Wer mit Auto oder Rad nördlich von Palma unterwegs ist, etwa auf der Landstraße nach Sóller, dem könnte sich der Eindruck aufdrängen, er gondele gerade durch eine reizlose und öde Landschaft. Flaches Land, braune Felder, augenscheinlich nicht besonders attraktiv. Dieses Gefühl täuscht: Das Gebiet um Establiments, Es Secar de la Real, Son Sardina, Son Espanyol und Sa Garriga, das im Westen vom Landeskrankenhaus Son Espases und im Osten von der Balearen-Universität eingegrenzt wird, war lange Zeit bei der Versorgung der Einwohner von Palma so etwas wie die Gemüseabteilung. Bereits Römer und später Mauren bewirtschafteten das fruchtbare Land, das gleich von drei Quellen aus der Serra de Tramuntana gespeist wird. In den vergangenen Jahrhunderten wurde es von vielen Einwohnern Palmas „Horta de Dalt", also in etwa „oberer Garten" genannt.

Vieles davon ist in der jüngeren Vergangenheit verloren gegangen, Felder wurden aufgegeben, weil sich die Landwirtschaft nicht mehr lohnte, die Eigentümer zu alt waren oder starben, der Nachwuchs fehlte. Stattdessen baute man Autobahnen, Palma wucherte nach allen Seiten aus, der Siedlungsdruck nahm stark zu. Die Landwirtschaft wurde an den Rand gedrängt. Zwischen 1999 und 2016 gingen 70 Prozent der Anbauflächen von Palma verloren, viele in diesem Gebiet. Heute widmen sich nur noch rund 0,5 Prozent der Bevölkerung von Palma der Landwirtschaft.

Nun hat man sich im Rathaus auf eine Kehrtwende besonnen. Das ehrgeizige Projekt, mit dem lokale Lebensmittelproduktion gestärkt und der Klimawandel bekämpft werden soll, nennt sich Parc Agrari del Nord. Verhindern will man im Rathaus damit auch die weitere Immobilienspekulation.

Gleichzeitig will die Stadt damit zumindest den ersten Schritt machen, um dem Ziel, bis 2050 die Insel selbst versorgen zu können, näherzukommen. Das erklärt der für Raumplanung zuständige Stadtrat von Palma, Biel Horrach, im Gespräch mit der MZ. Bereits 2015 sei mit den Vorüberlegungen für die Initiative begonnen worden - unmittelbar nach dem Abschluss des von mehr als 200 Städten weltweit unterzeichneten „Milan Urban Food Policy Pact". „Dieser Pakt, in dem es vor allem um Lebensmittelproduktion vor Ort, Lebensmittelgerechtigkeit und gesunde Ernährung geht, hat uns zum Nachdenken angeregt. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir die wirtschaftliche Selbstversorgung im Lebensmittelbereich auf der Insel erreichen können", sagt Horrach.

Vorbilder auf dem Festland

Ein Hindernis dabei: Stand heute ist auf den Inseln so viel ländliche Fläche verbaut, dass eine komplette Selbstversorgung derzeit rein rechnerisch gar nicht möglich wäre. In der Praxis ist die Insel ohnehin noch weit davon entfernt, was regelmäßig bei Stürmen und damit verbundener Einstellung des Schiffsverkehrs zum Festland zu spüren ist. Momentan kommen 80 Prozent der auf Mallorca verbrauchten Lebensmittel von außerhalb. Dass das nicht besonders nachhaltig ist, liegt auf der Hand.

Aber wie es ändern? Zunächst geht es in ganz kleinen Schritten voran. Die politischen Weichen sind zumindest von Seiten der Stadt und der Balearen-Regierung, die über das Landwirtschaftsministerium am Projekt beteiligt ist, gestellt. So hat die Landesregierung die Figur des „Parc Agrari" in das neue Landwirtschaftsgesetz von 2019 aufgenommen, und die Stadt Palma hat den Kontakt zu anderen ähnlichen Initiativen in Barcelona und Valencia geknüpft. „Diese Agrarparks gibt es teilweise schon seit zehn Jahren", sagt Horrach.

Um eine andere zentrale Aufgabe kümmert sich die Bürgerinitiative Palma XXI. Sie hat ihre Hilfe angeboten, die Besitzer der in dem Gebiet infrage kommenden Grundstücke mit Landwirten zusammenzubringen, die auf der Suche nach Feldern sind. Keine ganz einfache Aufgabe, wie die Präsidentin von Palma XXI, Lluïsa Dubon, der MZ berichtet. „Der Start verläuft etwas schleppend, weil viele Landbesitzer skeptisch sind. Sie wollen erst einmal Ergebnisse sehen und somit eine Bestätigung, dass sie sich nicht eine Menge Probleme ins Haus holen, wenn auf einmal fremde Menschen auf ihrem Land arbeiten", sagt Dubon. Ein häufiges Problem sei, dass die Ländereien nicht nur einer Person, sondern beispielsweise einer ganzen Familie gehörten. Doch da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wo niemand den Anfang macht, gibt es auch keine Erfahrungsberichte.

Ein Eigentümer zieht mit

Ein „großes Glück" sei es da, dass man Tomás Fortuny gefunden habe. Der Mallorquiner lebt seit 40 Jahren in Son Sardina und besitzt ein rund 7.000 Quadratmeter großes Grundstück. Fortuny ist der erste, der sich getraut hat und das Land der Kooperative Coa­negra abgetreten hat. Der Eigentümer setzt sich als Mitglied der Nachbarschaftsvereinigung Son Sardina bereits seit Jahren für die Aufrechterhaltung der traditionellen Landwirtschaft rund um das Dorf ein. „Für mich ist das eine absolute Win-win-Situation", berichtet Fortuny am Telefon. Er selbst hat mit Ackerbau wenig am Hut und arbeitet als Architekt in Palma. Weil er allein lebt und wenig Zeit hat, wäre er mit der Pflege seines riesigen Landguts überfordert. Vor einiger Zeit hatte er das Land bereits einem Bauern überlassen, der es in Schuss hielt und in kleinem Rahmen auch Obst und Gemüse anbaute, bei dem es aber letztendlich daran scheiterte, dass er seine Produkte nicht losbekam. „Das ist der große Vorteil, wenn das Feld, wie jetzt in meinem Fall, eine Kooperative bestellt, die wie Coanegra bereits ein Geschäft besitzt, in dem sie die Ernte verkaufen kann", sagt Fortuny.

Die Kooperative Coanegra besteht aus 18 Mitgliedern, von denen sich vier um die Bewirtung des Feldes in Son Sardina kümmern, und unterhält in Es Figueral (Gemeinde Marratxí) einen kleinen Laden, wo nur einheimisches Obst und Gemüse über den Ladentisch gehen. Was davon selbst angebaut ist, stammte bisher vor allem von einem Stück Land in Santa María del Camí. Während des Lockdowns im vergangenen Frühjahr wurde allerdings ein Teil des Feldes verkauft.

Rein ökologischer Anbau

Die Kooperative musste sich auf die Suche nach einem neuen Stück Land machen - und traf auf Tomás Fortuny. Auf seinem Feld arbeiten nun regelmäßig Miquel Àngel Salom und seine Frau Alicia Martínez sowie Ana Carvajal und Victoria Carmena. Die vier haben zwar noch andere Berufe zum Broterwerb, aber einen beträchtlichen Teil ihrer Freizeit stecken sie in die Arbeit in der Kooperative.

Alicia Martínez ist mächtig stolz darauf, dass sie die Ersten sind, die bei dem Projekt im Parc Agrari Nord mitmachen. „Wir hatten zu Beginn das Glück, dass einer unserer Mitglieder den Eigentümer des Feldes in Son Sardina persönlich kannte", erzählt Alicia Martínez der MZ. So war der Kontakt schnell hergestellt. Vor rund drei Monaten begann dann die Zusammenarbeit von Fortuny mit Coanegra. „Wir haben wie verrückt erst einmal ausgesät", erzählt Martínez. Vor allem Salat, Spinat, Zwiebeln, Kohl und anderes Gemüse sowie Orangen bauen die vier Coanegra-Mitglieder jetzt im Winter an.

Mit Tomás Fortuny sind sie auf einen engagierten Besitzer ihrer Ländereien getroffen, der von der Kooperative keine Miete für das Bestellen des Feldes verlangt. Nur die Stromkosten für die Beschaffung des Wassers muss Coanegra selbst aufbringen. „Außerdem haben wir ausgemacht, dass ich mir für den Eigenbedarf Gemüse vom Feld holen darf", sagt Fortuny und lacht. „Ich allein brauche ja nicht viel." In Zukunft, wenn es vielleicht irgendwann einmal Hühner auf dem Acker gebe, dann werde er sich sicherlich auch sein tägliches Ei dort holen dürfen.

Es soll nämlich nicht beim Obst- und Gemüseanbau bleiben, sagen die Mitglieder von Coanegra, aber auch die Stadt Palma. Der Parc Agrari del Nord soll ein regelrechter Brutkasten für eine moderne und innovative Landwirtschaft werden. Klar ist deshalb schon von Beginn an, dass lediglich ökologischer Anbau erlaubt ist. „Wir verwenden keinerlei Pestizide", sagt Alicia Martínez. Das ist auch eine der Bedingungen der Stadt Palma für Landwirte im Parc Agrari del Nord.

Neben dem Anbau soll es auch eine Art Rahmenprogramm geben. Von Yoga-Stunden über Workshops zur Kompostherstellung bis hin zu Kindernachmittagen auf dem Feld werde derzeit über alles Mögliche nachgedacht, erzählt Alicia Martínez. „Wir wollen, dass die Bevölkerung mitzieht und sich einbringt." Biel Horrach stellt indes in Aussicht, dass in einem zweiten Schritt auch Privatleute kleine Flächen zur Verfügung gestellt bekommen werden, auf denen sie für den Eigenbedarf Gemüse anbauen können. Die Stadt Palma stelle selbstverständlich ebenfalls Land bereit.

Corona als Chance

Doch momentan halte sich auch die Nachfrage von Bauern noch in Grenzen, sagt Biel Horrach. Hier sei man vor allem auf die Mithilfe von Palma XXI angewiesen. Und auf das Landwirtschaftsministerium, das die Kontakte, gerade auch zu jungen Landwirten, besitzt. In der Corona-Krise biete sich da eine neue Chance. Weil viele jüngere Menschen ihren Job im Tourismus verloren hätten, würde der ein oder andere derzeit auf die Landwirtschaft umschwenken, berichtet Horrach.

Eine Motivationshilfe waren in der Vergangenheit großzügige Subventionen des Agrarfonds FOGAIBA, der bereits in den vergangenen Jahren dazu geführt hatte, dass mehr junge Menschen in der Landwirtschaft eine Chance sahen. Nun müsse man diejenigen nur noch finden und mit den Besitzern der Ländereien zusammenbringen.

Noch Zukunftsmusik ist indes ein zweiter Agrarpark, der Parc Agrari de Llevant, der im Osten der Stadt rund um den Flughafen entstehen könnte. Der soll aber erst angegangen werden, sobald es im Norden von Palma läuft.