Von Silke Droll

Dort war die Enttäuschung erst groß. ?Es gab ja keine Heizung und es war bitterkalt in dem Haus." Doch das Trübsinnblasen war bald vergessen. Karin Helbers Leben auf der Insel gewann schnell an Fahrt. Binnen weniger Jahre wurde die junge Blondine zur bekanntesten Deutschen der Insel: Sie war Mannequin, Sängerin und legte als DJ in der ersten Discothek der Insel auf.

Karin Helbers steile Mallorca-Karriere begann mit einem Spaziergang in Palmanova. ?Da sprach mich eine Frau an und fragte mich, ob ich als Mannequin arbeiten wolle", erinnert sich die heute 62-Jährige. Also führte der Teenager aus Deutschland im Frühling und Herbst die neue Prêt-à-porter-Mode auf der Insel vor. Unter den Models auf Mallorca war sie als einzige Ausländerin mit ihren blonden Haaren und klaren, blauen Augen die Exotin. ?Mit meiner Figur, nicht zu groß und nicht zu dünn, war ich perfekt für die damalige Mode", sagt Helber. Das fanden auch die damaligen Kommentatoren der lokalen Zeitungen. Statt die aktuelle Mode zu beschreiben, handeln diverse Artikel von Karins Lächeln, ihrer Art zu gehen, ihrer Leichtigkeit und Ungezwungenheit. ?Wenn ein Mädchen ein Kleid an ihr sieht, will sie es sofort kaufen", hieß es auch.

Neben Modenschauen war Karin Grau, wie sie damals noch hieß, auch auf Kalendern, Bademodenbildern und Postkarten zu finden. ?Ich hing in allen Bars." Als Gina Lollobrigida und Sean Connery für ihren Film ?Die Strohpuppe" nach Mallorca kamen, nahm Karin Helber die Berühmtheiten am Flughafen in Empfang. Mit der deutschen Schauspielerin Elke Sommer, die 1962 auf Mallorca ?Bahía de Palma" drehte, war sie befreundet. Ihre Eltern eröffneten an der Plaça Gomila eine Disco

Nach fünf Jahren, gerade mal Anfang 20, hängte sie die Model-Karriere an den Nagel. In der Zwischenzeit hatte sie neue Herausforderungen entdeckt. Ihre Eltern eröffneten 1965 an Palmas Plaça Gomila die Disco El Barco. ?Das war die erste Discothek der Insel. Vorher gab es nur Salas de Fiesta mit Kapellen", sagt Karin Helber. Im El Barco stand die Tochter der Betreiber häufig persönlich am Plattenteller. ?Ich habe auch gesungen." Gespielt wurde, was beim Publikum ankam. Von den aktuellen spanischen Hits bis zu Jimi Hendrix. Bei einem ihrer Auftritte wurde ein Musikproduzent hellhörig, er suchte Ersatz für die erkrankte britische Teilnehmerin eines Schlager-Festivals in Galicien. So fuhr Karin als Karen Grey 1968 zum ?Festival del Miño" nach Orense. Die Reise wurde ein voller Erfolg, Karin gewann den live im Fernsehen übertragenen Lieder-Wettbewerb, und es hagelte Angebote. ?Ich sollte in Spanien und Portugal auftreten und in Deutschland in die Fernsehsendung ?Der goldene Schuss´ kommen", erinnert sie sich. Doch Karin nahm nur zwei Singles in Madrid und Hamburg auf, dann war Schluss. ?Ich wollte auf Mallorca sein."

Dort warteten weitere aufregende Zeiten. Karin lernte am Strand ihren Mann Dieter kennen und bereitete mit ihren Eltern den Import bayerischer Bierzeltfröhlichkeit vor. ?Mein Vater hatte die Idee, eine Art Hofbräuhaus in Palma zu eröffnen. Ergebnis war das ?Bavaria Hofbräuhaus" kombiniert mit der Disco Crazy Daisy an der Plaça Gomila für insgesamt 2.000 Feierwillige. Ein eigens engagierter Maler aus München pinselte die Decke blau-weiß. Die passenden Bands suchten Karin und ihr Mann in deutschen und österreichischen Wintersportorten.

?Oft war es schwierig, eine Arbeitsgenehmigung für die Musiker zu bekommen. Das Gesetz schrieb vor, für jeden Ausländer auch einen Spanier zu beschäftigen", erinnert sich Karin. So spielte in den Lokalen der Graus und Helbers jeden Abend erst einmal eine halbe Stunde die banda municipal auf, deren Mitglieder die Deutschen zu diesem Zweck in Lederhosen steckten. ?Das war eine Stimmung wie auf dem Oktoberfest. So was gibt´s heute nicht mehr." Weitere Hofbräuhäuser in Arenal und Peguera folgten.

1981 nahmen Karin und ihr Mann, die inzwischen in Frankfurt am Main geheiratet und zwei Kinder bekommen hatten, schließlich Abschied vom anstrengenden Nachtleben. Sie verkauften ihr Lokal in Peguera und führten fortan ein ruhigeres Familienleben mit langen Sommern in ihrem Ferienapartment in Colònia de Sant Jordi. ?Der Strand Es Trenc war damals noch traumhafter."

Bevor sie das Arbeitsleben endgültig aufgab, schlug die Mallorca-Residentin eine weitere Wendung in ihrer vielfältigen Karriere ein: Sie wurde Pullover-Designerin. Für ihren Laden ?Karins Boutique" in

Puerto Portals kreierte sie eigene Modelle, die sogar die Königsfamilie begeisterten. Infantin Elena wurde damals mit einem Pullover von Karin Helber fotografiert.

Heute, im Ruhestand, erinnert sie sich mit ein bisschen Wehmut an das elegante Nachtleben mit Glitzer und Glamour. ?Früher gab es so schöne Lokale. Ich würde gerne noch ausgehen, wenn es etwas gäbe. Sich schick machen, einen schönen Drink nehmen, Freunde treffen", sagt sie, ?zum Beispiel in einer schicken

Piano-Lounge." In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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