Eine tagelange Wandertour quer durch die Tramuntana, von Andratx bis Pollença, hat einen würdigen Abschluss verdient. Nach Passieren des Hafens von Port de Pollença geht es im Zickzack bergauf und bergab, immer weiter bis in den nördlichsten Zipfel Mallorcas. Der Leuchtturm an der Spitze der Halbinsel kommt in Sicht, und am Cap de Formentor ist dann Schluss: endloses Meer, in der Ferne die Silhouette Menorcas, Ende der Reise.

Was schön klingt, ist bislang für die wenigsten Wanderer auf dem Fernwanderweg GR-221 eine Option. Die Ruta de Pedra en Sec, die sich quer durch die Tramuntana zieht, hört in der Praxis in Port de Pollença auf. Dabei könnte die Etappe Nummer acht, die an der Herberge Pont Romà bei Pollença beginnt und weiter Richtung Hafen führt, ganze 29 statt bislang nur knapp sieben Kilometer umfassen. Doch der Camí Vell del Far de Formentor, der einst zur Versorgung des Leuchtturms angelegt worden war, muss erst wieder hergerichtet und ausgeschildert werden. Seit dem Bau der Landstraße in den 1950er-Jahren war er sich selbst überlassen. Nicht nur Wegweiser fehlen, auch insgesamt mehr als 450 Wegstellen müssen ausgebessert werden, mehr als 1.000 Quadratmeter Steinmauern restauriert werden, wie die Fachleute des Inselrats festgestellt haben.

Mammutaufgabe GR-221 und GR-222

Der Camí Vell del Far ist nur eine von vielen Baustellen des Inselrats, in dessen Zuständigkeit die Ausschilderung der Wanderwege in der Tramuntana fällt. Allein auf dem 301 Kilometer langen GR-221 inklusive seiner Varianten müssen noch 130 Kilometer ausgewiesen werden, wie die zuständige Direktorin im Inselrat, Inma Férriz, im Gespräch mit der MZ einräumt. Eine Rolle spielt dabei vor allem das Wegerecht auf Privatgrund. Hier komme man beständig, aber nur langsam voran. Bislang habe man insgesamt 387 Kilometer offiziell ausgeschildert und zudem viele Projekte in der Pipeline (siehe Karte) – von La Trapa im Südwesten über den Coll de sa Gramola auf dem Landgut Galatzó oder den Coll de ses Bassetes bei Deià bis hin nach Formentor. „Auf dem GR-222 Artà-Lluc ist gerade das Teilstück Colònia de Sant Pere-Ca los Camps in Arbeit“, ergänzt Férriz. „Und ein anderes Teilstück, das wir bald öffnen wollen, ist der Camí de sa Torre Picada bei Sóller.“

Die Wege des Inselrats sollen möglichst viele Dörfer anbinden. | KARTE: CONSELL

In Grün: fertiggestellte Wanderwege

Rot gestrichelt: In Planung

Lila: Familienwege (Rutas familiares)

Die interaktive Originalkarte finden Sie hier (externer Link)

Hausaufgaben der Rathäuser

Wer sich über die vielerorts fehlende Ausweisung und Beschilderung von Wanderwegen auf Mallorca ärgert, darf nicht nur auf den Inselrat zeigen, die Sache ist komplizierter. Zwar hat der Inselrat eine Rahmenkompetenz. Doch viele öffentliche Landgüter fallen in die Zuständigkeit der Landesregierung. Und auch die Gemeinden sind in der Pflicht.

Jede Kommune bekam in den 1980er-Jahren vom Inselrat den Entwurf für ein Verzeichnis auszuweisender öffentlicher Wege, wie Tomeu Pizà erklärt, Bergführer und Dozent am Bildungsinstitut Ifoc in Calvià. Eine Reihe von Gemeinden habe jedoch ihre Hausaufgaben nicht gemacht – weil es andere Prioritäten gab oder Kosten gescheut würden. Ein kommunaler Weg muss schließlich in Schuss gehalten werden. Dass das Konsortium der Serra de Tramuntana jetzt den Gemeinden 20.000 Euro an Hilfen für die Katalogisierung bereitstelle, bringe hoffentlich Bewegung in die Sache.

In der Großgemeinde Calvià könne durchaus mehr passieren, räumt der zuständige Gemeinderat Rafel Sedano ein – zumal unter Federführung von Pizà bereits Projekte erarbeitet worden sind. Das betrifft Wege im Gebiet von Santa Ponça, Cala Fornells, aber auch Na Burguesa oberhalb von Palmas Viertel Gènova. Im politischen Alltag komme das Thema leicht unter die Räder, so Sedano. Bevor man loslege, brauche es aber auch ein gemeinsames Protokoll. „Bei Es Capdellà haben wir Schilder von Gemeinde, Inselrat und Landesregierung stehen. Es kann nicht sein, dass jeder sein eigenes Ding macht.

Dabei gebe es für dieses Problem eine einfache Lösung, argumentiert Xisco Fanals, Vorsitzender des Bergsportverbands auf den Balearen (FBME). Der spanische Dachverband biete homologisierte, international übliche Vorgaben an. Neben dem Fernwanderweg GR (Gran Recorrido, mehr als 50 Kilometer) seien das PR (Pequeño Recorrido, Wege ab zehn Kilometer, gelb-weiße Markierung) und SL (Sendero Local, Wege bis zehn Kilometer, grün-weiß). Doch wollten sich viele Gemeinden lieber mit eigenen Marken positionieren. Das habe einen Wildwuchs im Schilderwald zur Folge. So mancher Bürgermeister verschleppe auch das Thema, weil er sich Konflikte mit den Besitzern von Fincas ersparen wolle, über die öffentlich genutzte Wege führen. Und nicht zuletzt fehle es am nötigen Wissen. „Wandern ist Sport“, so Fanals. „Die Wege erfordern eine Wartung genauso wie ein Fußballplatz, auf dem Markierungen erneuert und Unkraut gejätet werden müssen.“

Pfeile, Steinmännchen, Farben?

Es ist eine ressourcenintensive Arbeit, im Inselrat hält sie 20 Personen auf Trab, von Sachbearbeitern über Arbeiterbrigaden bis hin zu den margers, wie die Meister des Trockensteinmauerbaus heißen. Die Holzschilder sowie die Pfeilpfosten, die an jeder Weggabelung stehen, werden in der inseleigenen Tischlerei in Son Bonet (Marratxí) gefertigt. Die Vorgaben sind detailliert, in der Schriftart Comic Sans wird neben Wegnummer und Ziel auch die durchschnittliche Wanderzeit aufgemalt. Man wolle aber jetzt die Vorgaben überarbeiten und auch die Kilometer angeben, so Politikerin Férriz.

Klar ist in jedem Fall, dass die Institutionen auf vertikale Wegmarkierungen setzen. Bergführer Pizà verweist dagegen auch auf das Potenzial horizontaler Markierungen. Farbpunkte am Boden wären eine zu prüfende landschaftsverträgliche Alternative – womit nicht die verpönten Spray-Kleckse gemeint sind, die sich auf abgelegenen Wegen finden. Und es gibt natürlich die traditionellen fitas, Steinmännchen, die aber vom balearischen Umweltministerium rigoros abgelehnt werden. Auf institutionell ausgewiesenen Wegen machten diese auch keinen Sinn, meint Autor und Wanderführer Joan Carles Palos, der seine Kultur- und Familientouren unter der Marke Fita a fita anbietet. Und dann gibt es natürlich noch GPS-Routen zum Herunterladen. Die neuen Technologien seien womöglich der Standard der Zukunft, meint Fanals – vorausgesetzt, die Daten stammen aus vertrauenswürdiger Quelle und man weiß damit umzugehen. Auch die GR-221-Routen gibt es vom Inselrat zum Download.

Bei der Frage, welche Routen der Consell ausweist, spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Naturerlebnis, Kulturerbe am Wegesrand, Sicherheit – jede neue Strecke muss zunächst auf Alternativen geprüft und im Detail begründet werden. Außerdem sollen möglichst viele Dörfer sowie Herbergen angebunden werden, auch die künftigen auf den Landgütern Galatzó und Raixa – das Ziel sind nicht Alternativrouten, sondern Verästelungen. Der neugefasste GR-221-Masterplan von 2022 sieht vor, dass die Zahl dieser variantes von 8 auf 16 steigt, deren Gesamtlänge von 129 auf 187 Kilometer.

Noch ein weiter Weg

„Wir haben noch einen weiten Weg vor uns“, meint Wanderautor Palos. Es sei aber schon viel passiert. Wichtiger als das Tempo sei, dass man kontinuierlich vorwärts komme und das Kulturerbe der Wege erschließe, bevor es in Vergessenheit gerate. Nach Ansicht von FBME-Sprecher Fanals dagegen wird die Geduld der Wanderer schon zu lange auf die Probe gestellt. Es könne nicht sein, dass im GR-221 auch nach 17 Jahren noch Löcher klafften und die offizielle Homologisierung durch den Verband ausstehe. Das sollte zumindest für das Teilstück Deià–Pollença endlich geschehen. Würden Wege besser ausgewiesen, beuge man auch der Massifizierung auf Routen wie dem Erzherzogsweg bei Valldemossa vor, weil sich die Wanderer dann besser verteilten.

Das Thema der Homologisierung müsse noch mit dem FBME besprochen werden, so Férriz, dazu könne man sich derzeit nicht äußern. Und auch wenn jetzt viele Projekte am Laufen seien, werde man sich gut überlegen, welche Wege man noch ausweise – und auf keinen Fall die Werbetrommel rühren. „Die Serra braucht kein Marketing. Bekanntheit und Besucherzahl sind ausreichend“, sagt Ferriz.

Information

Inselrats-Strecken mit Karten und GPS-Daten unter caminsdepedra.conselldemallorca.cat