Für Pepe Salvà hat der Tag gut angefangen. Schon am frühen Morgen setzte der Niesel­regen ein, der noch immer anhält. Das freut ihn, denn nach der Dürre im Januar und ­Februar waren die Felder des Landguts Rafal Genàs, das etwas außerhalb des Dorfes Ses ­Salines liegt, knochentrocken geworden.

Die Absicht des Besuchs war eigentlich, die Felder anzuschauen, auf denen das Getreide blat xeixa wächst. Blat ist das katalanische Wort für „Weizen" und xeixa (ausgesprochen: scheyscha) definiert eine bestimmte Weichweizenart (Triticum compactum bot., trigo candeal span.), die auf den Balearen seit Jahrhunderten wächst. Es wird vermutet, dass der Triticum compactum hier erstmals von den römischen Besatzern angebaut wurde.

Doch der Rundgang zu den Feldern fällt erst einmal ins Wasser. Das Gespräch mit dem Landwirt und seiner Tochter Isabel Salvà (39) findet im trockenen Nebengebäude statt, in dem die Getreidemühle eines österreichischen Herstellers steht.

Saatgut für Generationen

Seit 40 Jahren bewirtschaftet der heute 65-jährige Mallorquiner die 260 Hektar Land. Auf der einen Hälfte davon wächst Wald, die andere teilt sich auf in Weiden und Futterpflanzen für 450 Schafe sowie Getreidefelder. Die Gewinne des Hofes teilt sich der Landwirt mit dem Besitzer des Guts nach altem Brauch zur Hälfte.

Auf etwa 30 Hektar baut Salvà Weichweizen an. „Der pagès, der vor mir hier vier Jahrzehnte lang das Land bestellt hat, überließ uns die Xeixa-Körner für die erste Saat", berichtet Salvà. Damals gehörte es noch zu den wichtigen Aufgaben des Landwirts, die besten ­Samenkörner für die Aussaat im Folgejahr auszusortieren und aufzubewahren. Es kann also angenommen werden, dass auf dem Landgut seit zwei Generationen ausschließlich haus­eigene Samen ausgesät worden sind.

Doch die Xeixa-Ernte wurde, als Salvà in den 80er-Jahren den Hof übernahm, vorwiegend noch an Schweine verfüttert. Alte Landwirte berichteten ihm damals, wie gut ihnen das aus dem blat xeixa gebackene dunkle Brot pa negre auf Sauerteigbasis geschmeckt habe. Es wäre sehr bekömmlich gewesen. Da man es lange aufbewahren konnte, habe man mindestens eine Woche daran gegessen. In Zeiten des Spanischen Bürgerkriegs hätte ein Kilogramm Xeixa-Mehl zwölf Peseten gekostet. Das wäre damals viel Geld gewesen. Nur die Reichen ­hätten sich das Brot leisten können. Die alten Bauern hätten zudem davor gewarnt, dass das Getreide in Vergessenheit geraten würde, wenn es nicht mehr angebaut würde.

Öko-Anbau

Vor etwa 20 Jahren begann man, sich der alten Mehlsorten wieder zu erinnern. Das Bewusstsein für gesunde Ernährung kam auf. Es sprach sich herum, dass alte Getreidesorten einen ­hohen Anteil an Eiweiß, ungesättigten Fett­säuren, Aminosäuren, Vitaminen und Mineralstoffen enthalten. Alles Eigenschaften, die bei den modernen Hochertragsweizen weit geringfügiger vorhanden sind. Der Grund dafür ist, dass bei der Zucht der Hybride, die kein zuverlässiges Saatgut liefern, nur auf schnelles Wachstum und hohe Erträge geachtet wird.

Außerdem stellte sich nach den ersten Versuchen mit blat xeixa im ökologischen Anbau heraus, dass sich das alte Getreide mit der trocke­nen, nährstoffarmen Inselerde gut verträgt, ihm das Inselklima gut bekommt und dass es weitgehend resistent gegen Schädlinge und Krankheiten ist. Deshalb ist blat xeixa wie gemacht für den biologischen Anbau. So kam es, dass die Familie Salvà das Landgut auf Bio-Anbau umstellte und seit 20 Jahren das Öko-Zertifikat des Consell Insular besitzt.

Die Felder auf Rafal Genàs werden im Rota­tionsprinzip genutzt. Damit das Getreide die Erde nicht auslaugt, ruht nach der Ernte der Boden zunächst, danach wird die Ackerbohne (Vicia faba bot., haba span., fava kat.) ausgesät. Diese Pflanze hat die Aufgabe, den Boden mit Stickstoff zu versorgen, der später die Wurzelbildung des Getreides durch Eiweiß fördert.

Jedes Jahr im November wird ausgesät. Neun lange Monate dauert es, bis aus den Samen Halme mit über einem Meter Länge und Ähren obendrauf reif sind. Im August rückt dann der Mähdrescher an, die Körner werden anschließend an die Kooperative nach Campos geliefert und dort gereinigt.

Das Mehl

Der erste Bäcker, der mit dem wiederentdeckten blat xeixa experimentierte, war Pomar in Campos. Andere Bäcker fanden heraus, dass sich das weiche Korn nicht nur für dunkles Brot, sondern auch für feines Backwerk und die Patisserie eignet. Das sprach sich herum, weshalb heute viele Inselbäckereien Brot und Kuchen aus Weichweizenkorn anbieten. ­Große Mengen liefert Isabel Salvà in die Zentrale des Agromart in Porreres, von dort geht es an die Filialen, wo das Mehl a granel nach Gewicht verkauft wird. Dabei handelt es sich um eine Mehlsorte, die moreneta genannt wird. Sie entsteht bei einem zweiten Mahlgang, bei dem Reste von Körnerschalen im Mehl verbleiben.

Für die Bio-Läden werden Portionen abgefüllt. Bei dieser Mehlsorte sind die Körner als Ganzes gemahlen und die Schalen sind vollständig im Mehl enthalten, deshalb verdient sie auch die Namen Vollkornmehl oder harina ­integral. In dem Raum, in dem die Mühle steht, füllt Tochter Salvà das Mehl in die Tüten, klebt die Etiketten auf und näht mit einer kleinen Maschine und einem Baumwollfaden die ­Tüten zu. Öko-Mehl müsse umweltfreundlich verpackt werden, denn Bio-Mehl und Plastik, das ginge ja gar nicht, sagt sie.

Ein Blick nach draußen zeigt, dass der Regen nachgelassen hat und eine Besichtigung der Xeixa-Pflanzen nun doch möglich ist. Dabei fällt der Blick über die Ebene. Pepe Salvà zeigt auf einen hellen Streifen am Horizont. „Während der zweimonatigen Dürre sind die Pflanzen ausgetrocknet. So strohfarben wie jetzt sehen sie normalerweise erst im August aus", sagt er. Doch nichts wäre mehr normal, seit das Klima sich verändere.

Der größte Teil der Pflanzen aber zeigt sich im frischen Grün, weil sie in der Nähe des Hauses vom hauseigenen Brunnen in regelmäßigen Abständen aus Sprühdüsen bewässert worden sind. Doch das ist teuer, die Pumpe frisst viel Strom, das könnte langfristig den Xeixa-Anbau unrentabel machen. Eine solarbetriebene Pumpe wäre kostengünstiger und es wäre wünschenswert, dass sein Nachfolger diese installiere, wenn er in den Ruhestand ginge. Für die diesjährige Ernte bleibt nur zu hoffen, dass der Märzregen den vertrockneten Halmen wieder auf die Beine hilft.

Uriges Mehl

www.facebook.com/rafalgenas

Ses Salines, Tel.: 661-12 36 56

Preis pro Kilogramm: 2,90 Euro