Sich der lästigen Kleidung entledigen und die Sonne am Strand genießen, wie die Natur uns schuf – für nicht wenige Badegäste auf Mallorca ist das reizvoll. Doch das Nacktsein ist in Zeiten von Handykameras und Massentourismus oft nicht mehr so unbeschwert möglich wie einst. Tut das der Freikörperkultur auf Mallorca einen Abbruch?

FKK und "naturismo"

Vorab: FKK ist ein Begriff, der in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts aufkam und vor allem zu DDR-Zeiten im Osten verbreitet war. Ein Lebensstil, der über das bloße Baden hinaus geht. Nacktsein in der Natur, auch beim Wandern, Radfahren oder Kanufahren, stets im Einklang mit der Umwelt und basierend auf gegenseitiger Toleranz und Rücksichtnahme. So die Definition. In Spanien hat eine ähnliche Kultur Tradition. Naturistas nennen sich jene, die in ihrer Freizeit möglichst häufig Orte und Gelegenheiten suchen, an denen sie sich ohne Kleidung bewegen können.

Knapp 450 Strände in Spanien sind als Nacktbadestrände ausgewiesen, die Federación Española de Naturismo verweist auf ihrer Internetseite auf 13 Strände auf Mallorca (siehe unten). „Aber natürlich ist es auch an allen anderen Stränden, Seen und Flüssen erlaubt, sich nackt zu zeigen“, betont der Vorsitzende der Vereinigung, Ismael Rodrigo, in einem Bericht der Tageszeitung „El País“.

So weit zur Theorie. Doch in der Praxis gibt es viele Gründe, die Badende oder Sonnenanbeter davor zurückschrecken lassen, sich zu entblößen. Heutzutage hat praktisch jeder Strandbesucher eine Kamera in Form seines Smartphones dabei – und kann Fotos in Sekundenschnelle ins weltweite Netz stellen, angefangen von den sozialen Netzwerken wie Facebook bis hin zu Porno-Portalen. Dabei ist es den FKKlern ebenso wie den naturistas seit jeher ein Anliegen, dass Nacktheit und Sexualität voneinander entkoppelt werden. Statt im sexuellen Kontext soll der Körper als natürlich wahrgenommen werden, die Nacktheit soll sogar von Scham befreien.

Im Blick des Massentourismus

Kein Wunder, dass viele Nacktbader bevorzugt abgelegenere Strände und Buchten suchen – auch weil sie sich dort mit der Natur verbundener fühlen. Allein: Auch die ehemalig wenig frequentierten Badeplätze, und seien sie noch so abgeschieden, sind durch GPS, Geotracking und Instagram-Hypes heute oft übervölkert von Menschen, die keinerlei Sinn für Freikörperkultur haben. So wie in der Cala Varques. Die einst als Geheimtipp gehandelte Hippie-Bucht an der Ostküste Mallorcas wird seit Jahren von Menschenmassen geradezu überrannt. Wer heute in der Naturbucht vorbeischaut, sieht praktisch nur noch Strandbesucher in Badehose und Bikini.

Andererseits: Durch die Pandemie sei es vielen neuerdings ein Anliegen, sich möglichst fern von Menschenmassen in der Natur zu bewegen, erklärt der Vorsitzende der Naturisten-Vereinigung, Ismael Rodrigo, den Sicherheitsabstand zu wahren und auf Abstand zu anderen Badegästen zu gehen. Auch auf Hygiene achteten viele neuerdings mehr. Und die werde beim Nacktbaden ohne feuchte Textilien jeder Art deutlich mehr respektiert.

Für einen Trend zu mehr FKK in Spanien reicht das freilich nicht. Vor allem hinsichtlich der jüngeren Generationen. Wer sich an Mallorcas Nacktbadestränden umschaut, der entdeckt überwiegend ältere Leute, die sich ganz ausziehen. Die naturista-Tradition, die vor allem in den 1980er-Jahren einen Boom erlebte, als die spanische Gesellschaft nach der Franco-Diktatur in vielerlei Hinsicht nach Freiheit strebte, scheint vergleichsweise wenig Nachwuchs zu haben.

Gerade für viele junge Frauen sei es schon eine Hemmschwelle, ihr Bikini-Oberteil auszuziehen, bewertet die Anthropologin und Frauenrechtsaktivistin Rut Abad. Der topless-Trend, der vor einigen Jahrzehnten noch als Ausdruck der weiblichen Selbstbestimmung galt, sei lange überholt. Wer sich heute „oben ohne“ sonnt, tut dies schlichtweg vor allem mit dem Ziel, gleichmäßig braun zu werden.

Aber selbst davor schrecken viele junge Frauen zurück. So wie Pilar García. „Es ist mir unangenehm, meinen Körper zu zeigen, weil ich nicht die Voraussetzungen erfülle, die in den sozialen Netzwerken vorgegeben werden“, sagt die 21-jährige Studentin. „Ich habe das Gefühl, mein Körper ist nicht gut genug im Vergleich zu den Frauen im Internet.“ Man komme gar nicht umhin, sich mit den anderen zu vergleichen. Die Badekleidung biete ihr ein Gefühl von Schutz, meint Pilar García. Und so behält sie ihr Oberteil an.

Voyeur am Strand

Mar Granel ist ein Gegenbeispiel. Die 27-jährige Mallorquinerin würde sich nicht als naturista bezeichnen, wohl aber als nudista. Wenn sie sich am Strand oben und unten frei macht, hat das weniger mit Ideologie zu tun, als vielmehr damit, dass es praktisch ist. „Man trocknet schneller, es ist einfach angenehmer“, sagt sie. Genug Selbstbewusstsein habe sie dafür, „allerdings auch erst seit ein paar Jahren“.

Durchweg positive Erfahrungen hat sie mit dem Nacktbaden allerdings nicht gemacht. „Vergangenes Jahr war ich mit einer Freundin an der Playa de Muro, und wir haben gesehen, dass ein Mann uns beobachtete – und masturbierte. Das war unangenehm.“ Eingeschüchtert habe sie diese Erfahrung aber nicht. Mittlerweile lebt sie auf Formentera. „Dort ist es viel verbreiteter als auf Mallorca, dass die Menschen die Hüllen fallen lassen. Und dann fühlt man sich auch wohler.“ Im Einklang mit der Umgebung und mit sich selbst.

Nackt-Strände im Überblick

• Cala Torta (Artà)

• Playa de Sa Canova (Artà)

• Playa del Mago (Calvià)

• Cala Monjo (Calvià)

• Playa de Es Perengons Petits (Campos)

• Playa de s‘Arenal de Sa Ràpita (Campos)

• Es Trenc (Campos)

• Cala Mesquida (Capdepera)

• Cala Moltó (Capdepera)

• Cala de Llucalcari (Deià)

• Cala Varques (Manacor)

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• Playa de Son Real (Santa Margalida)

• Playa Es Caragol (Santanyí)