Der Bassist Glen Matlock (London, 1956) gründete 1974 gemeinsam mit seinen Bandkollegen die legendären Sex Pistols und schrieb die Musik zu Songs wie "Anarchy in the U.K." und "God Save the Queen". Nach drei erfolgreichen Jahren und viel Streit mit John "Rotten" Lydon und Manager Malcom McLaren schmiss die Band ihn raus und ersetzte ihn durch Sid Vicious ersetzt. Der Rest ist Musikgeschichte. Jetzt ist Matlock, der sich zwischenzeitlich wieder mit Lydon vertragen hat, auf Mallorca, um sich auszuruhen und sein neues Album vorzubereiten, das im nächsten Jahr erscheinen wird.

Was machen Sie auf Mallorca?

Ich bin in den Urlaub gekommen, um mich ein wenig zu erholen. Ich habe auch die Gelegenheit genutzt, einige Freunde zu besuchen. Ich überlege, hier in nächster Zeit ein Haus zu kaufen. Im Moment ist es nur eine Idee. Ich liebe Mallorca und ich liebe Spanien. Vergangenes Jahr konnte ich einen ganzen Monat lang hierher kommen. Der Brexit wird immer schlimmer und lässt uns immer weniger Handlungsspielraum.

Wie erleben Sie den Brexit und seine Folgen?

Als lächerlich und peinlich. Mit Boris Johnson haben wir jetzt unseren eigenen Franco im Vereinigten Königreich. Seinetwegen machen wir als Gesellschaft Rückschritte.

Manche sagen, Johnson sei eine "Punk-Ikone".

Nein, er ist genau das Gegenteil. Das Traurige daran ist, dass er medienwirksam wirkt und viele der alten Punks ihn für einen alternativen Politiker halten, aber das ist er nicht. Er ist das Establishment in Person. Er ruiniert das Vereinigte Königreich und will ein totalitärer Herrscher sein. Musiker zum Beispiel haben Probleme, zu reisen und anderswo zu spielen. Ich bin weniger betroffen, aber mein Sohn und seine Band wissen nicht, wie sie es machen sollen. Wir brauchen eine Menge Papierkram, um arbeiten zu können, und das erschwert unseren Beruf erheblich.

Sie sagen, sie seien es "leid", nach Ihrer Zeit bei den Sex Pistols gefragt zu werden.

Ja, aber ich verstehe, dass die Leute mit mir darüber sprechen wollen. Das ist nun schon viele Jahre her und wird mich immer begleitenb. Wir haben die Band nicht gegründet, um berühmt zu werden, sondern weil wir gerne zusammen Musik machten. Heute wollen viele Künstler Musiker werden, nur um berühmt zu werden.

Noch etwas über diese Zeit hinzuzufügen?

Es war eine Zeit in meinem Leben, in der ich sehr viel gelernt habe. Prägende Jahre, die unweigerlich die Art und Weise gezeichnet haben, wie und was ich für Musik mache. Zusammen mit Steve Jones und Paul Cook waren wir wie eine kleine Band, die lernen musste, wie man spielt. Das ist ein kurioses Phänomen: Wenn man gemeinsam von demselben Punkt ausgeht, erlangt das eine größere Bedeutung in unserem Leben. Wir hatten etwas gemeinsam, was andere nicht hatten. Wir mussten es nicht erzwingen, es kam einfach heraus. Dann kam die Trennung, der öffentliche Streit, der ganze Ärger. Wenn man darüber nachdenkt, war es eine traurige Zeit, denn das wollten wir nicht wirklich durchmachen und wir wollten auch nicht so enden.

Das könnte Sie interessieren:

"Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, ständig Songs zu schreiben wie: "Fuck the Government!" Wir müssen versuchen, einen Schritt weiter zu gehen und intelligenter zu sein."

Danach haben Sie weiter Musik gemacht und gespielt. Hat sich etwas an Ihrer Einstellung zur Musik geändert?

Ich kämmte mein Haar, zog eine Jacke an und setzte meine Solokarriere fort. Das war's. Aus dieser Zeit erinnere ich mich auch daran, dass ich mit Iggy Pop nach Barcelona kam, um dort zu spielen. Als wir fertig waren, fuhren meine Freundin und ich nach Sitges. Wir mieteten uns ein Tretboot und fuhren raus aufs Meer. Plötzlich hörten wir hinter uns jemanden wie wild herumschreien und seltsame Geräusche machen. Es war Iggy Pop, der uns gefolgt war, ebenfalls im Tretboot. Das werde ich nie vergessen.

Halten Sie sich immer noch für einen Punk?

Für einen Punk wie in meiner Jugend. Ich tendiere politisch nach links, besonders in diesen Zeiten, in denen die extreme Rechte die Macht übernommen hat. Aber ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, ständig Songs zu schreiben wie: "Fuck the Government!" Wir müssen versuchen, einen Schritt weiter zu gehen und intelligenter zu sein. Außerdem höre ich viele klassische Popsongs und mag sie sehr.

Ist Punk noch am Leben?

Ja, auch wenn sich die Form verändert hat. Vor dem Lockdown konnte ich die ganze Welt bereisen. Ich stellte fest, dass das Wort Punk heute für alles verwendet wird, was nicht dem Mainstream oder dem Kommerz entspricht. Punk hat auch noch andere Bedeutungen, es ist nicht so einfach. Was ich nicht mag, ist, wenn Leute denken, dass Punk bedeutet, eine bestimmte Art von T-Shirt und Hose zu tragen. Das ergibt doch keinen Sinn.

Wäre ein Album wie "Never Mind the Bollocks" heute möglich?

Nein, denn es gehört einer anderen Zeit an. Die Art und Weise, Musik zu machen und aufzutreten, waren ganz anders. Es war ein Produkt, das ohne seinen Kontext nicht zu verstehen war.

In Ihrer Jugend sagten Sie, dass Sie die Musik der Party vorziehen. Denken Sie immer noch so?

Ich denke nicht, dass sie unvereinbar sind. Ich mag beides. Die Leute denken, dass unser Beruf aus nichts anderem als P besteht. Aber Musiker arbeiten den ganzen Tag, denn jeder Einfluss oder jede Idee kann zu einem Song werden. Auch wenn Sie im Urlaub am Pool liegen.