Wer sich durch den neuen digitalen Wald­führer blättert, den die balearische Forstbehörde Ibanat vor Kurzem veröffentlicht hat, den werden einige Fakten (auch über Mallorca) womöglich ziemlich überraschen: Etwa dass die Balearen fast zur Hälfte (44 Prozent) aus Waldflächen bestehen. Das macht 220.780 Hektar - wobei „Waldfläche" nicht zwingend bedeutet, dass dort auch tatsächlich ein Wald vorzufinden ist. „Unter superficie forestal fallen alle Flächen, auf denen noch nichts angebaut wurde, über die sozusagen noch kein Traktor gefahren ist, also etwa auch Sturzbäche oder Dünen", sagt Ibanat-Mitarbeiterin Toni Llabrés, die Erwachsenen und Schülern die Bedeutung der hiesigen Wälder näherbringt.

Wer gut Spanisch kann, sollte die meisten Infos der bisher nur auf Katalanisch veröffentlichten guía gut erfassen - zum einen wegen der vielen Fotos, Grafiken, Karten, zum anderen, weil sie bewusst in einfacher Sprache geschrieben sind. Ursprünglich konzipiert wurde der Waldführer als Nachschlagewerk für Schüler und Lehrer.

„Wir hatten auf unserer Website bisher sehr umfangreiches technisches und wissenschaftliches Material über die hiesigen Wälder. Daneben existierten schon sehr einfache Erklärungen für jüngere Kinder, sonst jedoch nur einzelne Bücher, etwa über die Vegetation in der Albufera oder auf Cabrera. Daher wollten wir einen Leitfaden herausbringen, der die Gegebenheiten auf allen Inseln für Laien zusammenfasst", so Llabrés.

Auf der Seite des balearischen Umweltministeriums (http://www.caib.es/sites/xarxaforestal/es/publicacions-19809/) gibt es neben dem Waldführer auch eine Zusammenfassung des Inhalts als Präsentation (Material de soporte de la Guía de los Bosques de Baleares) sowie vier schön illustrierte Poster zu den verschiedenen Baumarten und den Tieren, die dort jeweils leben.

Nah, aber doch verschieden

Einen guten ersten Überblick zum Vorkommen und der Verteilung der verschiedenen Baumarten auf den Inseln bietet die gleich zu Beginn abgebildete Karte. Wer sie sich etwas länger ansieht, dürfte sich fragen: Wieso kommen auf den Inseln, obwohl sie so nah beieinanderliegen, manche Baumarten verstärkt, andere kaum vor? Ibiza und Formentera sind der Farbkennzeichnungen nach voller Aleppo-Kiefern (gelb). Auch der Phönizische Wacholder (orange) wächst dort vergleichsweise häufig. Dafür sind auf beiden Inseln im Gegensatz zu Mallorca und Menorca offensichtlich kaum Olivenbäume (hellgrün) und Steineichen (dunkelgrün) zu finden. „Die klimatischen Bedingungen auf Ibiza und Formentera sind ganz anders als auf Mallorca und Menorca. Die Steineiche etwa würde auf Ibiza niemals überleben, da es dort nicht genug regnet", erklärt Llabrés.

Dafür bieten Ibiza und speziell Formentera eben bessere Bedingungen für den Phönizischen Wacholder. „Die Hälfte der Bäume dieser Art findet sich auf Formentera", betont Llabrés. Es handelt sich um eine sehr resistente Baumart, die gut in der Nähe von Meerwasser überleben kann. An den Boden stelle sie nur geringe Ansprüche, dank ihrer Wurzeln finde sie sogar im Sand Halt. Der Phönizische Wacholder benötigt zudem nur wenige Nährstoffe und wächst verhältnismäßig langsam.

Auf Menorca und Mallorca geht es schon wegen der Größe der Inseln vielfältiger zu. Mallorca bietet neben dem einzig wirklichen Gebirge, der Tramuntana, etwa auch die höchsten Steineichen der Inselgruppe. Bewundern lassen sie sich besonders in der Umgebung von Lluc.

Aus dem Gleichgewicht

Wer erst einmal weiß, welche Bäume und Pflanzen in den hiesigen Wäldern gehäuft vorkommen, erfährt im Anschluss auch, wer die Übeltäter sind, die das Gleichgewicht des Ökosystems Wald aus dem Gleichgewicht bringen können: Einerseits sind das die Wildziegen, die als natürliche Feinde in Überpopulationen einheimische Pflanzenarten in der Tramuntana bedrohen und ganze Plantagen zerstören können. Andererseits machen Plagen wie die des aggressiven Feuerbakteriums (Xylella fastidiosa lat.), das seit Jahrzehnten auf Mallorca wütet, unter anderem Oliven- oder Mandelbäumen zu schaffen. Auch den Prozessionsspinner, den größten Feind der Aleppo-Kiefern, findet man samt Foto in dem Leitfaden wieder. Der Leser erfährt dabei unter anderem, woher die Art ihren Namen hat und wie man zumindest auf den zweiten Blick sehen kann, ob ein Baum befallen ist oder nicht.

Zu den bislang weniger bekannten Schädlingen dürfte der Große Eichenbock (Cerambyx cerdo lat.) gehören, eines der größten auf den Balearen vorkommenden Insekten. Er hat seinen Namen von seinen langen Fühlern und schadet vor allem den Steineichen. Großen Schaden richtet auch der Schwammspinner (Lymantria dispar lat.) an, der sein Unwesen, wie im selben Kapitel zu erfahren, vor allem auf Menorca treibt.

Tödlich enden können für Palmen der Befall durch den Palmrüssler Rhynchophorus ferrugineus oder auch des eingeschleppten Schmetterlings Paysandisia archon. Die Weibchen legen die Eier an der Basis des Stammes ab, und die bis zu zehn Zentimeter langen Raupen des Falters bohren sich danach in die Palme ein und höhlen sie aus. Später verpuppen sich die Raupen in den angelegten Fressgängen in einem Kokon aus Palmenfasern und der Zyklus kann erneut beginnen.Prävention gegen Waldbrände

Neben Schädlingen ist auch der Dauerbrenner „Waldbrandgefahr" in dem digitalen Leitfaden ein Thema. Im vergangenen Jahr ist es laut Llabrés unter anderem wegen der Ausgangssperre zwar seltener zu incendios forestales gekommen. Dafür war etwa der Brand im Naturschutzgebiet Albufera im September 2020 umso heftiger. Bei Eindämmung oder nicht spielt auch der Zufall eine große Rolle: „Bei dem Brand in der Albufera beispielsweise war sehr starker Wind im Spiel. So konnte sich das Feuer rascher ausbreiten und die Löschflugzeuge kamen kaum hinterher", so Llabrés.

Auch weil die Wälder vielfach nicht mehr bewirtet werden und das Unterholz immer dichter wird, wird es zunehmend schwerer, ein ausgebrochenes Feuer wieder zu löschen. Ibanat setzt auf Prävention. „Wir versuchen, die Menschen aufzuklären, wie sie etwa ihre Grundstücke in Waldnähe pflegen müssen", so Llabrés.

Ein Teil der Forstarbeiter sei derzeit weiter mit den Aufräumarbeiten in der Gemeinde Banyalbufar beschäftigt. Dort hatte ein schwerer Sturm im vergangenen Spätsommer zahlreiche Bäume umstürzen lassen. „Noch immer liegen dort viele Äste und Zweige herum, die in diesem Sommer sehr trocken seien und daher gefährlich werden können", sagt Llabrés. Auch andere regelmäßig notwendige Arbeiten der Forstarbeiter werden in der guía beschrieben.

Mythencheck zum Schluss

Am Ende des 58-seitigen Führers gibt es noch einen Mythencheck. Etwa: Ist es wahr, dass unter Kiefern nichts wächst? Von wegen: Unter den lichtdurchlässigen Bäumen können sich eine Vielzahl anderer Spezies ansiedeln. Oder auch: Ist es wahr, dass es immer weniger Wald gibt? Nein, auf den Balearen ist das Gegenteil der Fall: Da die Forst- und Landwirtschaft über die Jahre immer weiter abgenommen hat, nimmt die bewaldete Fläche immer weiter zu.