Der Fiskus hatte da noch ein paar Fragen. Vergangene Woche wurde ein Schweizer Mallorca-Resident beim Finanzamt einbestellt, um die Angaben zu seinem Auslands­vermögen im sogenannten Modelo 720 zu belegen. Vor allem ein starker Zuwachs auf einem der Konten hatte die Steuerprüfer misstrauisch gemacht. Doch Alejandro del Campo, der Steuerberater des Schweizers, war in diesem Fall unbesorgt, wie er sagt: Der Vermögenszuwachs sei durch eine Erbschaft leicht zu erklären, sein Mandant könne ruhig schlafen.

Bei vielen anderen Residenten mit Auslandsvermögen dagegen liegen die Nerven blank. Das gefürchtete Modelo 720, das einem Offenbarungseid gleichkommt und seit Anfang 2013 Steuer-Inländer mit Konten, Immobilien oder sonstigen Wertanlagen im Ausland von jeweils mehr als 50.000 Euro in die Pflicht nimmt, hat seine ersten Opfer gefordert. Darunter sind eine Reihe prominenter Politiker, aber auch ein Rentner aus Andalusien: Der Mann wurde wegen Konten in der Schweiz, auf denen er 340.000 Euro hatte und die er nach Ablauf der Frist im April 2013 angegeben hatte, zu einer Strafzahlung von knapp 440.000 Euro verdonnert.

Das größte Problem: Die meisten Betroffenen hatten von der Einführung des Offenbarungseids schlichtweg nichts mitbekommen. Auf den Weg gebracht wurde das Modelo 720 im Oktober 2012 - kurz bevor die Steueramnestie in Spanien auslief, die deutlich weniger Einnahmen in die Kasse spülte als erhofft. Gerade einmal 131.411 Personen gaben die Erklärung in dem kurzen Zeitraum bis Ende April 2013 für das Steuerjahr 2012 ab - verpflichtet gewesen sein dürften mehr als zwei Millionen. Die MZ hatte zwar ausführlich über die „Steuerbombe" berichtet, in den meisten anderen Medien dagegen spielte das Modelo 720 keine so große Rolle.

„Viele haben erst Monate später davon erfahren", so Anwalt und Steuerberater del Campo von der Kanzlei DMS Consulting, „die Zeit war knapp bemessen." So mancher habe deswegen das Modelo 720 nachträglich eingereicht, um seinen guten Willen unter Beweis zu stellen. Doch diese Strategie werde nun durch die Rekordstrafe in Andalusien in Frage gestellt.

Ähnlich sind die Erfahrungen in der Kanzlei European Accounting in Palma. „Die anfängliche Nervosität ist einer allgemeinen Ratlosigkeit gewichen", heißt es dort. Es sei eine Situation, „die man sonst aus Dritte-Welt-Ländern kennt". Das „absurde Gesetz" gebe dem Fiskus angesichts schwer erfüllbarer Auflagen, nicht übersetzbarer Fachbegriffe im Fall von ausländischen Mandanten und geänderter Kriterien jede Menge Mittel an die Hand, die Betroffenen quasi willkürlich zu bestrafen. Und gerade diejenigen, die nachträglich ihr Vermögen offenlegten, geraten offenbar ins Visier des Fiskus.

Das harte Vorgehen des Fiskus hat aber auch etwas Gutes: Der Fall des andalusischen Rentners - er ist das erste in Spanien bekanntgewordene Opfer der Steuer­behörden - liefert del Campo wertvolles Argumentationsmaterial für eine Klage vor der EU-Kommission, die er Anfang 2013 wegen Verletzung der im EU-Vertrag garantierten Freizügigkeit eingereicht hatte. „Dieser Fall ist perfekt", so der Anwalt. Die Kommission hatte in ihrer Stellungnahme Ende 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien in Erwägung gezogen, weil die hohen Sanktionen nicht verhältnismäßig erscheinen und der Grundsatz der Verjährung ausgehebelt werden könnte. Allerdings verwies die Kommission auch auf das Fehlen konkreter Fälle und Beweise - zumal Spanien argumentiert hatte, die Sanktionen nicht generell und automatisch zu verhängen.

Jetzt gibt es einen solchen Fall, und del Campo hat den Prüfbericht des Fiskus, den ihm sein andalusischer Kollege zusandte, postwendend nach Brüssel weitergeleitet. Dass die Strafe unverhältnismäßig ist, liegt für del Campo auf der Hand: Berechnet wurden 185.000 Euro Einkommensteuernachzahlung plus 150 Prozent Strafe plus Verzugszinsen - die vom Fiskus verlangte Summe liegt damit rund 100.000 Euro über dem eigentlichen Vermögen. Und auch das Prinzip der Verjährung, das bei Steuerdelikten in Spanien eigentlich nach vier Jahren greift, werde mit Füßen getreten: Das Geld des Andalusiers in der Schweiz stammte aus dem Verkauf eines Unternehmens vor rund 20 Jahren.

Strategie eins: Vogel Strauß - ich habe nichts mitbekommen

Da scheint es nur verständlich, dass Steuerinländer mit Vermögen im Ausland, die das Modelo 720 nicht abgegeben haben, die Strategie Vogel Strauß anwenden und so tun, als hätten sie nichts mitbekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Steuerbehörde dem Vermögen dennoch auf die Spur kommen, ist aber hoch. Del Campo verweist auf ein Abkommen vom Oktober 2014, in dem sich mehr als 50 Staaten über den automatischen Informations­austausch in Steuersachen einig wurden. Gemeldet werden unter anderem Kapitalerträge wie Zinsen und Dividenden, Kontengut­haben oder Erlöse aus dem Verkauf von Finanzanlagen. „Der Informa­tionsaustausch wird von Tag zu Tag effizienter", so del Campo - womit gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit wachse, entdeckt zu werden.

Andererseits können die Betroffenen auf Brüssel hoffen. Sollte die EU-Kommission ein Verfahren gegen Spanien einleiten, hätten sie Argumente zur Hand. Freilich dauert das seine Zeit - während das Risiko, entdeckt zu werden, weiter steigt. In jedem Fall sollten Betroffene nicht „in Panik eine nachträgliche Erklärung einreichen", rät man bei European Accounting, sondern sich zuvor umgehend beraten lassen.

Strategie zwei: keine Panik - ich nutze Ausnahmen

Gerade im Fall von ausländischen Residenten gibt es unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, den Offenbarungseid ohne Risiko nachträglich zu leisten. Ein solcher Fall liegt laut del Campo zum einen vor, wenn das im Modelo 720 nicht offengelegte Auslandsvermögen bereits steuerlich deklariert worden sei und man dies eindeutig belegen könne. Zum anderen seien die Mandanten aus dem Schneider, wenn sie zum Zeitpunkt des Erwerbs der Vermögenswerte keine Residenten in Spanien gewesen seien. In beiden Fällen sei es angeraten, das Modelo 720 so schnell wie möglich beim Finanzamt nachzureichen.

Strategie drei: volles Risiko - ich reiche die Erklärung nach

Aber auch, wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, gibt es Argumente für den nachträglichen Offenbarungseid. Zum einen bekundet der Betroffene so seinen guten Willen und lässt den spanischen Fiskus, so er drakonische Strafen verhängt, erst recht ­gegenüber Brüssel in einem schlechten Licht erscheinen. Zum anderen muss er im Fall von ­falschen oder unvollständigen Angaben paradoxerweise geringere Geldbußen fürchten als diejenigen, die fristgerecht eingereicht haben. Können prinzipiell für jede falsche Angabe 5.000 Euro berechnet werden, sinkt dieser Betrag auf 100 Euro pro falscher Angabe in einer nachträglichen Erklärung - wobei die Mindeststrafe bei 1.500 Euro liegt.

Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass sich der Steuerzahler letztendlich dem Fiskus ausliefert und das Vermögen ähnlich wie im andalusischen Präzedenzfall praktisch „konfisziert" werden kann. Del Campo spricht denn auch drastisch von einem suicidio fiscal, einem „steuerlichen Selbstmord".

Strategie vier: Buße tun - ich zahle freiwillig nach

Es gibt aber noch eine vierte Strategie - nachträglich das Vermögen offenlegen und die Einkommensteuer nachzahlen. Man bedenke: Nicht im Modelo 720 erklärte Vermögenswerte im Ausland werden als nicht gerechtfertigter Vermögenszuwachs gewertet und bei der Einkommensteuer nachträglich besteuert. So umgehe man nicht nur eine mögliche Geldstrafe von 150 Prozent, so del Campo, man könne später sogar die Rückzahlung des nachgezahlten Betrags beantragen.

Dass Madrid das Modelo 720 von sich aus aufweicht oder abschafft, ist derzeit nicht zu erwarten - insbesondere, nachdem auch prominente Opfer darüber gestolpert sind (re.). Alle Augen richten sich deswegen auf die EU. Falls die Kommission Madrid nicht auf die Füße trete, so del Campo, bleibe immer noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof.