Einige Urlauber bleiben erstaunt stehen, andere zücken ihre Smartphones und schießen Fotos. Die Wagen mit den Musikkapellen, die am Freitagabend (1.7.) durch Cala Ratjada ziehen, erwecken Aufmerksamkeit in dem Küstenort, dessen Stadtbild um diese Jahreszeit ansonsten klar von Touristen dominiert ist. Doch wenn die sommerlichen Dorffeiern anstehen, dann kommen auch die Einheimischen auf ihre Kosten. Praktisch jeder Ort Mallorcas hat während der Sommermonate seine fiesta, einige sogar zwei. So individuell geprägt sie vom lokalen Engagement der ehrenamtlichen Helfer sind, so sehr ähneln sich viele Feiern in ihrem Wesen.

Die Musikantenparade in Cala Ratjada beispielsweise war der Auftakt der Festes del Carme, einer Feier zu Ehren der Schutzpatronin der Seeleute Virgen del Carme, die in vielen Küstenorten begangen wird. Von Portocolom über Porto Cristo, Port de Pollença, Port d’Andratx oder Cala Figuera, Sa Ràpita, Cala Bona und Cala Millor ist rund um Ehrentag der Heiligen am 16. Juli buntes Treiben angesagt. In vielen Gemeinden ziehen sich die Festivitäten über viele Tage oder sogar Wochen hin.

Beim sopar a la fresca (hier in Lloseta) kommt das halbe Dorf zum gemeinsamen Abendessen unter freiem Himmel zusammen MVC

Spanische Schlager und viel Alkohol

Kein Wunder, denn bei den Sommerfeiern geht es vor allem darum, gemeinsam und in entspannter Atmosphäre Zeit zu verbringen – ein im früheren, durch Landwirtschaft und Fischerei geprägten Mallorca seltenes Gut. Meist wird heute für alle Altersklassen etwas geboten, oft gehen weltliche und geistliche Programmpunkte ineinander über: Prozessionen, Kinderspiele, Konzerte und gemeinsame Essen. Beliebt sind etwa die sopars a la fresca, also Abendessen unter freiem Himmel, bei denen häufig das halbe Dorf an langen Tischen zusammenkommt, um dann, wenn die Hitze des Tages verflogen ist, ausgiebig zu speisen. Mal wird eine riesige Pfanne des Nudelgerichts fideuà für alle gekocht, mal bringt jeder sein Essen selbst mit. Highlight der meisten Dorffeiern ist aber meist die verbena, also die große abendliche Party mit Livemusik, auf der spanische Schlager dominieren und älteres Publikum gemeinsam mit der Dorfjugend das Tanzbein schwingt – zumindest solange sich die Jugendlichen auf selbigem noch halten können. Nicht selten dienen die verbenas dem Jungvolk zum Anlass, sich hemmungslos zu betrinken – zum Leidwesen der Veranstalter.

Nach den Festes del Carme stehen dann die Feierlichkeiten zum Patronatsfest des jeweiligen Schutzheiligen der Gemeinde an. Sie gestalten sich ähnlich. Obwohl im Sommer jedes Wochenende die Auswahl an Dorffeiern groß ist, haben einige von ihnen im Laufe der vergangenen Jahrzehnte inselweit Bekanntheit erlangt – teils wegen denkwürdiger Sitten.

Von Mandelschlacht bis Musikevent

Bei der Traubenschlacht in Binissalem bleibt niemand sauber Pere Joan Oliver Orell

Am 16. Juli beispielsweise zieht es Tausende nach Petra zu den Festes de ses Clovelles. Dort lässt sich die Menschenmenge von den Veranstaltern mit 4.000 Kilo Mandelschalen übergießen und veranstaltet eine Mandelschalenschlacht – und das alles zu Ehren der Heiligen Praxedis. Das Bewerfen mit Gegenständen, es ist Teil vieler Feiern auf Mallorca.

Weniger wild, dafür aber umso emotionaler begehen die Anwohner von Valldemossa am 28. Juli die Beata, zu Ehren ihrer Dorfheiligen Santa Catalina de Tomàs. Für die Einheimischen ist die Prozession, an der stets kleine Kinder in traditionellen Trachten im Mittelpunkt stehen, die wichtigste Feier des Jahres.

Umso verrückter geht es am 15. August in Sineu zu, wo erst seit wenigen Jahren, dafür aber mit immer mehr Zulauf, das Fabelwesen „Much“ – halb Teufel, halb Stier – gefeiert wird. Bei der Parodie auf die traditionellen Feiern geht es feuchtfröhlich zu, viele Teilnehmer kleiden sich in Rosa und mit provokanten Verkleidungen und liefern sich bei lauter Musik eine Stroh- und Wasserschlacht.

Professioneller kommen die Fiestas in Felanitx daher. Rund um den 28. August, zum Patronatstag des Heiligen Augustin, werden dort große Konzerte veranstaltet, auf denen auch überregional bekannte Musiker auftreten. Highlight am Ende des Sommers sind im September dann die Festes des Vermar in Binissalem. Die Krönung des Weinfests ist – wie könnte es anders sein – die große Traubenschlacht (batalla del raïm), bei der niemand sauber bleibt.

Eine Übersicht der Feiern und Programme gibt es in der MZ-Agenda sowie (oft erst sehr kurzfristig) auf firesifestesdemallorca.com.