Dass sich der vielleicht dreisteste Finanz­betrüger seiner Zeit in der spanischen Öffentlichkeit dafür bedankt, Tausende von Kapitalanlegern hereingelegt zu haben, kommt nicht häufig vor. Im Frühjahr 1974 war das der Fall.

Hervorgekramt und im „Diario de Mallorca" jetzt veröffentlicht hat diese längst vergessene Affäre der in Alaró lebende mallorquinische Journalist Bartomeu Noguera. Sein Artikel erzählt die Geschichte der „Isla Ravenna", eines deutsch-spanischen Immobilien-Projektes im Nordosten der Insel, das nie das Licht der Welt erblicken sollte.

Auf die Idee, am östlichen Rand der Bucht von Alcúdia, zwischen Son Serra de Marina und Colònia de Sant Pere, eine künstliche Urlaubsstadt mit 30.000 Gästebetten, Luxushotels, Yachthafen, Golfclub, Shoppingcenter und Krankenhaus zu bauen, kam ein Deutscher. Friedrich der Große. Ein Spitzname, unter dem der ehemalige Büromaschinenhändler Friedrich Brante aus Berlin Ende der 1960er-Jahre in halb Europa bekannt und berüchtigt war.

Das heute öffentliche und unter Naturschutz stehenden Landgut Sa Canova.

Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" aus dieser Zeit hatte der 1922 geborene Brante im Zuge des deutschen Wirtschaftswunders innerhalb weniger Jahrzehnte ein internationales Geschäftsimperium auf die Beine gestellt, das aus einer unüberschaubaren Zahl weltweit verstreuter Unternehmen verschiedener Branchen bestand.

Im Namen der Unternehmensgruppe Brante Ravenna kreuzten Flotten von Hochsee-Frachtern die Weltmeere, spielten Hollywoodstars wie David Niven oder Glatzkopf Telly Salavas in Ravenna-Filmproduktionen, merzten Sekretärinnen mit „vollauto-matischen Ravenna-Quick"-Radiergummis Schreibfehler aus, schossen Hotelanlagen, Wohnsiedlungen und Bürotürme zwischen Paderborn und Palermo in die Höhe. Doch Brantes Unternehmensreich stand auf wackligen Beinen. Finanziert waren nahezu alle seine Unternehmungen durch Anleihen Tausender von Privatanlegern, denen Brante ihre Kapitaleinlagen mit verheißungsvollen Gewinnaussichten schmackhaft gemacht hatte.

Isla Ravenna: ein Modell des weitläufig geplanten Urlaubsresorts.

So auch im Fall der „Isla Ravenna". Im Jahr 1963 hatte die spanische Regierung einen neuen landesweiten Bebauungsplan verabschiedet, dank dem es möglich wurde, selbst abgeschiedene Küstengebiete zu bebauen. Die deutsche Unternehmensgruppe Grupo Ravenna, die auf dem spanischen Festland bereits in Hotelprojekte investiert hatte, begann 1971, den Bau einer Ferienanlage in Cales de Mallorcazu finanzieren.

Gleichzeitig präsentierten die Deutschen den Behörden die Pläne für ein noch gewaltigeres Immobilieninvestment-Vorhaben, den Bau einer Urlaubsstadt namens „Isla Ravenna". 5.000 ganzjährige Arbeitsplätze sollte die Anlage nach der Fertigstellung schaffen. Das klang schon mal gut. Doch um die politischen Verantwortlichen auf der Insel von dem Projekt gänzlich zu überzeugen, musste Friedrich Brante ins Portemonnaie greifen. So überreichte der Deutsche dem Bürgermeister von Manacor im Januar 1972 einen Scheck über 250.000 Peseten, damit er damit eine Landstraße ausbessern konnte. Oder er schenkte dem Rathaus in Artà später einen Ambulanzwagen. Dessen Bürgermeister ernannte Brante daraufhin zum Ehrenbürger der Gemeinde.

1974 erhielt die Gruppe schließlich von allen zuständigen Behörden auf Mallorca und mit dem Wohlwollen aus Madrid die Lizenz für den Bau der „Isla Ravenna". Brante bedankte sich dafür mit ganzseitigen Anzeigen in mehreren spanischen Tages- und Wochenzeitungen. „Danke schön, Spanienlautete der Titel der öffentlichen Danksagung für die Erlaubnis, auf Mallorca „eines der größten deutsch-spanischen Wirtschaftsprojekte" entwickeln zu dürfen.

Doch daraus wurde nichts. Brante war längst in ärgste finanzielle Schwierigkeiten geraten. Um sein wirtschaftliches Kartenhaus überhaupt noch aufrechterhalten zu können - es bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch aus halbseidenen Abschreibungsgeschäften mit den Kapitaleinlagen von rund 7.000 Privatinvestoren -, hatte der Deutsche mit falschen Versprechungen über sechs Millionen D-Mark an staatlichen Fördergeldern aus dem Bundeswirtschaftsministerium kassiert.

Das als eine Art Start-up-Hilfe für neue Unternehmen gewährte Geld benutzte Brante jedoch dafür, eigene Finanzlöcher zu stopfen. 1975 ließ das Amtsgericht in Berlin-Tiergarten einen Haftbefehl wegen Betrugsverdachts gegen ihn ausstellen. Friedrich der Große tauchte unter. Und sein Reich zerfiel. 1976 ließ die Bundesregierung einen internationalen Haftbefehl gegen ihn ausstellen. Grund dafür waren aufgedeckte Steuervergehen im Zusammenhang mit Brantes Hotelaktivitäten in Spanien sowie seinen Reederei-Geschäften in Gesamthöhe von knapp 80 Millionen Mark.

Auch auf Mallorca hinterließ Brante, der sich wohl ins Ausland absetzte, einen Scherbenhaufen. Der gerade begonnene Bau der „Isla Ravenna" wurde eingestellt, die spanische Unternehmensgruppe löste sich auf - und hinterließ Hunderte betrogene Anleger. In den 1980er-Jahren versuchten verschiedene Unternehmen, Brantes Projekt, wenngleich im stark verkleinerten Maß, aufzunehmen. Ohne Erfolg. Nicht zuletzt dank der Proteste von Umweltschützern wurde das Gebiet, auf dem die „Isla Ravenna" hätte stehen sollen, 1991 zum Naturschutzgebiet erklärt.

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