Die besten Kekse sind wohl die Doppeldecker mit dem knusprigen Teig und der cremigen Füllung. Ganz ähnlich verhält es sich mit "La casa de cookie" an der Plaça del Banc de l’Oli im Herzen von Palma de Mallorca, die gewissermaßen ein Doppelleben führt: als Bar und als "Silent Disco".

Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich bei einem Besuch am Freitagabend gegen 23 Uhr beobachten: Zu dieser noch frühen Stunde bekommen neue Gäste, die beim Einlass natürlich ihren Covid-Pass vorzeigen müssen, auf Wunsch ein Paar Kopfhörer ausgehändigt, mit dem sie auf drei verschiedenen Kanälen – rot, grün und blau – Musik hören und damit auf die Tanzfläche im Keller verschwinden können, die im Oktober 2021 eröffnet wurde.

Es teilt sich in unten und oben

„Ich würde sagen, es teilt sich sehr in unten und oben. Unten wird Party gemacht, da sind überwiegend junge Leute unter 30. Oben gehört man mit 30 zu den jüngsten. Die Leute mischen sich kaum“, sagt Maru Vock. Die 20-Jährige aus dem norddeutschen Itzehoe ist die Tochter des Besitzers Thorsten Sievers (Spitzname „Cookie“).

Die Familie hatte sich vor rund fünf Jahren eine Ferienwohnung um die Ecke gekauft. Dann kam Corona, viele Bars gingen pleite, die Preise für die Lokale sanken. „Mein Vater ist so ein typischer Bar-Mensch und sagte: Eigentlich wäre es cool, wenn wir auch noch eine Bar hätten.“ Als Hobby, denn Sievers finanzielles Standbein sei der Verkauf von Katzenkratzbäumen. Die Bar müsse also keine großen Gewinne erzielen.

Da „Cookie“ selbst nur alle paar Wochen in seiner casa weilt, hat er die im Herbst 2020 eröffnete Bar derzeit seiner Tochter anvertraut. Vock schmeißt den Laden gemeinsam mit Alexander Rodríguez, dem ehemaligen Betreiber der Hat Bar, einem Freund der Familie. Ein ungleiches Dream-Team. Rodríguez schwärmt: „Zwischen uns gibt es ein fantastisches Gleichgewicht: Ich bin ein bisschen älter, kenne die typischen Bar-Gänger in Palma, und sie bringt die jungen, internationalen Leute hierher.“

So wie den deutschen Online-Marketing-Manager Maximilian (22) – schwarze Boots, langer grauer Mantel, Umhänge-Köfferchen, Hipster-Mütze – der seit Kurzem in Palma lebt. Er findet in jedem zweiten Satz irgendetwas „wild“ und sagt, er möge es eigentlich lieber heftig und laut. Ihn hätten vor allem die Menschen hierhergezogen. „Ich war schon einmal an Silvester hier, aber nur fünf Minuten, weil ich dann direkt Leute kennengelernt habe und wir auf eine Hausparty gegangen sind“, sagt er und nippt an seinem Bier.

Super Stimmung, drei Dancefloors am Ohr: eine Silent Party im „Cookie’s“. Maru Vock

Im Keller tummeln sich immer mehr Party-People. „Man verliebt sich schnell“, meint Marcel aus dem Team eines Start-ups über das „Cookie’s“ – wie die Bar im allgemeinen Sprachgebrauch heißt. Zur typischen Klientel zählen Hostel-Gäste, Reisende und junge Residenten.

Heute sind viele Erasmus-Studenten und das deutsche Start-up-Team am Start. „Wir sind Stammgäste, deswegen haben wir den grünen Kanal gekapert“, sagt Marcel. „Wir haben ihn mit dem 480. Bier gekauft – ihr dürft alle verstellen, aber nicht diesen!“ Einen klaren Stil hätten sie nicht im Sinn. Sie würden spielen, „was sie die Woche witzig fanden.“ Die Gruppendynamik funktioniert, alles hüpft.

Gäste können die Musik selbst aussuchen

Wer sich selbst als DJ betätigen möchte, muss aus den Katakomben emporsteigen und eines der drei Tablets bedienen, die neben der Bar an der Wand montiert sind. Der Grad an Demokratie beziehungsweise Anarchie ist bei diesem System jeden Abend etwas anders.

Meistens gibt es laut Vock einen Channel zum Ausprobieren und einen für ein bestimmtes Genre. Die Touristen könnten so beispielsweise englische oder deutsche Lieder hören, die Spanier ihren Reggaeton, und die älteren Leute oben ihren Techno. „Witzigerweise finden viele die deutsche Musik aber gar nicht schlecht“, sagt Vock. „Wenn ich Peter Fox anmache, sind die Leute immer glücklich.“

In dieser Nacht herrscht musikalisch wenig Abwechslung, das Programm klingt sehr ähnlich. Die meisten haben sich auf dem blauen Kanal eingepegelt, hören aktuelle Hits und tanzen dazu begeistert im Kreis. Über 30 fühlt man sich tatsächlich alt und wünscht sich mehr Rock und Metal herbei. „Es ist gerade ein bisschen wie Fernsehen: 40 Kanäle und nirgendwo läuft was“, sagt die Begleitung leicht frustriert.

Ein angenehmer Unterschied zu klassischen Clubs: Man kann die Kopfhörer abnehmen, wenn man sich unterhalten will, und muss sich nicht anschreien. Und nicht nur fürs Ohr, auch fürs Auge ist etwas geboten: Es fühlt sich gut an, wenn man quer über den Raum hinweg mit jemandem Blickkontakt aufbaut, der als Einziger ebenfalls den roten Kanal eingestellt hat und telepathisch kommuniziert: Wir gegen den Rest der Welt!

Gefeiert wird hier auch unter der Woche: „Die letzten drei Stunden ballt sich alles, was in Palma noch tanzen möchte, im Keller, weil wir fast die einzige Bar sind, die noch bis um zwei Uhr offen hat“, sagt Vock. Das Konzept der Silent Party löse das Problem der Lautstärkeregeln, wegen denen es in Palmas Innenstadt quasi keine Clubs gebe. Mit den Kopfhörern kann man feiern, ohne laute Musik im Raum zu haben und Beschwerden aus der Nachbarschaft zu kassieren. „Größtenteils geht das auch auf, nur singen die Leute mit, grölen und pfeifen, das ist ein wenig schwierig“, sagt Vock.

Gegen ein Uhr werden die Gesänge im Keller zunehmend schiefer, Marketing-Manager Maximilian verabschiedet sich mit einer Gettofaust, und ein weiteres Problem stellt sich ein: „Es herrscht immer Krieg um die Kopfhörer. Wenn man sie irgendwo hinlegt, sind sie sofort weg“, sagt Vock.

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Die rund 30 Exemplare im Umlauf sind so schnell vergriffen, dass man sofort ein schlechtes Gewissen hat, wenn man seine Kopfhörer einmal fünf Minuten nicht nutzt. „Brauchst du die noch?“, fragt ein junger Spanier mit Dackelblick. Und schon sind sie weg. Zeit für einen letzten Drink mit den alteingesessen Gästen am Tresen. Einer von ihnen lächelt und sagt tröstend: „Es ist doch auch viel schöner zu reden ...“