Auf Mallorca hat Fred Singpiel ein Zuhause, aber keine Türklingel. Wer wissen will, ob der Deutsche vielleicht ein Nickerchen in der Koje seiner 1968 gebauten Motorsegelyacht „Rica" macht, der klopft am besten gegen den Rumpf des 9,95 Meter langen und 2,95 Meter breiten Stahlschiffes, das ganz versteckt aufgebockt in einer Ecke der Bootswerkstatt Volvo Penta in Portocolom steht. Die „Rica", mit ihrer auffallend gelb angestrichenen Kajüte, steht zum Verkauf. 4.000 Euro will der auf der Nordsee­insel Borkum aufgewachsene Skipper für seine Herzensdame haben, die ihm seit 23 Jahren die Treue hält. „Ich kann mich nicht mehr gut genug um sie kümmern, es geht nicht mehr", sagt der 80-Jährige.

Wer Fred Singpiel besucht, sollte etwas Zeit mitbringen. Er hat einige Geschichten auf Lager, darunter garantiert kein Seemannsgarn. Der MZ erzählt er zum Beispiel, wie er 1957 beim Ungarischen Volksaufstand als Johanniter-Helfer im österreichischen Burgenland für ungarische Flüchtlinge Erste-Hilfe-Lager aufgebaut hat. Wie er für den Deutschen Kanuverband 1968 zusammen mit dem polnischen Kanuclub Krakau ein gemeinsames Paddeln auf der Weichsel organisiert hat. „Ich wollte Pommern wiedersehen. Wir sind nach dem Krieg auf die Nordseeinsel Borkum geflohen." Oder wie der gelernte Elektro­ingenieur und spätere Sicherheitschef beim Energie­versorgungsunternehmen Technische Werke Ludwigshafen eine 60-Stunden-Woche geschoben und nebenbei noch ehrenamtlich beim DLRG Ludwigshafen die Taucheraus­bildungen geleitet hat. „Ich war damals ein bisschen verrückt", sagt er.

Sein Arzt habe ihm dann im Jahr 2000 dringend nahegelegt, in Frührente zu gehen. „Ansonsten würde er mich wegen meines hohen Blutdrucks bald mit ­einer Gießkanne auf dem Friedhof besuchen, hat er gesagt." Fred Singpiel hat auf den Rat ­seines Arztes gehört, und er wusste auch schon, was er unternehmen wollte. Mit seiner 1996 ­gekauften „Rica" fuhr er los, um das Mittel­meer zu erkunden.

Zwischen 2001 und 2007 hat er allein an der spanischen Küste 50 Häfen angelaufen, von Barcelona über Málaga bis nach Ibiza. Wann immer es ging, haben ihn seine Frau oder seine beiden Söhne begleitet. „Eines Tages gerieten wir bei Menorca in einen schweren Sturm mit vier Meter hohen Wellen. Danach hat meine Frau gesagt, dass sie nie wieder mit aufs Boot wolle, und sie hat Wort gehalten." Fred Singpiel schipperte allein weiter. „Nach drei Jahren und vielen Tabletten hatte ich meinen Blutdruck im Griff", sagt er. Die Ruhe und das selbstbestimmte Leben auf dem Wasser erdeten den Mann.

Als er 2004 im Hafen der spanischen Exklave Ceuta lag, bekam er eine Einladung, doch einmal nach Mallorca zu kommen. „Der Freund eines meiner Söhne hatte gerade ein Architektenbüro in Palma eröffnet. Eigentlich wollte ich nicht nach Mallorca, ich hatte damals das Bild vom Ballermann und der Putzfraueninsel im Kopf." Doch er ließ sich überreden und steuerte mit einem Abstecher über Ibiza Mallorca an. „Zuerst sah ich den schönen Naturstrand von Es Trenc, verbrachte eine Nacht im Hafen bei Sa Ràpita. Den Freund meines Sohnes sollte ich dann in Porto­colom treffen. Als ich in die wunderschöne Bucht fuhr, stand er schon mit einem Hafenagenten auf der Mole, winkte und hatte einen Bootsplatz für mich reserviert. Von da an lief alles wie geschmiert." Wie geschmiert? „Ja, ich blieb drei Jahre auf Mallorca und komme bis heute immer wieder.

Mit seinem Bordhund Rike („ich habe sie in einem spanischen Hafen adoptiert") und seinem Klapprad erkundete er die Insel, lernte Land und Leute kennen. „Als ich nach einigen Wochen mit dem Bus nach Palma fuhr, sprach mich eine Mallorquinerin an. Sie fragte, ob ihr Mann mein Boot besichtigen dürfte. Sie hatten ein Haus direkt am Hafen, und ich bin ihnen aufgefallen." Was vielleicht auch an der gelben Kajüte lag. Fred Singpiel hatte sie so angestrichen, nachdem einige Yachten-Segler ihn wegen seines ungewöhnlichen Bootes verspottet hatten. „Es sähe aus wie ein Postschiff. Darum fand ich die Farbe passend", sagt er und grinst.

Als das Boot 1968 in der Werft Schmitt in Köln gebaut wurde, hatte es noch keine Kajüte. „In der Werft wurden damals Rheinkähne gebaut. Als die Firma mit einer neuen Halle expandieren wollte und Kies brauchte, wollte der Besitzer der Kiesgrube im Gegenzug kein Geld, sondern ein Stahlschiff." Der zweite Besitzer baute dann eine Kajüte auf das Boot. „Ich habe sie damals gekauft, weil sie einfach alles hatte, was ich mir gewünscht habe.

Vorne eine Wohnkabine mit einem Tisch. Wenn man ihn umlegt, hat man dort drei Schlafplätze. Hinten gibt es zwei Kojen. Sie hat Radar, GPS, Echolot, Elektro-Toilette, eine kleine Küche und Funk." Alles, inklusive des Dieselmotors, würde noch wunderbar funktionieren. „Bis auf dem Auspuff, der hat ein Loch, und die Solaranlage geht nicht mehr." Außerdem sei vor allem am Oberdeck einiges an Arbeit nötig, das Boot roste halt. „Der Rumpf ist aber noch in Ordnung", sagt Fred Singpiel.

Seit zwei Jahren liegt das Boot nun an Land. Jeweils in den Sommermonaten hat er dort gewohnt, im Winter kehrte er zurück nach Deutschland. „Ich brauche eine neue Hüfte." Das ständige Auf und Ab mit der Leiter falle ihm immer schwerer. Aber selbst wenn er seine treue „Rica" abgeben muss: ­Mallorca wird er nicht den Rücken kehren. „Ich habe hier viele Freunde gewonnen, ich werde auch so hier die eine oder andere Koje finden."

Kontakt

Wer sich für ein Verkaufsgespräch bei Fred Singpiel melden will, erreicht ihn unter den Handynummern +49 175-58 66 12 4 und +34 619-36 37 82 oder unter der E-Mail fred.singpiel@web.de