Die Eidechsen bekommen wieder Besuch – zumindest sporadisch. Raschelten die sargantanes bis vor wenigen Wochen ungestört im Gebüsch auf Cabrera, steuern seit Juni wieder Ausflugsboote den Archipel von Colònia de Sant Jordi aus an. Und seit Anfang Juli erstmals auch von Palma aus: Zu den zwei Anbietern Mar Cabrera und Excursions a Cabrera ist mit Cruise Cormoran in diesem Jahr ein dritter hinzugekommen. Während die beiden ersten von dem Ferienort der Gemeinde Ses Salines an der Südküste ablegen, beginnen die Ausflüge von Cruise Cormoran in der Balearen-Hauptstadt – zu der die kleine Inselgruppe eigentlich auch verwaltungstechnisch gehört.

Dass es auf dem unbewohnten Archipel nicht zu trubelig wird, dafür sorgen allerdings ohnehin die in diesem Jahr verschärften Auflagen des Landesumweltministeriums für den einzigen Nationalpark im Gebiet der Balearen. Jeder der derzeit drei Anbieter für Ausflüge darf täglich maximal 100 Gäste nach Cabrera befördern, wie eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber der MZ bestätigt. Bislang galt die Regel, dass sich insgesamt nicht mehr als 300 Besucher gleichzeitig auf Cabrera aufhalten durften, wobei der Landgang ohnehin in der Regel nur einige Stunden dauert. Gerade mal Zeit genug für eine kleine Wanderung auf einer der acht offiziellen Routen und eine Erfrischung im Meer, wo einem riesige Fische erstaunlich nahe kommen. Kein Wunder, Fischen ist verboten in dem Nationalpark, dessen größtenteils Wasser umfassende Fläche im Jahr 2019 auf rund 90.000 Hektar verneunfacht worden ist.

Unmut in Colònia de Sant Jordi

Strengere Regeln, mehr Anbieter – die Stimmung bei den traditionellen Firmen in Colònia de Sant Jordi war schon einmal besser, zumal natürlich auch Corona das Geschäft erschwert. Die Belegschaft sei auf die Hälfte reduziert, und auch das Angebot von vier unterschiedlichen Ausflugsfahrten werde man wohl reduzieren müssen, meint resigniert Juana Serra, Eigentümerin von Excursions a Cabrera, gegenüber der MZ. Das balearische Umweltministerium lasse gerade jetzt in Corona-Zeiten Dialogbereitschaft vermissen. Letztendlich werde die Entscheidung der Regierung dazu führen, dass die Tarife für die Überfahrten angehoben werden müssten.

Eidechsen sind überall auf Cabrera zu sehen. FOTO: FELDMEIER

Auch bei Mar Cabrera ist man mit der Entscheidung des Umweltministeriums unglücklich. Wer keine Yacht besitze oder chartere, habe es nun schwerer, auf die Insel zu kommen, heißt es bei dem Anbieter. Wegen der neuen Obergrenze könne man nun mit dem großen Ausflugsboot nur noch zweimal täglich übersetzen, denn das Limit von 100 Plätzen sei schnell aufgebraucht.

Hinzu kommt, dass das Potenzial von maximal 300 Besuchern täglich derzeit gar nicht ausgeschöpft wird. Cormoran Cruises bietet auf seinen Überfahrten von Palma aus 48 Plätze an. Man habe eine Genehmigung für das Wochenende inne, erklärt Marketing-Verantwortliche Susana Morena. Derzeit finden die Überfahrten samstags statt, sollen aber auf Sonntag ausgeweitet werden.

Wählen können Ausflügler im Prinzip zwischen zwei Varianten – dem bloßen Transfer nach Cabrera einerseits sowie einer um Zwischenstationen erweiterten Ausflugsfahrt andererseits. Meistens dabei ist außerdem ein Stopp in Sa Cova Blava, einer wegen des intensiven blauen Farbtons des Wassers so genannten Höhle. Excursions a Cabrera hat auch eine Sunset Tour im Programm – zum Sonnenuntergang gibt es bei Sa Cova Blava ein Glas Sekt und etwas Süßes –, Mar Cabrera umrundet sogar den kompletten Archipel („komplette Tour“), und bei Cruise Cormoran ist bei der Rückfahrt nach Palma ein Zwischenstopp in Ses Covetes am Naturstrand Es Trenc mit dabei. Je nach Länge und Dauer kostet das Bootsticket zwischen 40 und 80 Euro pro Person.

Was man alles auf Cabrera unternehmen kann und welche Normen dabei von Besuchern zu beachten sind, das hat die balearische Landesregierung jetzt auf einem neuen, viersprachigen Online-Portal zusammengefasst: Unter balearsnatura.com ist der Archipel eingereiht in die Naturschutzgebiete der Inseln. Hier gibt es ausführliche Service-Infos, etwa zur kleinen Cabrera-Herberge, die für die kommenden Wochen ausgebucht ist, oder auch zum Besucherzentrum in Colònia de Sant Jordi mit seinen Meeresaquarien und einem kunstvollen Turmbau, der einem prähistorischen talaiot nachgeahmt ist. Die Wegbeschreibungen für die Routen auf Cabrera erscheinen aber auch in der deutschen Version derzeit auf Katalanisch. Und der neue Ausflugsanbieter ist noch nicht mit aufgeführt.

Unter staatlicher Kontrolle

Dass Besucher eine praktisch unbebaute Insel vorfinden, ist im Fall von Cabrera in erster Linie dem Militär zu verdanken. Soldaten der spanischen Streitkräfte führten hier Manöver aus, bevor der Archipel vor 30 Jahren Nationalpark werden sollte. Aber auch früher schon war die Inselgruppe von strategischem Interesse, wenn auch für die unterschiedlichsten Zwecke. So wurden hier zwischen 1809 und 1814 mehr als 9.000 Soldaten Napoleons interniert, die im Spanischen Unabhängigkeitskrieg unter die Räder der Geschichte gekommen waren. Die Mehrheit der Soldaten verendete auf der unwirtlichen Insel. Ausflügler können heute noch in der Fassade der Burgruine eine Inschrift entdecken, die an das Schicksal der Gefangenen erinnert.

Wenig bekannt ist auch, dass während des Ersten Weltkriegs deutsche U-Boote Cabrera als heimlichen Anlaufpunkt nutzten. Sie wurden hier repariert, aufgetankt und mit Proviant versorgt – ein gutes Geschäft für Schmugglerkönig Juan March, der an der Südküste Mallorcas praktischerweise das Landgut Sa Vall besaß. Spanien enteignete daraufhin 1916 den Archipel von dessen Besitzer Sebastià Feliu, um die spanische Neutralität nicht zu gefährden. Und der Staat sollte fortan die Kontrolle über Cabrera auch nicht mehr herausrücken.