Die 183-Tage-Regel zur Ansässigkeit in Spanien: Lehren aus dem Fall Shakira

Was die Anklage gegen die Sängerin wegen Steuerhinterziehung zeigt

Shakira soll in den Jahren 2012 bis 2014 nicht auf den Bahamas, sondern an mindestens 183 Tagen im Jahr in Spanien gelebt haben.  | FOTO: DM ARCHIV

Shakira soll in den Jahren 2012 bis 2014 nicht auf den Bahamas, sondern an mindestens 183 Tagen im Jahr in Spanien gelebt haben. | FOTO: DM ARCHIV / Rainer Fuchs

Rainer Fuchs

Vier Jahre lang hat Shakira über ihre Anwälte mit den spanischen Steuerbehörden vergeblich verhandelt – jetzt wurde die weltbekannte 45-jährige Künstlerin („Waka Waka“) wegen Steuerhinterziehung in Barcelona angeklagt. Acht Jahre Haft und eine Geldstrafe von 23,8 Millionen Euro fordert die spanische Staatsanwaltschaft.

Warum? Sie soll in den Jahren 2012 bis 2014 nicht im Steuerparadies auf den Bahamas, sondern an mindestens 183 Tagen im Jahr in Spanien gelebt haben. Damit wäre sie hier auch steuerpflichtig gewesen. Und sie ist bei Weitem nicht die einzige prominente Person, auf die der spanische Fiskus ein Auge geworfen hat. So musste der Fußballprofi Lionel Messi zwölf Millionen Euro Steuern nachzahlen und konnte eine Haftstrafe nur durch Zahlung einer Viertelmillion Euro abwenden. Cristiano Ronaldo musste 2018 insgesamt 18,8 Millionen Euro an Steuern nachzahlen.

Was bedeutet das für die deutschen Residenten in Spanien?

Nun werden nur die wenigsten Leser einen weiteren Wohnsitz im einem der Steuerparadiese dieser Welt haben, sondern doch eher in Deutschland, wo insgesamt gesehen ähnliche Steuersätze gelten wie in Spanien. Auch wird es nicht so schnell um mehrstellige Millionenbeträge gehen. Allerdings liegt der Spitzensteuersatz in Spanien mit 52 Prozent deutlich höher als in der Heimat mit 46 Prozent.

Wird aufgedeckt, dass jemand in Wahrheit in Spanien steuerpflichtig war, so kann die Steuer der vergangenen vier Jahre nachgefordert werden – das sind unter Umständen beträchtliche Beträge. Außerdem drohen in Spanien besonders hohe Strafzahlungen für den Fall, dass die Steuer nicht ordnungsgemäß erklärt wird – im Fall von Shakira ein Millionenbetrag –, ganz abgesehen von der möglicherweise drohenden Haftstrafe.

Worauf kommt es an, wenn deutsche Residenten die spanische Steuerfalle vermeiden wollen? Auf die 183-Tage-Regel!

Das deutsch-spanische Doppelbesteuerungsabkommen sowie die nationale spanische Gesetzgebung legen fest, dass es für die Steuerpflicht – vereinfacht gesagt – darauf ankommt, in welchem Staat man überwiegend lebt oder wo der Lebensmittelpunkt liegt. Im Steuerrecht wird statt vom Wohnsitz von der Ansässigkeit in dem einen oder dem anderen Staat gesprochen. Dies wird im Normalfall mit der 183-Tage-Regel festgestellt: Wo der Steuerpflichtige mehr als die Hälfte des Jahres gelebt hat, dort muss er seine Steuern zahlen.

Der brave Deutsche wird sich in diesem Fall mit dem „Modelo 030“ bei seinem zuständigen Finanzamt anmelden. Außerdem wird er mit dem „Modelo 720“ seinen Besitz in Deutschland erklären, sofern dessen Wert 50.000 Euro übersteigt.

Das alles hat nichts zu tun mit der Anmeldung bei der Gemeinde (empadronamiento) und der nach drei Monaten Aufenthalt vorgeschriebenen Registrierung bei der Ausländerbehörde (registro). Beides sagt bekanntlich nichts aus über die Ansässigkeit oder den wahren Lebensmittelpunkt, kann aber von den Finanzbehörden als Indiz für eine Ansässigkeit genommen werden, das dann von Ihnen widerlegt werden muss.

Auch die NIE, die wohl jeder besitzt, der sich etwas länger in Spanien aufhält, ist lediglich die spanische Steuernummer für Ausländer. Sie ist Voraussetzung für fast jede wirtschaftliche Betätigung, von der Eröffnung des Bankkontos bis zur Zahlung der Stromrechnung, sagt aber nichts über Ansässigkeit und Wohnsitz aus.

Allerdings haben Sie bei der Beantragung der NIE ein Feld angekreuzt: residente oder no residente. Da sollten Sie darauf achten, gegebenenfalls no residente anzukreuzen – anderenfalls geraten Sie sofort in den Fokus der spanischen Steuerbehörde!

Wie wird ermittelt, ob jemand 183 Tage im Jahr in Spanien lebt oder dort seinen Lebensmittelpunkt hat?

Werden die Finanzbehörden erst einmal auf einem möglichen Steuersünder aufmerksam, sind sie bei der Ermittlung inzwischen sehr findig. Sie untersuchen die Strom- und Wasserrechnungen, Bankauszüge und Kreditkartenabrechnungen. Deshalb sollten alle Reisen nach Deutschland und zurück nach Spanien genau dokumentiert und Reisebelege unbedingt verwahrt werden.

Aber selbst wenn Sie letztendlich auf mehr als 183 Tage in Spanien kommen, ist nicht alles verloren. Sie können Ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland auch dadurch nachweisen, dass Sie besonders enge Bindungen nach Deutschland haben. Primär geht es um eine Berufstätigkeit in Deutschland, zum Beispiel auch im Homeoffice. Wichtig ist aber auch der private Bereich. So können Ehepartner und Kinder im deutschen Eigenheim leben, pflegebedürftige Eltern zu betreuen sein, Mitgliedschaften in Vereinen bestehen, auch Parteiämter wahrzunehmen sein, regelmäßig deutsche Ärzte aufgesucht werden. Diese Liste ist nicht vollständig, und sie kann zu erweitern sein, wenn die Beispiele die enge Beziehung zu Deutschland belegen, wo der Lebensmittelpunkt liegen muss.

Die berühmte (Schein-)Wohnung bei den Kindern in Deutschland ist hingegen keine gute Idee. Im Ernstfall ist eine solche Briefkastenadresse wertlos. Hilfreich kann aber eine „Ansässigkeitsbescheinigung“ des deutschen Finanzamtes sein, die dem spanischen Fiskus allerdings nicht immer genügt.

Fazit

Wer eine deutsche gesetzliche Rente bezieht oder bei der Ausländerbehörde registriert ist, muss damit rechnen, Post vom Finanzamt zu erhalten. Spanische und deutsche Steuerbehörden tauschen ihre Erkenntnisse aus. Wenn Sie das Gefühl haben, Ihren Lebensmittelpunkt in Spanien zu haben, aber vom Fiskus noch nicht angeschrieben wurden, stellt sich die Frage, wie Sie sich verhalten sollten. Ob die spanische Steuer unter Berücksichtigung des Doppelbesteuerungsabkommens für Sie nachteilig ist, kann letztlich nur ein Steuerberater beurteilen.

Wenn Sie weiter „unter dem Schirm“ bleiben wollen, denken Sie bitte daran, dass an Ihren Lebensmittelpunkt weitere Rechtsfolgen geknüpft sind, wie die Vermögen- und Erbschaftsteuer, aber auch die Frage, ob deutsches oder spanisches Erbrecht gilt. Letzteres kann posthum zu großen Streitigkeiten führen, weil im spanischen Erbrecht zum Beispiel Ehepartner gegenüber den Kindern stark benachteiligt werden.

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