, die zwei in einer Küche stehende Frauen zeigt. „Das Mallorquinische wird nicht sichtbar."

Der Pforzheimer sieht sich denn auch nicht als Hüter einer historischen Tradition - 2019 wird die Postkarte 150 Jahre alt; den ersten Vorläufer brachte die Wiener Generaldirektion für Post- und Telegraphenangelegenheiten am 1. Oktober 1869 in Umlauf. Bies interessiert sich für die Massenware der Urlaubsinsel. „Ich mag farbige Karten eigentlich lieber. Eine Schwarz-Weiß-Karte muss schon ganz toll aussehen, damit ich sie in meine Sammlung aufnehme", sagt er. Auch Karten aus den Zweitausenderjahren finden sich kaum in der Sammlung. „Mir gefällt die moderne Aufmachung und das Design nicht. Auf den aktuellen Karten ist oft so viel Geschnörkel", kritisiert Bies.

Bei seinen Fans stoßen vor allem die postales von Orten, an denen die Betrachter selbst schon waren und die sich im Vergleich zu damals stark verändert haben, auf positive Resonanz. „Es gibt, vor allem unter der deutschsprachigen Community, die den Großteil ausmacht, aber auch Hass-Orte wie etwa Magaluf", erzählt der 59-Jährige. Ein Nutzer namens Günther Keller etwa kommentierte ein Bild mit vier Motiven aus dem von Briten dominierten Party-Ort mit den Worten „Wenn die damals gewusst hätten, dass die Engländer alles versauen, dann hätten sie einen großen Zaun drum gemacht."

Reaktionen aus der Community

Die wenigen Gruppenmitglieder aus Großbritannien wiederum würden die Bilder positiv kommentieren. „Einige von ihnen haben in jungen Jahren ihren Urlaub dort verbracht und teilen die Bilder sogar in ihren privaten Profilen", erzählt Bies.

Dem Pforzheimer geht es beim Sammeln zwar hauptsächlich um die Kartenmotive, trotzdem hat er in einem Ordner namens „Schönschrift ..." einige beschriebene Seiten seiner Sammlerstücke eingestellt. „Einige Texte waren einfach zu lustig", erzählt Bies. Auf einer Karte etwa steht in krakeliger Schrift „Viele Urlaubsgrüße aus Mallorca auf Spanien senden Ihnen ..." Die Namen der Absender und die Daten der Empfänger hat Bies stets unkenntlich gemacht. Auf einer anderen heißt es „Die Spanier sprechen genau wie die Franken, man versteht kein Wort. Wir fühlen uns sauwohl und sind braun wie die Spanier."

Beim Durchlesen der Karten sei ihm auch aufgefallen, wie sich die Jugendsprache in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Während auf den jüngeren Karten etwa vom Besuch in Diskotheken die Rede ist, heißt es auf den älteren „Wir waren beim Tanztee."

Das bin doch ich

Die meisten Menschen wissen wohl nicht, dass ihre Karten in Bies' Sammlung gelandet sind. „Vor einigen Jahren hat mich bei Facebook eine Deutsche, die in Cala Millor lebt, angeschrieben. Sie hatte sich, als junge Frau im schwarzen Badeanzug, auf einer Postkarte von Costa de los Pinos wiedererkannt, die wohl aus den 70er-Jahren stammt. Bis zu dem Zeitpunkt wusste sie nicht, dass sie auf einer Postkarte zu sehen war", erzählt Bies, der der Frau die Karte dann geschenkt hat.

Zu Altmodisch

Privat verschickt der Postkarten-Fan keine Karten. „Das ist mir zu altmodisch", sagt er. Auch, wenn er auf Mallorca im Urlaub ist, was schon etwa 25 Mal der Fall war, kauft er kaum Karten und geht dafür schon gar nicht gezielt los. „Alte Postkarten gibt es vor Ort meist sowieso nicht. Nur zweimal habe ich eine Karte aus den 90er-Jahren in einem Supermarkt in Cala Millor und eine andere an einem Kartenständer gefunden", so Bies, der zeitweise auch Bildbände und Reiseführer von Mallorca gesammelt, dies aus Platzgründen dann aber eingestellt hat.

Schon ein paar Mal sei es aber vorgekommen, dass Mitglieder der Gruppe ihm aus ihrem Mallorca-Urlaub eine Postkarte zuschickten. Für Armin Bies ist das ein Zeichen der Dankbarkeit. Gern und schon ein bisschen stolz verweist der 59-Jährige auf die Bewertungen seiner Seite. Dort schreibt ein Nutzer namens Lars Mallorca: „Ganz großes Kino, Armin. Eine Zeitreise für mich beginnt. Die letzten vier Jahrzehnte fliegen gerade gedanklich an mir vorbei. Ich bin/war jedes Jahr mehrmals auf der Insel. 1972 geboren, als Baby 1973 das erste Mal. Die schönste Insel der Welt." Und ein anderer, noch etwas jüngerer Fan bedankt sich dafür, sehen zu können, „wie meine Eltern diese Insel kennen- und lieben gelernt haben".

Interaktive Karte - von diesen Orten hat Armin Bies Postkarten

Die folgende Karte können Sie durch einen Klick auf das Symbol in der oberen rechten Ecke der Karte (eckige Klammern) auch in Großansicht sehen. Dann finden Sie am linken Rand grüne Palmen-Symbole, sie zeigen jeweils den Ort an, von dem sich Postkarten in der Sammlung befinden. Wenn Sie das Palmen-Symbol anklicken, öffnet sich eine kleine Foto-Galerie mit verschiedenen Karten-Motiven des jeweiligen Ortes.