Mit dem Bus zur Uni? „Imposible", sagt ­Bàrbara Montaya und schüttelt energisch den Kopf. „Das dauert zu lange, die Anbindungen nach Palma sind schlecht", schimpft die 22-jährige Mallorquinerin aus Es Capdellà. „Allerdings", gibt sie zu bedenken und hebt dabei ein klein wenig den Zeigefinger, „war das früher, also so vor rund 150 Jahren, noch viel schlimmer." Montoya weiß trotz ihrer jungen Jahre, wovon sie spricht. Erst vor wenigen Wochen hat die Geschichts- und Spanischstudentin das Buch „Del carro als primers cotxes" (in etwa: „Von der Kutsche bis zum ersten Auto") vorgestellt, das von der Entwicklung des öffentlichen Verkehrs zwischen 1850 und 1960 in ihrer Heimatgemeinde Calvià erzählt.

„Calvià war damals eine der ärmsten Gegenden auf Mallorca. Die meisten Menschen verdienten ihr Brot als Tagelöhner auf den possessions den Landgütern. Wer kein Pferd oder keinen Maulesel besaß, machte sich im Morgengrauen zu Fuß auf den Weg zum Arbeitsplatz - und kehrte nach Sonnenuntergang auf gleiche Weise wieder zurück", erzählt Montoya, die für ihr Buch viele Stunden im Archiv von Calvià verbrachte, um dort in alten Zeitungsartikeln, Registern und anderen Dokumenten zu stöbern. „Öffentliche Transportmittel waren unbekannt. Wer nach Palma wollte, lief zu Fuß. Oder blieb gleich zu Hause."

Das änderte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit den ersten diligencias. Dabei handelte sich meist um Unternehmen von Bauern oder Viehbesitzern, die zuvor bereits im Auftrag der Spanischen Post- und Telegrafengesellschaft öffentliche Benachrichtigungen und Privatpost aus den Dörfern nach Palma und zurück transportiert hatten. „Diese Leuten boten irgendwann an, auch Personen gegen Bezahlung in ihren Pferdekutschen oder Eselskarren in die Hauptstadt mitzunehmen", so Montoya. Eine Geschäftsidee, die sich in kürzester Zeit inselweit etablierte. So fand Montoya bei ihren Archiv-Recherchen einen der vielleicht ersten offiziellen Fahrpläne für Personentransporte auf Mallorca, veröffentlicht im Januar 1899 in der damaligen Tageszeitung „La Unión Republicana". Verzeichnet sind dort die täglichen Abfahrtzeiten aus nahe­zu allen Dörfern und Städten der Insel Richtung Palma und zurück. „Vom Dorf Calvià in die Hauptstadt dauerte es mit der Pferdekutsche rund drei Stunden. Wer bei Anstiegen aus der Kutsche stieg, um somit die Fahrzeit zu beschleunigen - und das Zugpferd zu entlasten -, bezahlte in der Regel weniger", so ­Montoya.

Anfang des 20. Jahrhunderts bekamen die diligencias ernsthafte Konkurrenz. Bereits 1869 hatte ein Katalane den Prototypen eines bis dato seltsamen zweirädrigen, mit Muskelkraft angetriebenen Vehikels nach Mallorca gebracht. Doch erst um 1900 begann - dank ­technischer Weiterentwicklungen - der eigentliche Siegeszug der bicicleta auf der Insel. „Das Fahrrad war in Calvià und anderen Gegenden der Insel über viele Jahrzehnte ein Transportmittel, mit dem Reisezeiten spürbar verkürzt werden konnten. Sich, wie heutzutage, nur so zum Spaß auf den Sattel zu schwingen, war damals undenkbar", sagt Montoya. 1938 begann die Gemeindeverwaltung erstmals, Fahrräder als Transportmittel zu registrieren. Insgesamt 115 waren es am Ende des Jahres. „Wer ein Zweirad hatte, musste sich im Rathaus melden, eine Abgabe zahlen - und bekam anschließend ein Nummernschild."

Bereits acht Jahre zuvor hatte die Kommunalverwaltung damit begonnen, auch Fahrlizenzen für Pkw auszustellen. Allerdings stießen die meist aus Frankreich importierten Auto­mobile wegen ihres hohen Anschaffungspreises und technischer Unzulänglichkeiten auf sehr geringes Interesse. „In Calvià waren im Jahr 1930 gerade einmal zehn Automobile ­registriert, bei deren Eigentümer es sich vor allem um betuchte Ärzte handelte", sagt ­Montoya. Noch schleichender als die knatternden Kisten auf vier Rädern entwickelten sich die motos als Transportmittel in Calvià. „Erst Mitte der 50er-Jahre entdeckten die Menschen in Calvià das Motorrad für sich", sagt Montoya. Waren 1952 nur 13 Motorräder offiziell im Rathaus angemeldet, waren es zwei Jahre später bereits 30, 1958 sogar über 130.

Ab 1960 sollte sich die öffentliche Verkehrssituation in Calvià dann radikal ändern. Dafür gab es, so Montoya, vor allem zwei Gründe. „An den Küsten der Gemeinde wurden erst Hotels, später ganze Urlaubsorte wie etwa Palmanova oder Santa Ponça hochgezogen. Um insbesondere die Arbeiter dorthin zu bringen, wurden Buslinien etabliert, die gleichzeitig auch die Touristen zu ihren Unterkünften schafften", weiß Montoya. Und: Der italienische Autokonzern Fiat hatte - ähnlich wie der „Käfer" zuvor in Deutschland - Ende der 50er- Jahre mit dem Fiat 500 einen Volks-Wagen geschaffen, der aufgrund seines Preises und seiner technischen Robustheit der breiten Masse zugänglich war. „In Spanien wurde er unter Lizenz als Seat 600 produziert." Und mit ihm begann der Siegeszug des Automobils auf Mallorca. Öffentliche Verkehrsmittel wie Bus und Bahn blieben dabei lange auf der Strecke.