Wenn Andrea Schomburg eine ihrer Kunsttherapiestunden für Alzheimerpatienten beginnt, breitet sie im Vereinshaus von Afama, einer Demenzkranken-Hilfe in Pollença im Norden von Mallorca, als Erstes eine große Tischdecke auf dem Gruppentisch auf der Terrasse aus. Um sie herum sitzen rund zehn Männer und Frauen zwischen 60 und 90 Jahren. Sie suchen sich Pinsel und Farben aus. Danach verteilt die in Wuppertal geborene Malerin das Papier und fordert die Teilnehmer auf, ihren Namen und das aktuelle Datum aufzuschreiben. Manche sind dazu nicht mehr in der Lage, und Andrea Schomburg muss das übernehmen. Dann geht es auch schon los. Die einzige Vorgabe: abstrakte Formen malen.

„Die abstrakte Malerei spricht die rechte Gehirnhälfte an", erklärt die 61-jährige Künstlerin, die selbst abstrakt arbeitet. „Dort ist die emotionale Intelligenz, Intuition und auch Spontaneität angesiedelt. Wenn man gegenständlich malt, arbeitet die linke Gehirnhälfte." Und vor allem die bereite Alzheimer-Patienten Probleme. Übungen, welche die linke Gehirnhälfte in Anspruch nehmen, führten zu Frustration. Andrea Schomburg möchte Erfolgserlebnisse hervorrufen. „Eigentlich leben Alzheimerkranke in einer Welt, die beschränkt ist - die Kreativität aber ist davon nicht betroffen. Das Vergessen beeinflusst die Kreativität überhaupt nicht."

In unserer heutigen Welt habe die emotionale Intelligenz keinen hohen Stellenwert mehr, obwohl sie so ein Schatz sei. „Diese Menschen sind auf unserer Augenhöhe. Sie können so viel!", sagt Andrea Schomburg. Die Erkrankten, die sich in ganz unterschiedlichen Stadien der Alzheimer-Demenz befinden, würden ihre künstlerischen Fähigkeiten sogar mit der Zeit verbessern.

Vor einigen Jahren sah Andrea Schomburg, die heute in Berlin lebt und dort Malkurse gibt, eine Dokumentation über Tanztherapie bei Alzheimer. Sie begann, sich mit dem Thema zu beschäftigen. In Pollença, wo sie schon seit einigen Jahren die Sommer verbringt, erzählte ihr eine Nachbarin von den Kursangeboten des Vereins Afama. Schomburgs Kunsttherapie wurde letztes Jahr zum ersten Mal mit ins Programm aufgenommen. „Als ich dieses Jahr zurückkam, haben mich die Teilnehmer alle wiedererkannt. Sie konnten sich sogar daran erinnern, dass ich ihnen eine Postkarte aus Berlin geschickt hatte", erzählt die Malerin.

Drei Monate bleibt sie auch dieses Jahr auf der Insel und trifft sich wöchentlich für zwei Stunden ehrenamtlich mit den Patienten. Sie hat keine Ausbildung zur Therapeutin gemacht, aber schon vorher mit Menschen in einem Seniorenheim gemalt.

Ob der Kurs das Voranschreiten der Krankheit verlangsamt, kann sie nicht beurteilen. „Aber ich habe auf jeden Fall das Gefühl, dass die Leute wieder wacher werden." Ein Moment habe sie besonders berührt. „Einmal sagt mir ein Mann: ,Ich bin verrückt'. Er hatte an dem Tag Schwierigkeiten mit den Bildern. Ich habe gesagt, er sei nicht verrückt, und ihm geholfen. Dann hat er weitergemalt. Manchmal braucht es nur einen Anstupser."

Die einzige Gemeinsamkeit der bunten Kunstwerke sind die abstrakten Formen. Jeder Teilnehmer lässt seine Persönlichkeit in die Bilder einfließen. Wie der ehemalige Ingenieur, der erklärte, das Viereck auf seinem Bild sei ein Swimmingpool, den der Besitzer erweitern wolle. Die Schwierigkeit sei nun, die Bäume um den Pool herum zu erhalten.