Ab 2023 gibt es auf Mallorca klare Regeln für Erbschaften zu Lebzeiten

Ein einstimmig vom Balearen-Parlament verabschiedetes Gesetz schafft ab Januar die Unsicherheit bei den sogenannten „pactos sucesorios“ aus der Welt

Der Teufel steckte bei den Erbschaften zu Lebzeiten auf den Balearen oftmals im Detail.

Der Teufel steckte bei den Erbschaften zu Lebzeiten auf den Balearen oftmals im Detail. / Ingimage

Guillem Porcel

Erbschaften zu Lebzeiten haben auf den Mallorca und den Nachbarinseln seit ein paar Jahren Hochkonjunktur. Die Zahl der sogenannten pactos sucesorios stieg von 2014, als es gerade einmal 30 dieser Nachlässe auf den Inseln gab, auf 2.040 im Jahr 2016 und 4.198 im Jahr 2020 an – unter anderem, weil sie deutlich niedriger besteuert werden als Schenkungen. Grund genug, die Nachlässe mit einem eigenen Gesetz zu regeln.

Mitte November erschien dann das neue Gesetz zu Erbschaften zu Lebzeiten, das sich auf Spanisch „Ley de herencias en vida“ oder auch „Ley de sucesión voluntaria paccionada o contractual“ nennt, im balearischen Gesetzesblatt BOIB. In Kraft treten wird es Mitte Januar 2023. Zuvor hatte das Balearen-Parlament das Gesetz Ende Oktober in seltener Einstimmigkeit verabschiedet. Für die MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca“ hat der Vorsitzende des Beratergremiums für die Ausarbeitung des Gesetzes, Bartomeu Bibiloni von der Steuerberatungskanzlei DMS Consulting in Palma, die wichtigsten Aspekte zusammengefasst.

Kompetenzen

Voraussetzung dafür, dass die Balearen überhaupt an dieser Stelle als Gesetzgeber eingreifen können, ist die Tatsache, dass die Autonomen Regionen in Spanien zumindest teilweise ein eigenes Zivilrecht haben. So können die Balearen beispielsweise das eigene Zivilrecht bewahren, modifizieren oder auch weiterentwickeln. Das Balearen-Parlament hatte bis dato kaum von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Warum überhaupt ein Gesetz?

Das neue Gesetz mit seinen insgesamt 80 Artikeln soll den Prozess der Erbschaften zu Lebzeiten erleichtern. Damit sollen in Zukunft rechtliche Unsicherheit und Missverständnisse vermieden werden. Ein Anliegen des Vorstoßes zu dem neuen Gesetz war unter anderem, dass die Arbeit der Gerichte erleichtert werden soll, die in der Vergangenheit zahlreiche dieser Nachlässe ohne eine gesetzliche Grundlage abwickeln mussten. Häufig war es zu Fehlinterpretationen gekommen.

Möglichkeiten für die Familien

In vielen Fällen wollen Eltern ihren Kindern bereits lange vor ihrem Tod einen größeren Betrag überschreiben, damit sie ein eigenständiges Leben beginnen, sich eine Wohnung kaufen, eine Geschäftstätigkeit aufnehmen oder Schulden, etwa aus dem Studium, bezahlen können. Die Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten noch einmal deutlich gestiegen, was bedeutet, dass viele Kinder selbst bereits kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter stehen, wenn ihre Eltern sterben.

Bartomeu Bibiloni erklärt: „Es dürfte deshalb deutlich mehr Sinn ergeben, dass sie, sofern sie von ihren Eltern unterstützt werden können, diese Unterstützung bereits zu Beginn ihres Erwachsenenalters etwa beim Auszug von zu Hause bekommen können. Zu dieser Zeit haben sie die Hilfe am nötigsten.“ Gerade angesichts der Wohnungsnot und hoher Preise für Immobilien auf den Inseln sind die Erbschaften zu Lebzeiten in vielen Familien eine willkommene Alternative.

Bei DMS Consulting hat man laut Bibiloni außerdem festgestellt, dass es viele ältere Menschen gibt, die sich nicht mehr um den Nachlass ihres Vermögens kümmern können oder wollen und das Thema deshalb in die Hände ihrer Nachkommen abgeben. „Sie wollen sich keine Sorgen mehr machen um Mietwohnungen, verbunden mit möglichen Zwangsräumungen oder Schäden oder um Fincas, die landwirtschaftlich genutzt werden“, sagt Bibiloni. Manchmal seien aber auch Krankheiten, wie etwa eine einsetzende Demenz oder andere neurodegenerative Erkrankungen, Auslöser für eine vorzeitige Nachlassregelung. Die Betroffenen verlieren häufig innerhalb von wenigen Jahren ihre Geschäftsfähigkeit.

Höhe der Steuern

Das neue Gesetz nimmt an keiner Stelle Bezug auf die Höhe der Steuerbelastung. Die Höhe der Steuer gibt der Gesetzgeber auf den Balearen an anderer Stelle vor. Momentan bleibt die Steuerbelastung für Erbschaften zu Lebzeiten so, wie sie bislang schon vorgegeben war. Statt der üblichen Steuerbelastung von sieben Prozent bei einer Schenkung wird auf den Balearen und in einigen wenigen anderen Autonomen Regionen nur ein Steuersatz von einem Prozent fällig – ebenso wie bei einer Erbschaft nach dem Tod des Erblassers. Bedingung ist, dass der Beerbte auf seinen gesetzlichen Pflichtteil verzichtet. Die günstigen Bedingungen für die Erbschaft bei Lebzeiten stehen auf den Inseln nach einem Urteil im Mai 2021 auch EU-Ausländern zur Verfügung.

Gründe für einen Widerruf

In dem neuen Gesetz werden auch Möglichkeiten festgehalten, eine Erbschaft auf Lebenszeit zu widerrufen. Bibiloni erklärt: „Wer etwas abgibt, wird dadurch ärmer, dass er Geld- oder Sachwerte weitergibt und nichts dafür im Gegenzug bekommt. Diese Personen müssen deshalb den größten Schutz genießen.“ Deshalb kann etwa nach seelischem oder körperlichem Missbrauch des Erblassers durch den Beerbten oder wenn der Beerbte dem Erblasser Lebensmittel oder eine adäquate Gesundheitsversorgung verweigert, die Erbschaft rückgängig gemacht werden.

Diese drei Wege zu erben gibt es

Die Erbschaft kann wie bisher auf drei Wegen vonstatten gehen: durch ein Testament, mithilfe der bisherigen gesetzlichen Regelungen, falls kein Testament vorliegt, oder durch eine Erbschaft zu Lebzeiten, einen pacto sucesorio. Bibiloni erklärt, dass eine Erbschaft teilweise oder auch schon komplett zu Lebzeiten auch durch mehrere pactos sucesorios übermittelt werden kann. Das sei eine Besonderheit auf den Balearen, sagt Bartomeu Bibiloni. Im spanischen Zivilrecht ist diese Möglichkeit nicht nur nicht vorgesehen, sondern ausdrücklich verboten.

Das Gesetz: bit.ly/GesetzErbschaftLebzeit

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