Die Gärtnerei Carniplant liegt nicht gerade am Weg, doch über den Camí de Son Fangos bei Manacor ist sie leicht zu erreichen. Hier sind die drei großen und die zwei kleinen Gewächshäuser des Züchters Guillem Gutiérrez zu besichtigen, in denen er Tausende von fleischfressenden Pflanzen und Sukkulenten zum Verkauf anbietet. Das war nicht immer so.

Als der heute 29-Jährige 2009 als Botanikstudent mitten in der Finanzkrise seine Leidenschaft für fleischfressende Pflanzen entdeckte - auch Karnivoren genannt-, experimentierte er noch mit Joghurtbechern auf der Terrasse seiner Eltern. Später zog er dann mit dem ersten Pflanztisch auf die Familienfinca um und nahm an ganz kalten Tagen kälteempfindliche Gewächse mit nach Hause. Während seines Studiums gelang es ihm dann, im Labor der Balearen Universität Pflanzen in Reagenzgläsern vegetativ in vitro zu vermehren.

So kam es, dass er auf einmal Besitzer vieler Exemplare der Arten Venusfliegenfallen (Dionaea muscipula) und Weiße Schlauchpflanzen (Sarracenia leucophylla) wurde, die er dann auf den Inselmärkten verkaufte und dabei die Besucher einlud, deren Nektar zu kosten. Der süße Geschmack überzeugte und machte deutlich, dass keinerlei Gift mit im Spiel ist. Das Logo von Carniplant mit dem großen „C", auf das ein Insekt zufliegt, das hatte es auch damals schon gegeben.

Auf einem der Märkte entdeckte die MZ-Autorin den damals gerade einmal 21-jährigen Botanikstudenten. Er zeigte sich felsenfest davon überzeugt, dass es ihm gelingen würde, fleischfressende Pflanzen professionell zu züchten und damit sein Einkommen zu bestreiten. Der heute so erfolgreiche Kakteenzüchter aus Santanyí, Toni Moreno, hätte schließlich auch einmal ganz klein mit einer Kiste angefangen, heute würden seine Kakteen und Sukkulenten auf mehreren Hektar Land wachsen.

Die Gewächshäuser

Nach der Finanzkrise zog Gutiérrez auf die acht Hektar große Finca seines Großvaters um und begann mit dem Bau des ersten Gewächshauses für Schlauchpflanzen und Venusfliegenfallen. Beide stammen aus den US-amerikanischen Staaten North und South Carolina, deren Klima dem mediterranen ähnelt.

Weitere Gewächshäuser kamen hinzu: Ein zweites mit tropischem Klima und Dauerberegnung für Kannenpflanzen (Nepenthaceae), die vorwiegend von botanischen Gärten gekauft werden. In einem dritten sind Arten untergebracht, die im Unterholz von Wäldern leben und es schattig mögen, wie beispielsweise mehrere Arten der fleischfressenden Gattung Sonnentau (Drosera) oder die winzigen Sukkulenten Lebende Steine (Lithops), die sich wild wachsend vor der Sonne im Sand verstecken.

Mit den Pflanzen, den Gewächshäusern und dem kommerziellen Erfolg stieg auch die Präsenz im Netz. Heute ist Carniplant auf Youtube, Instagram und Facebook vertreten. Im Club Carniplant tauschen sich die Karnivoren-Fans aus und holen Rat. Gekauft wird im Netz oder direkt auf der Finca bei Manacor.

Die Vermehrung

Der beste Zeitpunkt für die Vermehrung seiner Arten wäre im Frühjahr, sagt der Züchter. „Im Sommer verlieren die Setzlinge zu viel Feuchtigkeit und sterben." Während der heißen Jahreszeit kalkuliert er die Umsätze für das nächste Jahr und schickt seine Bestellung mitsamt den erforderlichen Pflanzenproben an ein Labor nach Italien. Dort können die Gewächse im Reagenzglas in beliebiger Anzahl vervielfältigt, also geklont werden.

Wenn die Setzlinge im wohltemperierten Paket auf der Insel ankommen, sind sie winzig. „Bei der Venusfliegenfalle ist das lediglich ein Blatt, das kleiner ist als das Ein-Cent-Stück", sagt der Mallorquiner. Die Winzlinge pflanzt er in mit Kokosfasern gefüllten Paletten aus recyceltem Kunststoff. „Am schwierigsten ist die Phase des Eingewöhnens", sagt Gutiérrez. Die an sterile Umgebung gewöhnten Setzlinge müssten nun mit Bakterien und starken Temperaturschwankungen fertigwerden.

Weil es im Labor zu immer gleichen Klonen kommt, sucht der Experte nach Varianten der Weißen Schlauchpflanze, denn viele seiner Kunden sind Sammler. Derzeit zeigen die Blüten sommerlichen Verfall, doch wenn sie im Frühjahr voller Blütenstaub sind, kann es zu interessanten Kreuzungen kommen.

Diese entstehen, wenn man mit einem Pinsel Blütenstaub kontrolliert mit ausgewählten Exemplaren zusammenbringt. Wenn die Samen gekeimt sind, entwickeln sich Hybride mit beispielsweise interessanten Violetttönen. Besonders gelungene Ergebnisse lässt der Züchter dann im Labor kopieren.

Das Wachstum

Auf die Frage, wie stark die Pflanzen in seiner Zucht das Insektensterben beschleunigen, antwortet Gutiérrez: „Eine Fledermaus frisst in einer Nacht eine Insektenmenge ihres Gewichts." Verglichen damit, wäre der Konsum einer Pflanze eher spärlich. Wobei Karnivoren auf Mücken und Fliegen spezialisiert sind, bestäubende Insekten dagegen verirrten sich nur sehr selten in ihre Klapp- und Klebefallen.

Für ihr Überleben bräuchten die Pflanzen die Insekten nicht, aber für ihr Wachstum. Doch das interessiert für Zucht und Verkauf nur bedingt. Wenn etwa ein Blatt der Weißen Schlauchpflanze mit Insekten gefüllt ist, verdorrt es, die Pflanze bildet ein neues. „Wenn ich dies nicht verhindere, muss ich ständig trockene Blätter stutzen". Deshalb stünden beispielsweise die Mutterpflanzen, mit deren Blüten er experimentiert, unter Moskitonetzen, die nur gelegentlich geöffnet werden. Auch die seitlichen Fenster der Gewächshäuser öffnet er nur so oft, dass die Insekten den Pflanzen zu einem gebremsten Wachstum verhelfen.

Dies gilt auch für die Gärtnerei. Die Importe aus Holland zeigten, so Gutiérrez, wie Qualität verloren ginge, wenn man auf Masse setze. Aber er hat sich trotzdem gefreut, als während der Corona-Krise täglich Aufträge eingingen, weil die Mitglieder des Carniplant-Forums sich in der Quarantäne langweilten. Von seiner Zucht leben können mittlerweile nicht nur er, sondern auch Frau und Kind.

Schlauchpflanzen ab 4 Euro, Venusfliegenfallen ab 6,50 Euro. www.carniplant.es