Thomas Fitzner: Eklat um eine außergewöhnliche „Maltechnik“ 

Das Zusammenleben in einem Dorf ist eine delikate Balance aus „Sagen, was man denkt und weiß“ auf der einen Seite und „Lieber den Mund halten“ auf der anderen. Beides will wohl überlegt sein, und bei beidem ist es hilfreich, über die Zuhörer Bescheid zu wissen, um mögliche unerwünschte Nebenwirkungen abschätzen zu können.

Das Szenario der Anekdote: eine Versteigerung zu wohltätigen Zwecken in einem kleinen Dorf im Inselinneren. Die Elternvereinigung der Schule bot dem Publikum Kunstwerke an, die von Bürgern gespendet worden waren. Als Versteigerer agierte ein Mitglied einer professionellen und auf der Insel durchaus bekannten Humor-Musik-Gruppe. Der notorisch lustige Mann war mitsamt Familie vor Kurzem erst ins Dorf gezogen. Die meisten der angebotenen Kunstwerke waren Amateurarbeiten, viele der Urheber saßen im Publikum. Das hätte der witzige Mann bedenken sollen, als er im Bemühen, für mehr Stimmung zu sorgen, einen Gang zulegte. Bislang hatte er mit seiner schnoddrigen Art durchaus Erfolg gehabt. Er kam in Fahrt und sorgte mit immer absurderen Erklärungen der angebotenen Werke für Heiterkeit. Als die Assistentin ihm das nächste Gemälde brachte, hielt er den Moment für reif, aufs Ganze zu gehen: „Dieses Werk ist etwas Besonderes“, verkündete er mit gespieltem Ernst und hob den Zeigefinger. „Ha sido pintado con el culo.“ Auf gut Deutsch: Es wurde mit dem Arsch gemalt.

Duell mit spitzer Feder

Nur ein Teil des Publikums fand das lustig. Nun meinte der Witzige, die gemischte Reaktion wäre einzig und allein auf das Gewagte an seinem Gag zurückzuführen, weshalb er seine Aussage noch einmal bekräftigte. Doch der wahre Grund, warum einigen Zusehern das Lachen im Hals stecken blieb, war ein anderer: Diese Leute wussten, dass das Bild – ausgerechnet dieses Bild – von der Gattin des Bürgermeisters gemalt worden war. Die natürlich im Publikum saß. An der Seite des Bürgermeisters.

Ein Bekannter des Witzigen gestikulierte heftig aus der ersten Reihe, um zu warnen, aber der Mann am Podium verstand das falsch und erteilte dem Bekannten den Zuschlag für das „Arschgemälde“ (der es natürlich kaufte). Selbst als Begleiter des Bürgermeisters verärgert davonzogen, wurde dem Versteigerer nicht klar, was er angerichtet hatte.

Der Bürgermeister und seine Frau bewiesen Sinn für Humor. Sie blieben bis zum Schluss bei der Versteigerung und waren auch danach um Schadensbegrenzung bemüht. Die Familie des Witzigen hingegen traute sich tagelang kaum noch auf den Dorfplatz. Ein paar Monate später vereinbarten der Bürgermeister und der Witzbold einen kostenlosen Auftritt der besagten Humor-Musik-Truppe bei einem Dorffest und der Frieden war auch öffentlich wiederhergestellt.

Axel Thorer: Unbekannter Maler entdeckt!

Ich spielte wieder mal den Spürhund für meine Mallorca-Sammlung. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht stöbere nach Antiquitäten & Kunst und neulich sprang mir etwas ins Auge: Eine zauberhafte Blumenwiese, und als ich die bunten Blüten sah, wusste ich – das hatte keiner der 5.000 Amateurmaler von Mallorca geschaffen, sondern ein Könner! Angeboten in Sachsen für 99 Euro (was stramm ist für Kunst auf eBay), 40 x 60 cm groß und von bestechender Qualität. Wenn man oft am Laptop stöbert, dann entwickelt man dieses gewisse Auge, dann scannt die erfahrene Pupille die Angebote wie ein Trüffelschwein die Wälder des Piemont und übersieht Schrott von selbst.

An diesem Angebot war die Pupille sofort stehen geblieben. Die Legende zum Bild war allerdings mehr als skurril. Sie lautete: „Dieses Bild habe ich in Wildbad Kreuth gekauft nach Auflösung eines alten Restaurants. Die Inhaber hatten das Bild gekauft bei einem bekannten Maler aus Valldemossa auf Mallorca. Der Maler ist schon verstorben. Den Namen weiß ich leider nicht mehr und kann ihn auch nicht genau entziffern.“

Duell mit spitzer Feder

Anfangs konnte das keiner, es kam nicht ein Angebot. Auch ich brauchte ein paar Tage, spielte herum mit den roten Buchstaben in der Bildecke unten rechts, malte sie auf Papier, schnitt sie einzeln aus und setzte sie zusammen mit allen zwei- und dreideutigen Möglichkeiten. Wälzte das doppelbändige Lexikon mallorquinischer Künstler – und dann hatte ich ihn, den Maler: der berühmte Coll Bardolet, 1912 geboren, 2007 gestorben, hochpreisig auf dem Kunstmarkt, auf Mallorca mit zwei Museen geehrt, in Palma und in Valldemossa, und hier für 99 Euro zum Schnapperpreis angeboten. Ich steigerte sofort auf 101 Euro, konnte mich lange auf diesem Niveau halten, dann hatten auch andere die Signatur erkannt, das Bietervölkchen stieg auf 23 Personen und bei 200 Euro aus. Ab da wurde ihnen das Risiko einer Fälschung zu teuer, mir nicht, und für 230 Euro bekam ich den Coll Bardolet, und er ist eines der schönsten Gemälde meiner Sammlung.

Und nun fehlt die eigentliche Geschichte: Wie kam dieses Bild von Valldemossa erst nach Kreuth und dann nach Sachsen? Ich hab’s vor Ort herausgefunden: Das Gastwirtsehepaar hatte 1964 Urlaub auf Mallorca gemacht, war von einem Reiseführer in das Atelier von Coll Bardolet geschleppt worden, hatte diese Blumenwiese direkt vom Maler für 250.000 Peseten gekauft, das waren damals teure 200 Mark, und hatte sie in Kreuth in ihre Gaststube gehängt. Aber 2005 verstarb das Ehepaar, und 2005 wurde das Inventar des Wirtshauses versteigert, da hatte es der Sachse, der zufällig gerade in Kreuth Urlaub machte, für 20 Euro gekauft und 2021 mit elffachem Gewinn an mich verscherbelt.