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Nachtflugverkehr auf Mallorca: Warum in Palma Flieger rund um die Uhr landen dürfen

Der Flughafen Palma ist rund um die Uhr in Betrieb – welche Maßnahmen die Anwohner vor Fluglärm schützen und wie sich diese Belastung auf Körper und Geist auswirkt

Bis zu 100 Flieger starten oder landen jede Nacht am Flughafen Palma.

Bis zu 100 Flieger starten oder landen jede Nacht am Flughafen Palma. / Jan Woitas/dpa

Sarah López

Sarah López

Dieser Mallorca-Urlaub endete reichlich verunglückt: Nach einem Unwetter vor ein paar Wochen startete eine Maschine in Palma mit vier Stunden Verspätung erst um 22.15 Uhr. Am Zielort Berlin durfte der Flieger dann kurz nach Mitternacht nicht mehr landen – am Flughafen BER herrscht Nachtflugverbot, nach 0 Uhr startet und landet dort keine Maschine mehr bis zum nächsten Morgen.

In Palma ist das anders. Der Airport Son Sant Joan kann theoretisch rund um die Uhr angeflogen werden. Es scheint paradox: Während der Flugverkehr in eine der größten Metropolen Europas nachts ruht, empfängt eine kleine Mittelmeerinsel gerade in der Hochsaison noch spät in der Nacht Flieger. Der Tourismus gibt eben den Takt vor. Dazu kommt, dass Mallorca für den Gütertransport, abgesehen vom Seeweg, auf den Flugverkehr angewiesen ist. In der Bevölkerung stößt der nächtliche Flugverkehr – anders als in Deutschland – auf wenig Kritik. Mitte September gab es eine Kundgebung gegen Nachtflüge – gerade einmal sechs Demonstranten fanden sich ein. In Spanien gibt es keinen einzigen Flughafen mit einem expliziten Nachtflugverbot.

Um das Prozedere am Flughafen Palma zu verstehen, muss man zunächst wissen: Der Flugverkehr verteilt sich in Son Sant Joan auf zwei parallele Start- und Landebahnen mit jeweils zwei Abschnitten. Häufiger wird die westliche Bahn mit den Abschnitten 06L und 24R genutzt (die im Schaubild obere) – tagsüber wie nachts. Im August 2025 liefen laut Flughafenbetreiber Aena 82 Prozent aller Starts und Landungen über diese Piste.

Die zwei Pisten  mit vier Abschnitten am Son Sant Joan.

Die zwei Pisten mit vier Abschnitten am Son Sant Joan. / Aena

Nachts ist wenig Verkehr

Auch wenn der Flughafen rund um die Uhr in Betrieb ist, heißt das nicht, dass die ganze Nacht über Flugzeuge starten oder landen. Ein Beispiel eines gewöhnlichen Abends am Airport: Der letzte Abflug am Montagabend (6.10.) Richtung Madrid verlässt die Insel um 23.40 Uhr. Etwas später landet um 1.15 Uhr der erste Flieger aus Hamburg. Danach gibt es für fast drei Stunden wieder keine Flüge mehr. Am Morgen um 4 Uhr geht der nächste Flug, diesmal wieder nach Hamburg. In Zeiten mit wenig Passagieraufkommen sind nachts hauptsächlich Rettungs- und Frachtmaschinen im Einsatz.

Als Nachtflugzeiten gelten laut Definition des Flughafenbetreibers Aena im Sommer die Zeiträume zwischen 21 und 5 Uhr und im Winter von 22 Uhr bis 6 Uhr. In diesen Stunden ist weniger Flugbetrieb. Im August 2025 gab es 46 Stunden, in denen auf den Start- und Landebahnen 24R und 06L keinerlei Flugbewegungen stattfanden – auf den weniger genutzten Abschnitten der Ostpiste herrschte sogar insgesamt 68,5 Stunden völlige Ruhe.

Andersherum bedeutet das aber auch: Nachts ist tatsächlich einiges los. Allein im August 2025 kam es zu 3.313 Flugbewegungen in der Nacht – das sind über 100 Flüge pro Nacht. Der August ist traditionell der Monat mit den meisten Nachtflügen. Im Januar desselben Jahres waren es nur 609 Nachtflüge. Die meisten Starts und Landungen erfolgen auch nachts auf der Westpiste. Die Bahn 06R darf – außer in Ausnahmesituationen – während der Nachtstunden nicht für Landungen genutzt werden.

Grenzen beim Flugverkehr auf Mallorca gibt es nur beim Lärmpegel, nicht bei der Zahl der Flüge. Für die Umgebung des Flughafens Palma schreibt ein Königliches Dekret vor, dass tagsüber höchstens 60 Dezibel und nachts 50 Dezibel zulässig sind. In den angrenzenden Wohnvierteln wie Sant Jordi, Coll d’en Rabassa, Can Pastilla, Son Gual und Sa Casa Blanca werden diese Werte regelmäßig erreicht: 2024 lag der durchschnittliche Geräuschpegel zwischen 50 und 55 Dezibel. Zum Vergleich: Ein normales Gespräch liegt bei rund 60 Dezibel.

Massnahmen gegen Lärm

Damit die Bewohner rund um den Flughafen – besonders nachts – nicht zu stark vom Fluglärm betroffen sind, setzt Aena seit Jahren auf verschiedene Maßnahmen. Eine davon ist der Continuous Descent Approach (CDA), ein gleichmäßiger, flacher Anflug, bei dem die Triebwerke mit weniger Schub arbeiten – was den Lärm reduziert. Trotzdem bleiben die Maschinen hörbar. Rund 4.934 Wohnungen im Umfeld des Flughafens haben daher Anspruch auf akustische Isolierung – meist durch den Austausch von Fenstern und Außentüren. Diese Arbeiten werden vollständig von Aena finanziert, sofern im Inneren der Wohnung tagsüber mehr als 60 Dezibel oder nachts mehr als 50 Dezibel gemessen werden.

Auf der Website der Stadt Palma findet sich eine Liste der berechtigten Adressen mit Katasternummern. Bis November 2024 – aktuellere Zahlen gibt es nicht – haben nur 1.589 Haushalte die Isolierungsmaßnahmen in Anspruch genommen.

Wie sich Fluglärm auf den Schlaf auswirkt

Für den deutschen Luftfahrtexperten Cord Schellenberg ist das keine Überraschung. „Für manche Anwohner lohnt sich der Aufwand schlicht nicht“, sagt er. Dennoch betont Schellenberg, dass Fluglärm ein ernst zu nehmendes Problem sei – vor allem in den Nachtstunden. „Beschwerden über Fluglärm sind häufiger als bei Bahn- oder Straßenlärm“, erklärt er. In Deutschland gelte daher an vielen Flughäfen ein Nachtflugverbot, etwa in seiner Heimatstadt Hamburg.

Der Madrider Wissenschaftler César Asensio, Experte für Sensorik und Lärmmodellierung an der Technischen Universität Madrid, untersucht seit Jahren, wie sich Fluglärm auf die Gesundheit auswirkt. Seine Studien zeigen, wie belastet der Lärm in der Nacht für Körper und Geist sein können: Er führt häufig zu Einschlafproblemen, wiederholtem Aufwachen und einer deutlich schlechteren Schlafqualität. Selbst wenn Betroffene nicht vollständig aufwachen, reagiert der Körper – mit erhöhtem Blutdruck, beschleunigtem Herzschlag und der Ausschüttung von Stresshormonen. Dauerhaft gestörter Schlaf steht in engem Zusammenhang mit Bluthochdruck, Herzinfarkt, Schlaganfall und einem gestörten Hormonhaushalt.

Langfristig steigt dadurch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vorzeitige Sterblichkeit. Auch die seelischen Folgen sind nicht zu unterschätzen: Menschen, die regelmäßig nächtlichem Fluglärm ausgesetzt sind, leiden häufiger unter Müdigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsproblemen oder Angstzuständen. Bei Kindern kann die Dauerbelastung zu Lern- und Aufmerksamkeitsstörungen führen. Hinzu kommt die psychische Belastung durch den Lärm.

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