„Die Insel überrascht mich weiter“: Mallorcas TV-Wanderführer Vicenç Sastre verrät seine Lieblingsrouten
Der Mallorquiner erzählt über empfehlenswerte Touren, Begeisterung für die Natur und seinen Eindruck von den Deutschen

Ist auch gerne an der Küste von Llucmajor unterwegs: Viçenc Sastre. / privat
Vicenç Sastre sagt, er habe sein halbes Leben in der Serra de Tramuntana verbracht. Der 73-Jährige erkundete die Natur Mallorcas erst mit der Familie, später als Guide und TV-Moderator der Wandersendung „Passejades“ beim Balearen-Sender IB3. Zudem hat er verschiedene Wanderbücher über Mallorca veröffentlicht und bei Touren der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ und des Inselrats als Wanderführer gearbeitet. Im Gespräch verrät der Mallorquiner, welche Routen auf der Insel ihm besonders am Herzen liegen – und wie er deutsche Wanderer wahrnimmt.
Wie sind Sie zum Wandern gekommen?
Angefangen habe ich als Kind. Mit meinen Eltern und Geschwistern haben wir Ausflüge gemacht, mit dem Fahrrad und zu Fuß. Wir hatten damals kein Auto, das öffentliche Verkehrsnetz war schlecht. Also sind wir bis zu einem bestimmten Punkt mit dem Rad gefahren und dann zu Fuß weiter, zum Beispiel in den Bergen bei Calvià oder am Puig de Garrafa in der Nähe von Andratx. Das hat mich geprägt. Heute bin ich mit 73 Jahren immer noch aktiv unterwegs. Es geht nicht nur um Bewegung, sondern auch darum, die Insel immer wieder neu zu entdecken – Quellen, alte Wege, archäologische Orte. Mallorca überrascht mich weiter.
Gibt es für Sie eine „Lieblingsgegend“?
Ich stamme ursprünglich aus Llucmajor im Süden der Insel. Dort gibt es keine hohen Berge, aber eine Landschaft, die mir ganz besonders am Herzen liegt. In der Umgebung finden sich einige archäologische Schätze, die allerdings nicht immer leicht zugänglich sind. Archäologie interessiert mich sehr – sie war und ist für mich auch eine Möglichkeit, Mallorca auf eine andere Weise kennenzulernen. Schade ist nur, dass in dieser Region – wie vielerorts auf Mallorca – inzwischen viele Wege privatisiert und nicht mehr öffentlich zugänglich sind. Ich liebe nicht nur das Landesinnere, sondern auch die Küste der Gemeinde Llucmajor. Doch auch dort zeigt sich ein ähnliches Bild: Es ist eine Küste, die inzwischen sehr bebaut ist.
Welche Touren können Sie Familien mit Kindern empfehlen?
Mit Kindern ist Sicherheit das Wichtigste. Deshalb empfehle ich Klassiker wie das Gebiet rund um Lluc. Die öffentliche Finca Galatzó eignet sich ebenfalls hervorragend für einen Ausflug. Sehr schön ist auch der Parc Natural de la Península de Llevant bei Artà, etwa der Camí d’es Caló bis zur Ermita de Betlem – den kann man auch mit Kindern gut gehen. Der Weg startet in der Colònia de Sant Pere und führt an der Küste entlang. Und im Winter, wenn es ruhiger ist, eignet sich für die Kleinen etwa der Spaziergang entlang des Hafens von Sóller, vom Leuchtturm bis zur Ermita de Santa Catalina.
Und Ihre Tipps für erfahrene Wanderer?
Für Geübte ist der Puig de Massanella ein Klassiker. Er ist nur über Privatgelände zu erreichen, man zahlt eine kleine Gebühr. Es gibt mehrere schöne Routen, um diesen Berg zu besteigen. Einige davon sollte man allerdings gut kennen und sich vorher informieren, denn sie sind mit einem gewissen Risiko verbunden. Mein Favorit ist hier der Camí dels Nevaters, der Weg der früheren Eissammler. Er startet in der Nähe von Lluc, am Coll de sa Batalla. Auch den Wanderweg Puig de sa Mola d’en Galileu im Westen der Insel ist empfehlenswert. Er ist gut ausgeschildert, gehört zur Trockensteinroute GR-221, und man braucht etwa zwei Stunden bis zum Gipfel.
Ihre Tipps, um Wandern mit Kultur oder Geschichte zu verbinden?
Sehr zu empfehlen sind Pollença und Alcúdia mit ihren historischen Ortskernen. Von dort aus führen viele schöne Wege ins Umland. Unmittelbar in der Nähe von Port d’Alcúdia etwa der Weg zur Punta de Manresa mit einem herrlichen Ausblick. In Pollença lohnt der Aufstieg zum Puig de Maria mit dem alten Kloster. Spannend ist auch die Finca Son Real an der Küste von Santa Margalida, wo sich direkt am Meer ein einzigartiges prähistorisches Gräberfeld befindet, die Nekropole von Son Real.
Welche Wanderführer können Sie empfehlen?
Für die Serra de Tramuntana kann ich „GR-221. Mallorca. Ruta de pedra en sec“ empfehlen; es gibt ihn auch auf Deutsch. Das Buch „Pla de Mallorca. Costes de Llevant i Migjorn“ mit Routen im Süden Mallorcas ist auf Spanisch, Katalanisch und Englisch erhältlich. Oft reichen jedoch schon Karten, um sich zurechtzufinden – selbst wenn man die Sprache nicht beherrscht. Von Joan Carles Palos, einem derjenigen, die sich meiner Meinung nach am besten mit den Wanderwegen auf Mallorca auskennen, gibt es außerdem eine Reihe von fünf Wanderführern mit familienfreundlichen Routen in verschiedenen Regionen der Insel. Sie heißen „20 rutes en família per Mallorca“.
Was halten Sie von Wander-Apps?
Wander-Apps benutze ich persönlich nicht. Ich bleibe lieber bei klassischen Papierkarten, so wie man es früher im 20. Jahrhundert gemacht hat. Das ist für mich übersichtlicher und irgendwie stimmiger. Dennoch halte ich die Apps für ein großartiges Werkzeug, welches dazu beiträgt, junge Menschen zum Wandern zu animieren.
Wie steht es um den aktuellen Zustand der Wanderwege?
Es gibt viele schöne Strecken, doch die Ausschilderung ist oft unzureichend. Gerade für die Sicherheit der Besucher wäre mehr Orientierung wichtig – klar markierte Wege und Basisinformationen könnten viele Rettungseinsätze verhindern. Leider investieren manche, auch wohlhabende Gemeinden kaum in die Instandhaltung. Das ist nicht nur bedauerlich, sonder kann sogar gefährlich werden.
Wie erleben Sie deutsche Wanderer?
Heute stellen Wanderer aus Deutschland und dem deutschsprachigen Raum eindeutig die Mehrheit auf der Insel. Viele kommen in organisierten Gruppen, oft mit eigenen Guides und guter Vorbereitung. Daneben trifft man aber auch viele jüngere Wanderer oder Paare, die auf eigene Faust unterwegs sind. Manchmal begegnet man ihnen sogar an heißen Sommertagen, wo man eigentlich niemanden erwartet – dann wirken sie gelegentlich etwas verloren, weil sie die Gegend nicht so gut kennen. Aber sie suchen bewusst das andere Mallorca, abseits von Strand und Party.
Welche Stellung hat das Wandern in der mallorquinischen Kultur?
Wenn wir ein Jahrhundert zurückgehen, war es völlig unüblich, dass jemand einfach so auf einen Berg in der Nähe seines Dorfes gestiegen ist. Ausnahmen waren nur die Hirten, Bauern oder Köhler – für sie war das tägliche Arbeit. Diese Menschen waren die eigentlichen „Wanderer“ ihrer Zeit. Mit ihnen habe ich als junger Mann in der Serra de Tramuntana viel Zeit verbracht und viel gelernt: wie man sich orientiert, wie man sich sicher bewegt, selbst in schwierigem Gelände. Heute sehe ich bei den jüngeren Generationen ein wachsendes Interesse an diesem Erbe. Sie interessieren sich nicht nur für die Natur, sondern auch für Kulturdenkmäler: alte Kirchen, Talaiots (archäologische Turmbauten) oder andere archäologische Stätten. Da ist eine große Neugier vorhanden, quer durch alle Altersgruppen – sogar bei den Kindern. Wanderungen, die Natur mit Geschichte verbinden, sind deshalb besonders wertvoll. Sie schaffen Bewusstsein dafür, dass wir diese Schätze bewahren müssen.
„Spaziergänge“
Bei der Wandersendung „Passejades“ beim BalearenSender IB3 nehmen die Moderatoren Vicenç Sastre und Glòria Franquet seit sieben Jahren die Zuschauer auf ihre Wandertouren auf den Balearen mit. Es handelt sich um einfache Routen, eher um Spaziergänge. Dabei plaudern sie mit Menschen entlang des Weges und erzählen von Geschichte und Natur. Zu sehen jeden Samstag um 15.20 Uhr im linearen Programm des BalearenSenders IB3 oder online über ib3.org/passejades
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