Es scheint, als hätten sich diese spektakulären Blüten mitten ins Unkraut verirrt: Unübersehbar blüht jetzt im Mai auf der Insel der Schlafmohn. Wer ihn ausgesät hat, weiß man nicht, denn der Schlafmohn (Papaver somniferum, dormidera span., cascall kat.) ist eigentlich eine Kulturpflanze. Weil aus ihr Opium gewonnen werden kann, ist der Anbau auch in Spanien streng reguliert. Nur einige wenige Landwirte dürfen die dormidera unter Auflagen anbauen.

Doch darum schert sich der auf der Insel spontan vorkommende Schlafmohn nicht. Er wächst an sonnigen Standorten, an Weges- und Straßenrändern und taucht auch manchmal mitten in den Beeten zwischen Zierpflanzen auf. Doch Vorsicht ist geboten: Alle grünen Pflanzenteile des Schlafmohns sind, wie viele andere Heilpflanzen auch, für Mensch und Tier giftig. Schafe verschmähen die Pflanze und so kann sie sich Jahr für Jahr an sonnigen Standorten ungehindert weiter vermehren und zu ganzen Kolonien ausbreiten.

Wie auch der Klatschmohn ist diese Art im mediterranen Klima zu Hause. „In einer Höhle bei Granada hat man Samen aus dem Jahr 4200 vor unserer Zeitrechnung gefunden", sagt Joshua Borrás von der botanischen Fakultät an der UIB in Palma. Dabei waren die Mohnsamen in der Cueva de Los Murciélagos von Albuñol nicht die frühesten Funde. Schon vor der Ära des frühesten Getreideanbaus wurde 6000 v. Chr. in Mitteleuropa Mohn angebaut.

Der Vorfahre des weltweit als Nahrungs- und Arzneipflanze kultivierten Schlafmohns ist der Borstenmohn (Papaver somniferum ssp. setigerum). Im Gegensatz zum Schlafmohn, der bis zu eineinhalb Meter hohe Stängel ent­wickeln kann, wird diese Pflanze nur 50 Zenti­meter hoch. Sie besitzt haarige Blattzipfel und ovale kleine Samenkapseln. Botaniker sind der Meinung, dass bei der Wanderung nach Osten diese Pflanze so selektiert wurde, dass sich der Anteil betäubender und schmerzstillender Wirkstoffe nach und nach erhöhte.

Die Blüte

Vor dem Aufblühen hängt die Knospe des Schlafmohns auf den hohen Stängeln nickend nach unten. Wenn sie sich öffnet, streckt sie den Kopf nach oben der Sonne entgegen. Ein Blütenblatt kann bis zu zehn Zentimeter groß werden, dunkle Basalflecken zeichnen sich direkt am Blütenboden ab.

Während der Fotoarbeiten landeten dort mehrere Honigbienen. Es schien, als nähmen sie ein gemeinsames Bad direkt neben den Staubfäden. Auf Fremdbestäubung ist das Gewächs angewiesen, obwohl es zu den Zwittern zählt. Den Bienen scheinen an diesem Morgen die betäubenden Substanzen nichts anzu­haben. Dafür spricht auch, dass Imker Mohnpflanzen bei Bienenstöcken anpflanzen.

Der Pollenstaub kann auf den großen Narben in der Blütenmitte keimen. Die Blütenpracht findet ein schnelles Ende, wenn der Wind die pinkfarbenen Blätter mitnimmt oder sie welk an den Stängeln kleben bleiben. Übrig bleiben die Samenkapseln, die bis zu neun Zentimeter groß werden können.

Mohnsamen

Wenn die Kapseln aufplatzen, geben sie dunkle Samen frei. In Spanien sind diese auf Keksen sowie als Bio-Lebensmittel im Handel. Mohnkuchen und -Brötchen, wie man sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz kennt, sind eher unbekannt. Das typische Mohnaroma wird erst durch das Aufbrechen der Samen frei. Die thermische Aufbereitung von Mohnsamen macht sie als Speisezusatz lange haltbar. Als Samen für die Aussaat sind sie nicht mehr geeignet.

Wer sich blühenden Mohn in den Garten holen will, hat die Möglichkeit, im Herbst vor den ersten Niederschlägen eine weiße Unterart Papaver somniferum (var. blanca) auszusäen. Die Blütenblätter dieser Sorte sind reinweiß, und haben auch keine Basalflecken am Blütenboden. Nach der Blüte bildet dieser Mohn ebenfalls weiße dekorative Kapseln, die in Trockengestecken sehr beliebt sind. Ebenfalls in Weiß blüht der Alpenmohn (Papaver burseri). Der Blaue Scheinmohn (Meconopsis grandis) dagegen ist weltweit mit 50 Arten anzutreffen und stammt ursprünglich aus dem Himalaja. Nicht zu vergessen der Klatschmohn (Papaver rhoeas), der auf den Balearen mit drei verschiedenen Unterarten wild vertreten ist, von Mai bis Juni blüht und ebenfalls im Herbst aus­gesät werden kann.

Die Droge aus der Kapsel

Der weiße Milchsaft aus den unreifen Kapseln enthält ein Gemisch aus rund 40 verschiedenen Alkaloiden, die unter dem Namen Opiate zusammengefasst werden. Die drei wichtigsten sind das Opium, Morphium und Codein. In der pharmazeutischen Industrie werden die Mohnpflanzen abgemäht, zerkleinert und die Opiate mit Lösungsmitteln ausgewaschen.

Bevor die Verbreitung der Opiate durch die Betäubungsmittelgesetze geregelt wurde und der Handel mit illegalen Drogen begann, galt Opium als schmerzstillend und beruhigend. Unter dem Namen Laudanum war es in jeder Hausapotheke griffbereit.

Der französische Dichter Charles Baudelaire, Verfasser des Gedichtbands „Les fleurs du mal" (Die Blumen des Bösen) war im 19. Jahrhundert einer von vielen Künstlern, die vom Opium abhängig waren.