Asunción Cuevas ist wieder in ihrem Element. Aus einem Holzkistchen kramt die 83-Jährige Halsketten heraus und drapiert sie auf dem Tisch vor sich. Aus dem Radio quäkt „Mi gran noche" von Raphael, die Atemschutzmaske erschwert die Verständigung, beständig fragen interessierte Käufer nach den Preisen. „Ich war heute morgen um Viertel vor sieben eine der Ersten hier", sagt die Mallorquinerin in einem ruhigen Moment, „ich hatte große Lust, meine Leute endlich wiederzusehen."

Ihre Leute, das sind die Verkäufer auf dem sonntäglichen Floh- und Trödelmarkt in Consell, dem wohl größten auf Mallorca. Nach monatelanger Corona-Pause findet der mercadillo nun wieder statt. Es ist die zweite Ausgabe nach dem fast einjährigen Stillstand. Aber da die Standbetreiber mit geraden und ungeraden Nummern zunächst nur wochenweise im Wechsel kommen dürfen, ist es für die meisten an diesem Sonntag (18.4.) die langersehnte erstmalige Wiederkehr ins Gewerbegebiet von Consell. Weder die Aussteller noch die Besucher haben sich vom morgendlichen Platzregen abschrecken lassen. Und so gibt es zwar Lücken zwischen den Ständen und Bewegungsfreiheit zwischen den Besuchern. Aber die lang vermisste Normalität scheint dennoch mit Händen greifbar.

„Ich spüre jetzt eine große Ruhe", meint Cuevas. Ob es an den zwei Impfdosen liegt, die sie endlich bekommen hat? Sie ist in Plauderlaune, erzählt, wo sie früher schon überall auf dem Markt ihren Tisch aufgestellt hatte, und grüßt hinüber zu einer Verkäuferin, die neben ihrem Mann in einem Campingstuhl sitzt und ebenfalls sichtlich guter Laune ist.

Wir sind wie eine große Familie", meint Maria Eugènia, vor der Gartengeräte aller Art auf einer Decke ausgebreitet sind. Und trotz der langen Zeit ohne den mercadillo habe sie volles Verständnis für die Restriktionen und die Zwangspause. Ihre zwei Kinder seien ebenfalls an Covid-19 erkrankt gewesen, der Sohn habe eine Woche im Krankenhaus verbracht. Was sei einem da also übrig geblieben, als den gesamten Warenbestand vom Flohmarkt im Häuschen auf dem Land einzulagern und mit den sonntäglichen Bekannten per Telefon in Kontakt zu bleiben?

Es ist zehn Uhr, vor dem Parkplatz bildet sich eine längere Autoschlange. Die Anfahrt ist nun einfacher, zwischenzeitlich wurde die neue Abfahrt der Inca, die praktisch direkt ins Gewerbegebiet von Consell führt. Die Wiedereröffnung des Marktes hat sich schnell herumgesprochen, nicht nur Spanisch und Mallorquinisch, auch Deutsch, Englisch und Französisch lässt sich im Vorbeigehen aufschnappen. Die Betreiber der Lokale im Gewerbegebiet haben sich mit der Situation arrangiert, bedienen ihre Kundschaft an Vierer-Tischen im Freien und steuern die Gästeschar. „Por esta puerta solo embutidos", heißt es auf einem Schild, hier dürfen nur Kunden eintreten, die Wurstwaren wünschen.

Auch Ortspolizisten patrouillieren, oder besser gesagt verkünden eine frohe Botschaft. Zwei Beamte verteilen Zettel mit den weiteren Corona-Auflagen. Am kommenden Sonntag (25.4.) sind wieder die Stände mit ungeraden Nummern an der Reihe, die Woche darauf wieder die geraden - und dann steht da auf Rot: „Am 9. Mai kehren wir zur Normalität zurück, es dürfen also wieder alle kommen." Einerseits ist der mercadillo Corona-konform: Er findet im Freien statt, das Gelände ist weitläufig, die Atemschutzmaske Standard. Andererseits bilden sich auch leicht größere Menschen­gruppen - einige der Besucher wollen nicht nur gucken und kaufen, sondern auch gesellig zusammen sein, um es vorsichtig zu formulieren.

„Es gab hier vergangenes Jahr Infektionen, deswegen konnte es hier auch nicht einfach so weitergehen", meint Rentner Miguel über das kurze Intermezzo des Marktes im vergangenen Sommer, nach dem Lockdown. Ende August war wieder Schluss. Wegen weniger Leichtsinniger müssten letztendlich alle leiden, so Miguel, der mit seiner Frau erst einmal nur zwei kleinere Tische mit Münzen, Krügen und weiteren Dingen wie auch einem Kruzifix aufgebaut hat. Zwar sei der Verkauf auf dem Flohmarkt für viele nur ein Hobby, aber etliche andere seien auf das Geld angewiesen.

Die gut 50 Euro, die sie an einem Sonntag einnehme, könne sie angesichts einer knappen Rente, sagt denn auch Ana Maria Frontera am Stand gegenüber: „Davon kann ich mir für eine Woche den Kühlschrank füllen." Die vergangenen Monate seien hart gewesen, aber jetzt gehe es endlich wieder los, so die 72-Jährige, die allerhand Schuhe und Taschen auf einer Decke vor sich ausgebreitet hat. Jetzt hoffe sie, dass auch deswegen die Menschen nach Consell kommen, weil viele andere Freizeitangebote noch immer geschlossen sind. Andererseits dürften viele Kunden wegen der Krise weniger Geld zum Ausgeben haben.

Gleich nebenan verkauft ihr Sohn José Villalonga Bücher und DVDs, er ist etwas optimistischer. Genauso wie er selbst das sonntägliche Flair, die Käufer und das Feilschen vermisst habe, dürften auch viele Flohmarkt-Fans nach dem „Entzug" nun wieder in Spendierlaune sein. „Sie hatten fast ein Jahr zum Sparen, jetzt können sie ihr Geld ausgeben."