Als sie wieder aufwacht, weiß sie erst nicht, wo sie ist. Dann erkennt sie die Wände ihres Hotelzimmers. Anna (Name von der Redaktion geändert) hat sich extra ein Hotel Nähe Ballermann genommen, um Party machen zu können. Die der MZ bekannte 23-Jährige aus Niedersachsen weiß, dass sie mit einer Freundin feiern war.

Aber die Erinnerungen wollen nicht zurückkommen. Irgendwann lag sie in einem Krankenwagen. Hatte sie zu viel getrunken? Anna macht sich Vorwürfe, schämt sich. Doch dann liest sie auf ihrem Handy eine Nachricht ihrer Freundin: „Nicht wundern, dir wurde gestern wohl was ins Glas gekippt. Ich war die ganze Zeit da, es ist also nichts Schlimmes passiert.“

Was sind K.-o.-Tropfen?

K.-o.-Tropfen verabreicht zu bekommen, macht Frauen beim Feierngehen häufig Angst. Zu Übergriffen kommt es immer wieder. In Deutschland im Club und eben auch auf Mallorca am Ballermann. Unter den Begriff K.-o.-Tropfen fallen verschiedene Psychopharmaka wie Narkotika, Schlafmittel und GHB.

In Clubs werden die Mittel in niedrigeren Dosierungen auch als Partydrogen genommen. Höher dosiert können sie zu Bewusstlosigkeit, Koma oder sogar Tod führen. Täter schütten die Substanzen ihren Opfern heimlich in die Getränke, um sie gefügig und wehrlos zu machen. Die Dunkelziffer ist hoch, denn die Opfer können sich nur an wenig erinnern, auf ihre Freunde wirken sie meist wie stark betrunken. Darum reagieren Umstehende oft falsch oder zu spät. Denn ein weiteres Problem ist, dass die Substanzen sich nicht lange nachweisen lassen: im Blut etwa sechs, im Urin zwölf Stunden.

Die ersten Zeichen

Annas Freundin erzählt ihr am Telefon, was am Abend zuvor passiert ist: Nachdem die beiden nur ein Bier getrunken hatten, brach Anna fast zusammen. Sie konnte nicht mehr allein stehen, musste sich ständig übergeben. Gemeinsam mit einem Fremden trug die Freundin Anna aus dem Lokal. Draußen versuchte Anna, sich aufrecht zu halten, doch jegliches Körpergefühl sei weg gewesen.

Der Verdacht bestätigt sich

Zwei Männer von der Security des Lokals brachten ihr Wasser. Sie fragten, wie viel Alkohol Anna getrunken, ob sie Getränke angenommen oder aus dem Blick gelassen hätte. Sie hatten ihr Bier nicht stehen gelassen, aber die Freundinnen standen in einer großen Menschenmenge, da ist der Blick nicht immer auf das Getränk gerichtet.

Die Sicherheitskräfte riefen einen Rettungswagen, mit dem Anna in die Notaufnahme des Krankenhauses Quirónsalud Son Verí gefahren wurde, ihre Freundin kam mit. Vor Ort wurde eine Urinprobe genommen. Als Anna einigermaßen stabil war, brachte die Freundin sie ins Hotel zurück. Zwei Tage später bestätigte das Krankenhaus: In der Urinprobe wurden Drogen gefunden.

Warum es so wenige Strafermittlungen gibt

Anna weiß, dass sie keine Drogen genommen und nur ein kleines Bier getrunken hat. Das Problem: Beweisen kann sie es nicht. Juan Carlos González, Pressesprecher am Landeskrankenhaus Son Espases, sagt, dass für die Mitarbeiter im Krankenhaus nicht klar sei, ob jemand Drogen freiwillig konsumiert oder verabreicht bekommen habe. „Wir stellen nur die Substanzen fest. Wie sie dahingekommen sind, wissen wir nicht“, erklärt er. Er erinnert sich nur an drei nachgewiesene Fälle von K.-o.-Tropfen im vergangenen Jahr. Trotzdem fordert er dazu auf, bei einem Verdacht sofort ein Krankenhaus aufzusuchen.

Anna erinnert sich immer noch nicht an den Abend, trotzdem oder gerade deswegen muss sie ständig daran denken. Sie fühlt sich niedergeschlagen und hat keine Lust auszugehen, wie sie sagt. Doch die 23-Jährige ist auch dankbar: Ihre Freundin war da, und die Security nahm sie ernst. Irgendwo hatte sie Glück.

So schützt man sich beim Feiern vor K.-o.-Tropfen

  1. Lassen Sie Ihr Glas oder Ihre Flasche nie unbeobachtet.
  2. Nehmen Sie keine offenen Getränke von Unbekannten an.
  3. Achten Sie auf Ihr Bauchgefühl: Meiden Sie Personen, die Ihnen merkwürdig vorkommen.
  4. Wenn Sie sich unwohl fühlen, geben Sie Ihrer Begleitung Bescheid.
  5. Haben Sie den Verdacht, K.-o.-Tropfen zu sich genommen zu haben, begeben Sie sich direkt zu einem Arzt oder in die Notfallaufnahme eines Krankenhauses.