Der Duft, der zum Labor führt, kommt von den auf einem weißen Tuch ausgelegten Zweigen des Mastix-Strauches. Sie verströmen ein harziges, würziges Aroma nach Wald. Das genießen die Besucher, bis sie sich dann auf Juan Cánaves konzentrieren, der gerade aus der Tür des Haupthauses tritt. Wie sich herausstellt, ist er kein Unbekannter. Es ist schon eine ganze Weile her, dass die MZ über ihn als Ortspolizisten von Alaró berichtete, der sich neben seinem Job mit Kräutern beschäftigte.

„Ich war damals, 2014, gerade von Formentera auf die Insel gekommen", sagt der heute 39-Jährige. Vier Jahre später quittierte er seinen Dienst, ließ Sicherheit, Haus und Hypothek und Rentenansprüche zurück und begann ein neues Leben. Er habe dabei ganz und gar auf sein Herz gehört, sagt er. Seit zwei Jahren wohnt er auf einer Finca zwischen Sant Joan und Vilafranca mit 15 Hektar Grund und beschäftigt sich hauptberuflich mit Pflanzen und ihrem Auszug durch Destillation.

Das Schnittgut

Bevor es ans Extrahieren geht, verbringt der Mallorquiner viel Zeit auf dem campo. Im Kalender notiert er, zu welchem Zeitpunkt die Gewächse besonders reich an ätherischen Ölen sind. „Ich bin kein Sammler, die Pflanzen suchen mich", sagt er. Wenn man ihm Bescheid gibt, dass der Sturm eine Kiefer entwurzelt hat, holt er sich die Zweige für die Destillation. Oder er beschneidet Bäume und Sträucher gemeinsam mit Freunden, die für die Bewirtschaftung des Puig de s'Alcadena in Alaró ver-antwortlich sind.

Für die Destillation kommen nur Wildpflanzen infrage. Der Pflanzenexperte führt jetzt vor, wie behutsam er bei der Ernte vorgeht. Ganz langsam nähert er sich einer Mastix-Hecke und nimmt einen Zweig fast zärtlich in die Hand. Er betrachtet ihn ausgiebig, und erst dann führt er den Schnitt aus. Von jeder Pflanze holt er sich nur das, was ihren Fort­bestand nicht gefährden kann.

Kürzlich habe man ihm in guter Absicht Schnittgut von Zypressen geschenkt, die mit der Motorsäge gestutzt worden sind. Bei der Destillation habe sich ergeben, dass die von ihm selbst geschnittenen Zweige doppelt so viel ätherische Öle enthielten als die anderen. „Motorsägen erschrecken Pflanzen, das traumatisiert sie und sie halten ihre aceites esentiales zurück", sagt Cánaves.

Die Destillation

Die Destillationsanlage, im spanischen alambique genannt, wirkt eher antiquarisch und aus der Zeit gefallen. Früher hat man mit ähnlichen Gerätschaften auf der Insel Rosen- und Orangenwasser destilliert. „Bei dem Verfahren hat sich über die Jahrhunderte nicht viel ver-

ändert", sagt Cánaves.

Das Feuer für die Destillation liefern heute Butangas-Flaschen. Die Flammen lodern aus einem Ring, der an die erinnert, mit denen man Paellas zubereitet. Doch hier umschließt er ein bauchiges Gefäß aus Kupfer, das mit Wasser befüllt und erhitzt wird. Darauf sitzt ein Zylinder mit perforiertem Boden. Hier füllt Cánaves die Zweige ein, die auf dem weißen Tuch liegen und presst sie. Das Ganze wird mit einer Haube verschlossen.

Wenn das Wasser kocht, steigt Dampf nach oben, die Pflanzen öffnen die Poren und geben ihre ätherischen Öle frei, der Wasserdampf nimmt sie mit und kondensiert. Danach wird die Flüssigkeit abgekühlt und läuft langsam in einen Trichter mit zwei Ausgängen. Weil das ätherische Öl leichter ist als das destillierte Pflanzenwasser, Hydrolat genannt, schwimmt es oben. An jeder Seite des Trennkolbens sitzt ein Hebel, Pflanzenwasser und Öl können dadurch in zwei Gefäße ablaufen.

Die Essenzen

„Nach zwei Stunden ist der Prozess abgeschlossen", sagt der Experte. Das Ergebnis: 40 Kilogramm Mastix liefern eine winzige Kostbarkeit von 50 Milliliter puren ätherischen Ölen . Cánaves verkauft es, wie auch seine anderen Essenzen, unter dem Markennamen „najuana", weil das Balearen-Johanniskraut im Katalanischen estepa joana heißt. Und weil es dieses endemische Kraut gewesen ist, das Cánaves die Tür zu den medizinischen Kräutern geöffnet hat. Um sein Angebot zu erweitern, tauscht er das Mastix-Öl mit einem französischen Destillateur gegen die Essenz des Wildlavendels aus den Hautes-Alpes.

Gewonnen werden als Nebenprodukt einige Liter Hydrolate, für die sich Inselköche interessieren. Bei Ca na Toneta in Caimari hat man den Gästen einige Tropfen Kiefernwasser auf die Hände gegeben, um sie auf Inselgerichte vorzubereiten, Santi Taura versuchte sich mit Eis, Macarena de Castro mit Saucen. Beim Workshop am kommenden Sonntag werden Myrtenzweige destilliert. Die Teilnehmer nehmen einen Auszug mit nach Hause: Pflanzenwasser und ätherische Öle.