Der Parkplatz wie ausgestorben, kein einziger Reisebus, nur das Zwitschern der Vögel: Wer sich über die Serpentinen des Tramuntana-Gebirges zum Heiligtum von Lluc begibt, fand wohl nie bessere Bedingungen für spirituelle Einkehr vor wie in diesen Tagen. Das geistige Herz Mallorcas beginnt nach der Krise zaghaft wieder zu schlagen. „Dein Haus ist jetzt geöffnet, die Mutter erwartet dich", lockt die Website des Wallfahrtsorts.

In Phase eins beschränkte sich das Angebot jedoch auf die Basilika, die kleine Laden-Bäckerei (Forn i Botiga) und die Nutzung der externen Familien-Apartments (Porxets). Mit Phase zwei können auch die anderen Zimmer der Herberge wieder gebucht werden, für den botanischen Garten und das Schwimmbad hofft man auf Phase drei.

Frei von Beklemmungen

Am Freitagmorgen nach der Wiedereröffnung am Sonntag, 17. Mai, kann von einem Besucherandrang noch keine Rede sein. Nur eine Gläubige hält sich in der Wallfahrtskirche auf, die an die neuen Normen angepasst ist: Die Heilige Madonna darf nicht berührt werden, den Sicherheitsabstand auf den Bänken markieren Poster des berühmten Knabenchors von Lluc, der „Blauets". Noch ist das Internat der Kinder geschlossen, und vorerst singen sie ihre Salven täglich um 13.15 Uhr auf Instagram.

In einem abgelegenen Raum voller Heiligenbilder, wo jedes Wort von den Wänden widerhallt, bittet der Vikar Antoni Burguera Cabrer zur Audienz. Ernst und besonnen berichtet er von der Zeit der Ausgangssperre. Neben dem Prior Marià Gastalver ist Burguera der Einzige, der dauerhaft in Lluc lebt. „Wir konnten uns hier recht frei bewegen, ohne die Beklemmung, die man in der Stadt gespürt hat", sagt er. Prior und Vikar hätten viel Zeit im Gebet vor der Heiligen Madonna verbracht, um die Menschen auf Mallorca spirituell zu unterstützen.

Dem Heiligtum selbst erging es derweil wie einem weltlichen Unternehmen: Es musste Kurzarbeit beantragen, einen sogenannten ERTE. Die Mehrheit der 50 Mitarbeiter hatten nichts zu tun: Bar-, Restaurant- und Herbergsbetrieb mussten schließen, die Haupteinnahmequelle fiel weg. Das Wichtigste ist laut Burguera jetzt, den Betrieb in kleinen Schritten wieder hochzufahren. An der ersten Sonntagsmesse nahmen etwa 50 Menschen teil. Eine Kampagne soll neue Anreize für den Besuch schaffen, mit Rabatten für das Gesundheitspersonal, später auch für Wanderer und Ausflügler.

Die Orgel heißt willkommen

Sich an so einem Ort endlich wieder frei bewegen zu können und den wertvollen Kontakt zur Natur zu spüren: Bei einem Gespräch im Magnoliengarten preist Toni Moreno euphorisch die Vorzüge an, die Lluc gerade jetzt zu bieten hat.

Der Diakon bildet mit Gastalver und Burguera seit vergangenem Jahr das neue Dreigestirn des Heiligtums - und man fragt sich unweigerlich, wie seine Zusammenheit mit dem distanzierten Vikar funktioniert, denn Moreno ist die personifizierte, überbordende Lebenslust. Er hat einen Taizé-Gesang als Handyklingelton und viel Sinn für blumige Worte. Über die letzten Wochen in Lluc sagt er: „Nur die Stille selbst hat gesprochen." Alles Leid der Welt sei darin präsent gewesen, aber auch Liebe für die Betroffenen. „Dann gab es plötzlich wieder Geräusche: Die Schritte von Pilgern zu hören, hat uns mit solch einer Freude erfüllt! Ganz, ganz, ganz viel Freude!"

Das Schönste sei, dass die Menschen nun kämen, um sich bei der Jungfrau von Lluc zu bedanken, weil sie nicht krank geworden sind. „Die Reaktionen haben uns sehr berührt. Als die Orgel zum ersten Mal spielte, sagten die Leute: Es ist, als würde sie uns nach so langer Zeit willkommen heißen", erzählt Moreno.

Ein Ort der Erneuerung

Die wenigen Gäste, die sich seit den ersten Tagen einquartiert haben, hören nun nicht die sonst übliche Geräuschkulisse. „Der Platz wäre zu dieser Jahreszeit voll von Besuchern", sagt der Diakon. „Die Erfahrung, an einem Wochenende mit nur zehn weiteren Personen in Lluc zu sein, hat alle tief beeindruckt."

Einer von ihnen ist Vicente, der fünf Tage in der Herberge verbringt, um Ruhe und Frieden zu finden: „Seit der Ausgangssperre ging mir viel im Kopf herum. Ich hatte das Gefühl, dass ich mein Leben neu ordnen muss", sagt er. In Lluc habe er genau das gefunden, was er jetzt braucht: Wenige Menschen und Zeit zum Nachdenken.

Auf der Terrasse des Forn plaudert er mit Fernando, den ganz andere Umstände an diesen Ort verschlagen haben: Er lebt im Wohnmobil und wurde in Lluc vom Alarmzustand überrascht. Dass er seitdem an Lluc gebunden ist, empfindet er als glückliche Fügung: „Ich komme eh jedes Wochenende hierher, denn ich bin praktizierender Katholik," sagt er.

Mit Essen versorgt sich Fernando hauptsächlich im Forn, wo es neben Backwaren auch Lebensmittel gibt. Die Betreiberin Irene Portillo, deren Töchter sonst das Internat in Lluc besuchen und nun im Innenhof spielen, erhielt einen Basisbetrieb für die Anwohner aufrecht.

Und sie hat die Zeit für Renovierungsarbeiten genutzt: Im Laden riecht es frisch gestrichen, der Holzofen erstrahlt in neuem Glanz. „Wir möchten mallorquinische Produkte selbst herstellen: Brot, Ensaimadas, empanadas und süßes Gebäck", sagt Portillo. Für die Zukunft soll ein richtiges kleines Café entstehen. Von der Geschäftsfrau, die frische Ideen verwirklicht, bis zu den Gästen, die Orientierung suchen: Lluc steht in den Tagen der Wiedereröffnung im Zeichen der Erneuerung.