Rund um die Bahn riecht es streng nach Pferd, auf dem Geläuf jagen gerade zwei Traber hintereinanderher. In der Bar Sa Curva sitzen vormittags um 11.30 Uhr schon etliche ältere Männer vor ihren Tellern mit frit mallorquí, albóndigas oder calamares. Das Hipòdrom de Son Pardo, also die an der Ringautobahn gelegene Pferderennbahn, ist ein guter Tipp, um mal ein ganz anderes Mallorca kennenzulernen. Seit wenigen Monaten gibt es im Untergeschoss noch einen weiteren Grund, um dort vorbeizuschauen: ein in dem Buffet-Restaurant der Trabrennbahn untergebrachtes „Museum" für Bierliebhaber.

Hier, unter der Tribüne, stapeln sich an den Wänden Bierkrüge und Humpen aus aller Welt, die mit Abstand meisten davon aus Deutschland. Der Wirt, Rubén Fernández, hat eine etwa 30 Meter lange Glasvitrine fein säuberlich mit rund 2.000 der Krüge befüllt, darunter Exponate, die über 100 Jahre alt sind. Der 65-jährige Asturier, der Ende 2018 die Konzession des Restaurants gewann, sammelt alles rund ums Bier und andere alkoholische Getränke. Begonnen hatte seine Sammelleidenschaft vor 42 Jahren. „Ich habe irgendwann angefangen, die charakteristisch geformten Whiskey-Krüge zu sammeln, weil sie mir gefielen", erzählt Fernández, während er die MZ durch sein Heiligtum führt.

Eigentlich nur für einen Sommer

Fernández kam im Alter von 16 Jahren mit seiner Mutter auf die Insel. Kurz zuvor war sein Vater im heimischen Gijón gestorben. „Wir wollten eigentlich nur in der Sommersaison in der Tourismusbranche arbeiten und dann wieder zurück. In Asturien gab es damals außer in der Industrie sehr wenig Arbeit", erzählt er. Seine Mutter fand eine Stelle als Zimmermädchen in einem Hotel, und Rubén Fernández kam in der Disco „Barbarela" an der Plaça Gomila als Kellner unter. Der Plan war eigentlich, mit dem verdienten Geld die Hochzeit der Schwester von Rubén zu finanzieren und dann wieder nach Asturien zurückzukehren.

Schnell merkten beide aber, dass es sich auf Mallorca gut leben ließ und der bereits boomende Tourismus jede Menge Arbeitsplätze bot. Nur sieben Jahre später übernahm Rubén Fernández seine erste eigene Cafetería. Tagsüber war er dort anzutreffen, nachts arbeitete er weiterhin im „Barbarela". „Irgendwie musste ich ja das Geld für die Cafetería zusammenbringen." Und so fing er eines Tages im Jahr 1978 an, die ersten Utensilien für seine Sammlung zu horten. „Ich saß ja an der Quelle", sagt er. Bald merkte er aber, dass die Whiskey-Krüge seine Sammelleidenschaft nicht stillten. Es gab schlicht nicht so viele. Wobei das relativ ist. „Ich besitze rund 2.700 Whiskey-Krüge, aber damit war dann auch schon Schluss. Viel mehr gibt es nicht", sagt Fernández in vollem Ernst.

Also verlegte er sich auf Bier und alles, was den Gerstensaft umgibt. Da war die Auswahl ungleich größer. Los ging es mit Krügen, Gläsern und Aschenbechern der unterschiedlichen Biermarken. Wie ein Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 1995 belegt, kam auch hier schnell einiges zusammen. Schon damals besaß der Nordspanier 22.000 Stücke, 14.000 davon Aschenbecher. Die meisten davon stammten aus einer Sammlung, die er kurz zuvor erstanden hatte.

Die meisten Stücke beschafft er selbst

Wobei man ihm zugutehalten muss, dass er viele seiner Sammlerstücke tatsächlich eigenhändig auf die Insel gebracht hat. Fernández gab in den vergangenen Jahrzehnten Unsummen für Reisen nach Deutschland, England oder in die USA aus. Genauer ausgerechnet hat er seine Investitionen nie. „Da würde ich ja wahnsinnig werden", sagt er. Und von jeder seiner Reisen kehrte er mit Dutzenden von Originalstücken nach Hause zurück. „Ich war wirklich krank, regelrecht süchtig danach, immer wieder neue Exponate zu finden." Zeit für Sightseeing fand er so gut wie nie - und es interessierte ihn auch nicht.

In Deutschland wurde er häufig bei Brauereien vorstellig, um Krüge oder Aschenbecher zu kaufen. Manchmal gaben sie ihm die Stücke so, aber meistens musste er zahlen. Auch andere Sammler sprach er an. „Das ist in Europa aber schwieriger als etwa in den USA. In Europa hängen die Leute an ihren Sammlungen, und auch für viel Geld geben sie sie ungern heraus. In den USA verkauft man dir alles für Geld", erzählt Rubén Fernández.

So trieb er sich häufig auf Antiquitätenmärkten in den USA herum. Dort gab es alles, was das Herz begehrte. „Die Leute dort sind viel verrückter als die Europäer, was diese Gegenstände angeht." Auch er wurde bereits

gefragt, ob er seine Sammlung verkaufen möchte. Das war bereits in den 90er-Jahren. Ein Sammler aus den USA bot ihm 50 Millionen Peseten an, umgerechnet heute etwa 300.500 Euro. Fernández lehnte dankend ab.

Heute über 70.000 Exponate

Heute geht er die Sache etwas ruhiger an, mittlerweile besitzt er über 70.000 Exponate. Fernández kann heilfroh sein, dass er die Konzession für das Restaurant in Son Pardo bekommen hat, um seine Leidenschaft auszuleben, ohne gleich an Platzgrenzen zu gelangen. Zuvor hatte der 65-Jährige alle seine Schätze in einem fast 400 Quadratmeter großen Kellergeschoss unter seinem Haus in Arenal aufbewahrt. „Da lagern immer noch rund 30 Prozent meiner Sammlung", erzählt er, und man mag es kaum glauben, während man sich in mehreren vollgestopften Lagerräumen umsieht, die Fernández für uns öffnet.

Dabei rennt er heute nicht mehr jedem Antiquitätenmarkt hinterher, und dem Internet als Plattform vertraut er nicht. „Ich will die Sachen selbst sehen und mit nach Hause bringen." Mitbringsel von anderen aber akzeptiert er. Als er die MZ durch die Räumlichkeiten führt, zeigt er auf eine Leuchtreklame von Paulaner. „Die hat mir gestern ein Freund mitgebracht. Ich habe ihm 200 Euro dafür gegeben."

Solche Ausgaben kann er sich leisten - Fernández betreibt inzwischen 14 Bars und Restaurants auf der Insel, darunter die Mensa der Nationalpolizei, zwei Mensen an der Universität sowie auch einen Chiringuito am Es- Trenc-Strand. Seine Sammlung hat er inzwischen offiziell als Museum registriert, zumindest in Spanien. Im Februar will er nach Dänemark und später nach Deutschland zu den großen Brauereien fahren, um ihnen seine Sammlung vorzustellen und sie bekannter zu machen. Zwar wolle er keinen Eintritt verlangen, aber dafür sorgen, dass die Menschen, die sich für die Exponate interessieren, bei ihm essen. Damit ist ihm dann ja auch gedient.

Und er fährt einiges auf in seinem Restaurant. Für 12 Euro kann man unter der Woche zwischen 12.30 Uhr und 16 Uhr so viel essen und trinken, wie man möchte. Es gibt vor allem mallorquinische Hausmannskost. Am Samstag kostet das Ganze 15 Euro, am Sonntag 19 Euro. Aus dem Zapfhahn fließt übrigens Mahou, allerdings nicht das gewöhnliche, sondern eine Craft-Beer-Version. Fernández selbst trinkt nicht viel Bier, sagt er. „Aber wenn, dann am liebsten Estrella Galicia." Somit wäre das dann auch geklärt.