Manche Anwohner mögen es im Hinblick auf die Entwicklung der Wohnungspreise mit Sorge sehen, für Hoteldirektor Yan Garayalde aber steht fest, dass sein neues Vier-Sterne-Haus den Grundstein für eine Aufwertung des Einwandererviertels Pere Garau legt: An der umgangssprachlich Plaza de las Columnas genannten Plaça Francesc Garcia i Orell hat Mitte Juli das erste Boutique-Hotel in diesem Stadtteil eröffnet. Über 30 Jahre lang stand das Gebäude zuletzt leer, zwischenzeitlich machten sich dort auch Hausbesetzer breit. Nach aufwendigen Umbauarbeiten entstand in dem vierstöckigen Haus nun das „Nou Baleares" mit 45 Zimmern. Investor ist die spanische Unternehmensgruppe Balaguer.

Das Gebäude stammt aus dem Jahr 1927 und gehörte zunächst der Familie Guasp Quetglas. Im Untergeschoss betrieb sie damals eine Fabrik für Hydraulik-Fliesen mit dem Namen Can Boira. Im Obergeschoss lebten die Eigentümer. „Während des Spanischen Bürgerkriegs soll das Gebäude dann als Zufluchtsort gedient haben", erzählt Yan Garayalde. Wenig später entstand das Hostal Baleares. Vor dem Tourismusboom der 60er-Jahre war es eines der beliebtesten Hotels der Insel. Danach stand es jahrzehntelang leer. Vor ein paar Jahren erst hatte die Denkmalschutzorganisation Arca erreicht, dass das Haus unter Schutz gestellt wird. Andernfalls hätte das historische Gebäude wohl abgerissen werden müssen.

Sogar noch rigoroser, als es der Denkmalschutz erfordere, sei das Team beim Umbau zum Boutique-Hotel vorgegangen, erzählt der für die Restaurierung zuständige Architekt Nacho Salas. „Die Fassade des Gebäudes etwa ist weitgehend erhalten, ebenso die Ästhetik der Außenbalkone oder die Treppe. Auch die Balken sind noch von damals, wir haben sie allerdings etwas verstärkt", fügt Hoteldirektor Yan Garayalde hinzu. Zudem sind einige Eisengitter aufgehübscht und wiederverwendet worden.

Auch wer die Cafetería Can Boira im Erdgeschoss des Hotels betritt, dem fällt sofort auf, dass sich dort noch viele Originalteile des früheren Gebäudes wiederfinden: ein weitläufiges Quadrat an der Wand, aus dem eine größere Fläche aus Marès-Stein hervorblitzt oder lange Holzbalken an der Decke. Und dann sind da noch die vielen bunten Fliesen, die aus dem ehemaligen Gebäude behutsam ausgebaut wurden. Sie zieren nun den Bereich der Bar und auch den Boden einiger Zimmer. Die Bar, aus der im September ein Restaurant werden soll, trägt, um an das Ursprungsgebäude zu erinnern, denselben Namen wie die einstige Fliesenfabrik: Boira.

Hier ist beim MZ-Besuch am Freitagvormittag einiges los. Auch viele Anwohner trinken hier ihren cortado und lassen sich die llonguets, typische belegte Palma-Semmeln, schmecken.

Von der Cafetería und dem angrenzenden separaten Hoteleingang aus, geht es im Keller zu einem kleinen Fitnessstudio. Auch ein Konferenzraum mit Platz für bis zu 30 Personen steht im Nou Baleares bereit. Die Zimmer sind auf vier Etagen verteilt, mit modernem Equipment ausgestattet und kosten je nach Größe und Lage ab 95 Euro pro Nacht. Wer in der weitläufigeren Suite übernachten will, zahlt ab 125 Euro pro Übernachtung. Für Paare, die nur sehr wenig Zeit im Zimmer verbringen, oder Alleinreisende gibt es zudem drei 15 Quadratmeter große Zimmer ab 75 Euro pro Nacht.

Alle Gäste können das Sonnendeck im 4. Obergeschoss nutzen. Dort knallt am Freitagvormittag die Sonne. Im Minipool wartet Erfrischung. „Eine Bar gibt es noch nicht", sagt der Hoteldirektor. Ein überdachter Bereich, der sich unter einer Art Torbogen befindet, soll ebenfalls bald noch umgestaltet werden.

Eigentlich hätte das Boutique-Hotel bereits im Juni eröffnen sollen. Wegen der Pandemie ist es aber zu Verzögerungen gekommen. Auch der geplante Sektempfang zur feierlichen Eröffnung musste deswegen ausfallen. Eine Hoteleröffnung in Zeiten von Covid19 ist eben eine Herausforderung.

Doch die Betreiber des Nou Baleares sind sehr zuversichtlich. Derzeit seien 70 Prozent der Zimmer belegt. „Die Menschen machen gerade keine langfristigen Pläne. Manche Reservierungen bekommen wir nur eine Stunde vor Ankunft der Gäste", so Garayalde. Sie kämen aus allen möglichen Ländern, etwa den Niederlanden, Deutschland, Frankreich oder auch vom spanischen Festland, so der Hoteldirektor. Es seien sowohl Urlauber, die die Nähe zur Innenstadt und die Kulturvielfalt des Viertels schätzen, als auch Geschäftsreisende. Auch ein im Viertel ansässiger chinesischer Kulturverein habe bereits Kontakt mit den Betreibern aufgenommen. Garayalde hat mit ihm vereinbart, dass dessen Kontakte kostengünstiger im Nou Baleares übernachten können.