Die deutsch-spanische Textildesignerin, in Krefeld geboren und seit neun Jahren auf Mallorca, hat zu einem Gespräch in ihr Atelier in Sineu eingeladen. Durch eine große Holztür betritt man zunächst einen kleinen Ausstellungsraum, wo noch Arbeiten verschiedener Künstler zum Thema Hochzeit hängen. ýMein Freund und ich haben vor ein paar Wochen geheiratet", erzählt Irene Peukes, die sieben Jahre Schuhe für die Firma Camper entworfen hat. Sie und ihr Mann Marcos Vidal, ebenfalls Künstler, haben aus den Geschenken und Leihgaben von Freunden und Verwandten dann eine kleine Ausstellung organisiert.

Im Atelier oben unterm Dach fällt sofort ein langes cremeweißes Seidenkleid ins Auge. Mehrere hauchdünne Lagen Stoff sind raffiniert miteinander verschlungen, einige Lagen gelb bedruckt, alles scheint wie aus einem Stück gegossen. ýMein Hochzeitskleid", sagt die Designerin und klingt ein bisschen stolz. Gleich daneben hängen bauschige Seiden­röcke, durchsichtige Blusen und luftige Sommerkleider, auch aus mehreren Lagen Stoff genäht und mit Punkten, Kreisen und Schlangenlinien von Hand bemalt und bedruckt. ýDas ist ein Teil meiner neuen Kollektion ­Guate va est (etwa: Guatemala goes East), die ich heute Abend bei der Miss Baleares-Schau in Bunyola vorstelle." Die erste öffentliche Präsentation der 20-Miss-Illes-Baleares-Anwärterinnen vergangenen Freitag (4.7.) war für Irene Peukes eine gute Gelegenheit, neben mehreren Kleidungsstücken aus Seide auch sechs Arbeiten aus Guatemala zu zeigen, an denen ihr Herz besonders hängt.

ýAlles begann mit einem Workshop letztes Jahr im August", erzählt die

39-Jährige, die in Hamburg und Barcelona Textildesign studiert hat. Sie wurde eingeladen, in Guatemala verschiedene Kunsthandwerkstechniken wie Weben, Schreinern, Flechten und Töpfern zu erlernen. Dort machte sie Bekanntschaft mit dem Projekt Asimam, einer Gruppe von 320 Frauen, die Stoffe traditionell weben und alte Sticktechniken beherrschen. Vor vier Monaten war Irene Peukes ein zweites Mal in Zentralamerika und hat mit acht Frauen von Asimam an konkreten Stoffen und Schnittformen gearbeitet. Daraus sind dann die ersten sechs Oberteile entstanden. ýDie Muster und Stoffe in Guatemala sind sehr farbenfroh und für uns Europäer oft zu folkloristisch", so Peukes. Die Baumwollstoffe für ihre neue Kollektion hat sie daher auf die Grundfarben Schwarz und Weiß reduziert, um darauf dann jeweils eine Farbe leuchten zu lassen.

Irene Peukes liebt das Kunsthandwerk, arbeitet gerne mit Keramik, Papier, malt und zeichnet auch. ýEines befruchtet das andere." Sie möchte zeigen, dass sich Kunsthandwerk und raffinierte Mode nicht ausschließen. Zum Interview trägt sie ein Neckholder-Oberteil aus weißer Baumwolle, in das feine rote Fäden eingewebt sind. Das Besondere daran: Die Bluse ist aus einem Stück gewebt. Die gua­temaltekischen Frauen haben beim Weben einfach das Rückenteil ausgespart und die Farben bereits so in den Stoff eingearbeitet, wie Peukes es zuvor ins Schnittmuster eingezeichnet hat. ýDas spart Ressourcen, Arbeit und Material." Diese Art der Herstellung kennt man sonst nur aus der Stricktechnik. Bei einem anderen Oberteil wurden die überhängenden Webfäden zu Schulterträgern. ýSolche Ideen entwickeln sich erst nach und nach, das braucht Zeit und einen freien Kopf."

Um für ihre eigene Kollektion einen freien Kopf zu bekommen, hat sich Peukes ­bereits das zweite Jahr als Designerin von Camper freistellen lassen. Das Tolle am Kunsthandwerk sei, dass es nicht so schnell wie bei der Arbeit mit Maschinen zugehe. ýIch habe mehr Zeit, über das Modell nachzudenken, das Produkt wird am Ende edler." Es habe ziemlich lange gedauert, bis der Chip im Gehirn - jeden Tag von neun bis sechs Uhr zu funktionieren - aus ihrem Kopf war. Andererseits habe sie bei Camper gelernt, Ideen zu entwickeln, die nicht nur schön aussehen, sondern auch produzierbar und vermarktbar sind.

Mit ihrem Projekt Guatemala möchte sie helfen, gutes Design zu entwickeln und den dortigen Frauen einen dauerhaften Arbeitplatz zu sichern. ýMan muss das Kunsthandwerk potenzieren. Denn diese Fertigkeit kann man den Frauen in Mittelamerika nicht so leicht wegnehmen und in China fabrizieren lassen." Nicht aus der Not heraus sollte deshalb mit der Hand gearbeitet werden, sondern weil es einen Wert darstellt. Und solche Handarbeit, davon ist die Künstlerin überzeugt, lässt sich dann auch zu einem guten Preis verkaufen - und zwar nicht im ýDritte-Welt"-Laden, sondern in Modeboutiquen.

Zur Zeit besucht Irene Peukes zusammen mit ihrem Mann die 3. Internationale Kunst Biennale in Beijing. Mit ihnen wurden noch zwei weitere Künstler, die auf den Balearen leben, nach China eingeladen. Irene Peukes stellt dort ihre Keramikarbeiten aus. ýIch bin sehr stolz, dass ich für die Biennale ausgewählt worden bin. Ich sehe das alles als einen großen Prozess."