Vor allem einen Kunden wird Alberto Debellis, der gemeinsam mit seiner Frau Andrea ­Torlaschi den Laden La Tienda Taller im Zentrum von Palma de Mallorca betreibt, auch nach der Corona-Krise so schnell nicht vergessen: „Ein Mann in todschickem Anzug kam in den Laden, hat eine Maske mit Rotkäppchen und dem Wolf darauf gekauft und sie sich noch im Laden angezogen. Er meinte, dass er damit in einem Meeting gleich zu Beginn das Eis brechen wollte", erinnert sich der 59-Jährige schmunzelnd. Ob Figuren aus Kinderbüchern wie „Der ­kleine Prinz", Superhelden, Lebensmittel, ­Blumenmuster, solche aus typisch mallorquinischem Llengües-Stoff oder zweifarbige Modelle mit Punkten: In kaum einem Geschäft auf der Insel gibt es eine so große Auswahl an Masken wie bei dem Paar aus Uruguay, das seit über 20 Jahren auf Mallorca lebt. Laut eigener Auskunft waren die beiden zudem mit die Ersten, die auf der Insel handgemachte Masken verkauft haben.

Als Anfang Mai die Geschäfte mit nicht essenziellen Waren wieder öffnen durften, war das Schaufenster ihres Ladens schon am ersten Tag voll mit 400 mascarillas. In ihrem Laden im Zentrum verkaufen sie sonst vor allem Wolle. Da Torlaschi jedoch auch Nähkurse anbietet, hatte das Paar viele Meter Stoff zu Hause vorrätig und konnte sich zu Beginn der Ausgangssperre direkt an die Nähmaschinen setzen.

Wer zuerst kommt ...

„Noch lange bevor klar war, dass das Tragen von Masken bald sogar obligatorisch sein wird, kamen wir auf die Idee, unsere eigenen mascarillas zu nähen - auch, um mit dem Verkauf unser Geschäft über die ersten Monate der Krise hinweg zu retten", erinnert sich ­Torlaschi. Der Plan ging auf - erst einmal. „Schon kurz nach der Wiedereröffnung im Mai haben wir schon 200 Stück am Tag verkauft", erzählt Andrea Torlaschi stolz. Als Mitte Juli auf der Insel dann tatsächlich die verschärfte Maskenpflicht beschlossen wurde, habe es noch einmal einen Kundenansturm gegeben. „Mittlerweile hat der Andrang ein wenig nachgelassen - es gibt ja jetzt an jeder Ecke Masken zu kaufen", so Torlaschi. La Tienda Taller hat vier Maskentypen im Angebot: drei für Erwachsene und eine für Kinder, für je 5 Euro. Der Großteil ihrer Masken hat eine Öffnung, in die man einen Filter einsetzen kann. Durch das Material aus 100 Prozent Baumwolle würden die mascarillas bei ihren Trägern zudem keine Allergien auslösen. „Lediglich bei den Bändern hinter den Ohren sind fünf Prozent Elasthan eingearbeitet, damit die Masken am Ohr flexibler sind", erzählt Torlaschi. Neben Privatkunden hätten sie auch Restaurants und Hotels mit den liebevoll genähten Masken beliefert. „Eine Kundin war so fasziniert, dass sie während mehrerer Wochen jeden Tag kam, um sich eine neue Maske zu kaufen", erinnert sich Alberto Debellis.

Anprobieren verboten

Die Nähmaschine, die jederzeit einsatzbereit und für die Kunden sichtbar im Laden steht, wirke dabei gewissermaßen als Qualitätssiegel. „Wenn potenzielle Kunden sehen, dass ich hier selbst nähe, wissen sie sofort, dass die Masken ein lokales Produkt sind", so Torlaschi, die die meisten Stoffe bewusst im Laden schräg ­gegenüber kauft, um ihre Nachbarn zu unterstützen. Auch das Gel in den Spendern am ­Eingang ihres Ladens stammt vom nahe gelegenen Naturkost- und Naturheilkundeladen. Das Anfassen der Masken erlaubt das Paar ­Kunden nur, wenn sie sich zuvor dieses Gel auf den Händen verteilt haben.

Vor allem Alberto Debellis ist immer wieder erstaunt darüber, dass fast jeder Kunde die Masken unbedingt anprobieren will, manchmal auch ungefragt. Das potenziell hohe ­Ansteckungsrisiko dadurch scheint für einen Moment völlig vergessen. „Wenn ein Kunde sich die Maske zu nahe an sein Gesicht hält, sage ich schon einmal scherzhaft: ,Die Person, die sie zuletzt anprobiert hat, liegt nun ­übrigens im Krankenhaus'", so Debellis, der Kunden schon mit einem Schild am Eingang darauf hinweist, dass das Anprobieren der Masken verboten ist.

Obwohl die Auswahl an bunten Modellen und 14 einfarbigen kaum Wünsche offen lässt, würden Kunden vor allem zu einer Maske immer wieder greifen: der klassischen in Schwarz. Torlaschi und Debellis sind gespannt, inwiefern die Weihnachtskollektion mit Masken in rot-grünen Farben oder mit ­Sternen ­darauf, die die Uruguayer schon vorbereitet ­haben, dagegen ankommt. Auch beim MZ-Besuch am Donnerstag (5.11.) nähen die beiden nebenbei fleißig weiter: „Wir haben zwar noch 1.200 Masken auf Lager, glauben aber, dass die Nachfrage nach ihnen weiter besteht, auch wenn die Maskenpflicht womöglich irgendwann abgeschafft wird", so Torlaschi.

Mit passender Box

Auch ins Verkaufsgeschäft von Nueva Balear mit angeschlossener Druckerei an den ­Avenidas in Palma de Mallorca kommen am Freitagvormittag (6.11.) immer wieder Kunden, die sich für eine der 30 verschieden bedruckten Masken interessieren. „Beliebt sind neben der schlichten schwarzen die mit Frida-Kahlo-Aufdruck oder die aus dem mallorquinischen Llengües-Stoff", sagt Belén Aguiló, die die Druckerei in vierter Generation zusammen mit ihrem Bruder ­Roberto leitet.

Das Familienunternehmen hatte zu Beginn der Krise zunächst Schutzschilder aus Kunststoff hergestellt, die am oberen Bereich des Kopfes angebracht werden - etwa für Polizisten oder medizinisches Personal. Auch Restaurants und Lokale gaben bei Nueva Balear vor allem zu Beginn der Krise coronataugliche Menü-Karten mit QR-Codes in Auftrag.

Nueva Balear verfügt zwar über zahlreiche uralte Stanz- und Druckmaschinen und hätte Mitbewerbern gegenüber damit einen Vorteil gehabt. Dennoch dauerte es bis Juli, bis die von Nueva Balear selbst entworfenen Masken verkaufstauglich waren. „Wir haben viele verschiedene Stoffe getestet und wollten sicher gehen, dass unsere Masken mit Filter auch tatsächlich schützen. Schließlich steht unsere Gesundheit und die unserer Mitmenschen auf dem Spiel. Dafür haben wir als erstes Geschäft, immer passend zur jeweiligen Maske, Aufbewahrungsboxen für die mascarillas hergestellt", erzählt Belén Aguiló. Die für Kinder, die man gut etwa an den Schulranzen hängen kann, kann man noch mit Namen beschriften. Wer eine Maske (Erwachsenenmodell: 8 Euro, Kindermodell: 7 Euro) und die dazu passende Box (eigentlich je 6 Euro) kauft, bekommt einen Euro Nachlass, zahlt als Erwachsener also 13 und für das Kind 12 Euro. Die Preise für die Maske, deren Tragen sich vor allem mit Filter empfiehlt, seien moderat. „Wir machen weder China-Ware, noch sind wir Modedesigner, bei denen man die Marke mitbezahlt", so Aguiló.

Nur ein bisschen reden

Zum Schulanfang im September habe der ­Verkauf der Masken 70 Prozent des Gesamtumsatzes von Nueva Balear ausgemacht, mittlerweile seien es noch etwa 40 Prozent. „Wir hätten zwar wohl nicht ganz schließen müssen, aber sehr viel Geld verloren, wenn wir keine Masken gemacht hätten", weiß Aguiló. Ein großer Teil des zwölfköpfigen Teams befinde sich nach wie vor in Kurzarbeit. Zu Nueva Balear gehören auch eine Lotto-Annahmestelle sowie ein Tabakladen nebenan. Während das ­Lotterie-Geschäft und das Verkaufsgeschäft der Druckerei mit Beginn des Alarmzustandes und bis Mai geschlossen waren, hatte der Tabakladen durchgehend ­geöffnet. „Viele Menschen kamen, um einfach nur mit jemandem zu reden, kauften vielleicht eine Packung Kaugummis. Es war deprimierend", erinnert sich die 43-Jährige. Noch nie hätten wir uns so verletzlich gefühlt und wären so bedacht darauf, uns zu schützen. „Daher bin ich mir sicher, dass viele, selbst wenn es nicht mehr obligatorisch ist, in Zukunft weiterhin Masken tragen werden", sagt auch ­Aguiló. Um den Insulanern Weihnachten zu versüßen, wartet auch Nueva Balear mit einer eigenen Kollektion auf.

Modischer Markenschutz

Ein anderes mallorquinisches Familienunternehmen, das durch die Coronavirus-Krise mit Masken eine rettende Einnahmequelle gefunden hat, ist Abbacino aus Petra. „Wir verkaufen vor allem in Spanien und Italien Mode-Accessoires. Mit Ausbruch der Pandemie in diesen beiden besonders betroffenen Ländern brach unser Geschäft zunächst ein", erzählt Sebastià Vadell, der das Geschäft zusammen mit seinem Bruder leitet. Abbacino begann schon bald mit Produkttests auf der Suche nach gut geschnittenen Masken aus einem leichten ­Material, die schön anzusehen sind, aber ­maximalen Schutz bieten. „Es war gar nicht so einfach, diese Aspekte in einem Produkt zu vereinen", sagt Vadell.

Herauskam nach eineinhalb Monaten zunächst eine bequeme Neopren-Maske mit verstellbaren Bändern, die im Mai auf den Markt kam. „Wir waren eine der ersten großen ­Modemarken, die eine herausgebracht hat", erzählt Vadell stolz. Doch die Maske war den ­Designern noch zu wenig nachhaltig. Also ­experimentierten sie damit, Mikroplastik aus Plastikflaschen für die Neopren-Paste wiederzuverwenden, aus der die Masken gemacht werden. „Rund 60 Prozent unserer mascarilla ecológica, die wir seit Juli verkaufen, bestehen aus recyceltem Material. Unser Ziel ist es, auf 80 Prozent zu kommen", so Vadell. Abbacino sei das erste Unternehmen, das mit dieser besonderen Art von Neopren-Stoff arbeite, erklärt Vadell. Die Recycling-Maske kostet im Online-Shop 14,95 Euro und kann laut Abbacino 30 Mal gewaschen werden, bevor sie entsorgt werden muss.

Die „normalen" Erwachsenenmasken kosten 12,95 Euro. Wer statt im Online-Shop von Abbacino etwa in einer der Filialen der Kette El Corte Inglés in Palma de Mallorca nach Masken sucht, dem fallen sie sofort auf, die quadratischen Tütchen von Abbacino. Derzeit sind es rund 80 Modelle. Schon bald hätten die Kunden auch nach einer passenden Aufbewahrungsmöglichkeit für die mascarillas gefragt, versichert Vadell. Also gibt es mittlerweile auch einfarbige Mäppchen, estuches, für je 11,95 Euro. Auch ein kleines Necessaire mit Reißverschluss ­wollen die Designer in diesen Tagen auf den Markt bringen. „Die Pandemie hat uns gelehrt, uns immer wieder neu zu erfinden und ständig neue Produkte anzubieten, um uns an die neue Realität anzupassen", so Vadell. Der ­Verkauf der mascarillas und Accessoires dazu mache derzeit 70 Prozent des Umsatzes aus.

„Hätte mir vor vier Monaten jemand gesagt, dass wir mal hauptsächlich davon leben werden, hätte ich ihm entgegnet: ,Du bist ­verrückt'", sagt Vadell. Auch vielen kleineren Geschäften, die die Masken verkaufen, habe ­Abbacino so durch die schweren Monate der Krise helfen können. Das Unternehmen lasse die Masken in Spanien produzieren und ­beziehe etwa auch die Stiftung Amadip ­Esment mit ein. Menschen mit geistiger ­Behinderung kümmern sich dort um die ­Ver­packung der Masken in die charakteristischen weißen Tüten der Marke.