Gibt es Starkregen auf Mallorca, füllen sich die Sturz­bäche, die torrents, der Insel rasant. Die Wasser­massen bewegen sich dann mit hoher Geschwindigkeit von den Bergen über die Ebene ins Meer. „Für die Mittelmeer­region sind Regenfälle mit einer hohen Niederschlagsdichte pro Quadratmeter ­typischer als Nieselregen", sagt Toni Verd, Mitarbeiter der Naturschutzbehörde Ibanat und Leiter der Baumschule Es Menut bei Escorca. Man müsse jedoch damit rechnen, dass die ­Heftigkeit der Regenfälle künftig noch ­zunehme. Die jährliche Reinigung der Bachbette mit ihren vielen Kilometern sei eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Deshalb schlägt Toni Verd eine Bepflanzung der Ufer vor.

Der Ibanat-Mitarbeiter betont die historische Bedeutung der Wasserläufe. Die Besiedelung der Insel begann in ihrer Nähe. Nicht umsonst befindet sich das fruchtbarste Gebiet Mallorcas bei Sa Pobla, wo die Felder von Torrent de Muro und ­Torrent de Massanella profitieren. Für die Ernten war das Wasser aus den Bergen in den Monaten September bis April wichtig.

Auen als Vorbild

Die Ufer der Bachbette, berichtet Verd, ­wären ursprünglich breiter gewesen als heute. In deren Mitte verlief an der tiefsten Stelle die Wasserrinne. Die Erde an den Ufern hielten bosques ribereños, wie im ­Spanischen die Bepflanzung der Auen genannt wird, mit ihren Wurzeln fest. Das Wasser versickerte, die mitgeschwemmten Sedimente machten die Böden immer fruchtbarer.

Dann begann der Mensch damit, die Wälder zu roden und die Ufer zu kulti­vieren. Überschwemmungen verdarben zwar in manchen Jahren die Ernten, doch Schlimmeres geschah erst, als man in der Nähe der Torrents Häuser, Mauern und Straßen baute. Mit der Folge, dass das ­Wasser an Stein und Beton aufschlägt, was zu einem Rückstau führt, dessen Wasser­massen schwer aufzuhalten sind.

„Der Bau von Straßen, Mauern und Häusern in Torrent-Nähe ist nicht mehr rückgängig zu machen", sagt Verd. Doch er sieht eine Möglichkeit, das Wasser durch Renaturierung der Ufer zu bremsen, bevor es die Dörfer erreicht. Diese grünen Korridore würden nicht nur Überschwemmungen verhindern. Sie wären auch wichtige Lebensräume für Fauna und Flora.

Ufer-Pflanzen

Dafür eignet sich eine Reihe laubabwerfender Bäume. Meist sind es nicht heimische Pflanzen. Sie wurden eingeführt, weil sie in der Lage sind, so tiefe Wurzeln zu bilden, dass sie die mediterranen Sommer ohne Niederschläge überstehen.

Beispielsweise die Schwarzpappel (Populus nigra bot., chopo span., poll kat.), die zur Familie der Weidengewächse zählt, die in Südeuropa heimische Schmalblättrige Esche (Fraxinus angustifolia bot., fresno span., fleix kat.) oder die Feldulme (Ulmus minor bot., olmo span., olm kat.), die häufig an feuchten Standorten vorkommt und auch in Gärten gepflanzt wird.

Als niedrigere Gewächse eignen sich der Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus bot., pimentera span., aloc kat.), der oft dort wild wächst, wo der Torrent ins Meer führt. Oder aber die Kugelbinse (cirpoides holoschoenus bot., junco común span., jonc kat.).

Invasive Gewächse

Wenn es zu Staus in den Bachbetten kommt, liegt das häufig an Schilfrohren (Arundo donax bot., caña común span., canya kat.). Sie stammen ursprünglich aus Asien und haben sich auf der Insel als Nutzpflanze eingebürgert, deren Rohre im Handwerk früher eine große Rolle spielten. Seit Kunststoff diese ersetzt, verwahrlosen die Schilfpflanzen, breiten sich unkontrolliert aus und verdrängen schwächere Arten. Wenn Bachbette unter Brücken durch Kanalrohre führen, legen sich die canyas in alle Richtungen quer und verstopfen die Durchgänge. Gelangen dann doch irgendwann große Mengen canyas bis ans Meer, bilden sie an den Stränden bizarre Skulpturen. Auch für die Prunkwinde (Ipomoea indica bot., maravillas span., campanetes de jardí kat.) ist ein Bachbett ein beliebter Ort, um die lianenartigen Triebe auszubreiten. Sie kam als Zierpflanze aus Südamerika nach Spanien, wo sie in manchen Gegenden als invasive Pflanze an den Ufern mühselig gerodet werden muss.

Gartenbesitzern mit Grundstücken in Bachbeet-Nähe empfiehlt Verd, keine Gewächse zu pflanzen, deren leichte Samen vom Wind weggeweht werden, wie dies bei Süßgräsern (Gramineae) der Fall ist.

Bewaldete Berghänge

Eine wichtige Rolle im Abfluss von Regenwasser spielen die Wälder. „Zur Katastrophe in Sant Llorenç de Cardassar hat auch beigetragen, dass die Hügel der Serra de ­Llevant abgeholzt wurden", erklärt Verd. Bewaldete Hänge halten den Wasser­lauf auf, das Wasser versickert. Es Menut ­liefert deshalb Bäume an die Gemeinde­verwaltung Artà: Geplant ist, die Berge zu renaturieren und die Gärten der Bewohner, die an die Torrents grenzen, mit Laub­bäumen zu bepflanzen.