Formentera, die Nachbarinsel von Mallorca, ist für Pamela Spitz ihre Heimat. Am Stück gelebt hat sie dort zwar nur knapp fünf Jahre, dennoch kehrt sie regelmäßig dorthin zurück. Auch die Pandemie-Monate hat sie dort verbracht. Ansonsten lebt die geborene Münchnerin, die nach einer Zeit als Fotografin nunmehr für die „Welt“ und die „Welt am Sonntag“ als Bildredakteurin arbeitet, als sogenannte „digitale Nomadin“. Sie hat ein Haus in Portugal, aber keinen festen Wohnsitz, zieht mit ihrem Laptop durch die Welt und ist viel in Südamerika, wo sie die Sprachen spricht. Im August 2016 bekam sie mit nur 41 Jahren die Diagnose Morbus Parkinson. Über das Leben mit der unheilbaren, langsam fortschreitenden neurologischen Erkrankung, ihre Reisen und ihre Wanderungen hat die mittlerweile 46-Jährige nun ein Buch veröffentlicht.

Eine Frage vorweg: Wie kommt es, dass Sie als Elfjährige mit Ihrer Familie nach Formentera zogen?

Im April 1986 lebte ich mit meinen beiden Geschwistern und meiner Mutter noch in München. Dann kam es zu der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Wir hatten schon vorher überlegt wegzuziehen, aber jetzt fürchtete meine Mutter den sauren Regen. Sie wollte so weit ab vom Schuss leben wie möglich. Schon zwei Monate später waren wir auf Formentera. Auch viele andere sind zu der Zeit weggezogen, etwa nach La Gomera.

Wie kamen Sie 2016 darauf, dass Sie schwerer krank sein könnten?

Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte, da meine linke Hand und mein Fuß nicht mehr richtig funktionierten. Mein Hausarzt hat mich relativ schnell an eine Neurologin verwiesen. Die Diagnose habe ich dann relativ gefasst aufgenommen. In meinem Blog (siehe Information unten, Anm. d. Red.) beschreibe ich die Situation ganz gut: Ich bin im August an einem sonnigen Tag raus auf die Straße gegangen. Da wusste ich, dass ich einen neuen Freund habe, der mich niemals wieder verlassen wird und gleichzeitig vergessen lässt, dass ich mich um eine Pension kümmern muss. Mein Leben würde schließlich kurz und intensiv sein.

Pamela Spitz in Portugal. Privat

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Was hat die Diagnose Morbus Parkinson mit Ihnen gemacht?

Ich habe gelernt auszusortieren, was ich nicht mehr möchte. Ich bin egoistischer geworden, lasse mich etwa nicht mehr auf Kompromisse ein. Heißt: Ich will nur noch das machen, was ich wirklich will, also etwa Zeit mit meinen Freunden und meiner Familie verbringen, alleine durch die Welt ziehen, für mich sein. Auch einen Hang zum Minimalismus hatte ich schon immer, aber nach der Diagnose noch mehr. Materielle Dinge, das Ego zu pimpen und Karriere sind egal. Was zählt, sind Glück, Gesundheit und Liebe. Das weiß man leider erst, wenn man krank ist.

Wie gehen Sie nun mit der Krankheit um?

Ich wusste von vornherein, dass sie langsam voranschreiten wird, also kann ich mich darauf einstellen. Es ist ja nicht so, dass ich bei einem Unfall plötzlich beide Beine verloren habe. Trotzdem muss ich mich oft anpassen, weil ich viele Dinge nicht mehr tun kann, und mache nur Pläne für die nächsten drei Monate. Alles Weitere ergibt sich dann. Ich versuche aber weiter, die größtmögliche Freiheit zu behalten, nach der ich schon immer gestrebt habe. Letztlich hat mir Parkinson auch dazu verholfen, mich noch mehr mit mir auseinanderzusetzen. Es ist ein Reifeprozess, die Krankheit hat ihn beschleunigt.

Hat Sie erst die Diagnose Parkinson zur Weltenbummlerin gemacht?

Ich bin mein Leben lang schon immer viel gereist, habe es nach der Diagnose aber noch weiter verstärkt – wohl, weil mir die Zeit davonrennt. Ich weiß nicht, wie lange ich noch all die Dinge tun kann, die ich momentan tue. Wenn ich unterwegs bin, suche ich nach Unvorhersehbarkeit, Abenteuer und Intensität. So geht die Zeit langsamer vorüber als in einem normalen Alltag zu Hause, es ist eine Art, die Zeit festzuhalten. Momentan ist Reisen für mich noch relativ problemlos möglich. Wandern etwa ist für mich, seit ich 19 Jahre alt bin, ein sehr wichtiges Thema. Wegen der Krankheit kann ich mittlerweile aber keine großen Touren mehr machen, ich bin langsamer geworden. Auch wenn ich an einem großen Flughafen bin, wo man kilometerweit laufen muss, brauche ich wesentlich länger. Das muss ich mit einkalkulieren.

Inwieweit schränkt die Krankheit Sie beruflich ein?

Ich habe aufgehört, als Auftragsfotografin zu arbeiten und bin redaktionell journalistisch tätig. Daher bin ich mittlerweile viel am Computer. Da tippe ich jetzt halt nur noch mit der rechten Hand, die linke geht nicht mehr. Die Fotografie aber bleibt mir so lange erhalten, bis ich die Kamera nicht mehr halten kann.

Wie kam es dazu, dass Sie ein Buch veröffentlichen?

Ich hatte zuerst mit dem Blog begonnen. Daraufhin haben sich die Verlage bei mir gemeldet. Ein Buch zu schreiben, war also gar nicht meine Idee, und ich habe es vorrangig für mich gemacht. Es war eine Art Eigentherapie. Später habe ich gemerkt, dass es auch viele andere interessiert, und zwar nicht nur Menschen, die sich mit der Krankheit auseinandersetzen. Ich bekomme teils sehr schöne Zuschriften von Leuten. Einmal hat mir eine Frau geschrieben, sie habe mein Buch als Anlass genommen, um alleine eine einwöchige Wanderung zu machen. Ihre Kinder hatte sie währenddessen bei deren Vater gelassen.

Und wo verschlägt es Sie als Nächstes hin?

Bis November bleibe ich auf Formentera, dann geht es nach Portugal, Berlin und später weiter nach Rio de Janeiro. Ich vertrage die Kälte nicht. Ich habe zwar noch nicht diesen Tremor (Zittern, Anm. d. Red.), werde nur steif, aber bei Kälte ist es noch schlimmer.

Buch & Blog: "Wanderlust mit Mister Parkinson", Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 18 Euro; wanderlustwithp.com