Der Sänger sieht geschafft aus. Doch die Müdigkeit weicht, sobald die Kamerascheinwerfer sein Gesicht erhellen. Vor der Linse dreht er auf. Da vergisst er auch, dass er in den vergangenen drei Tagen so gut wie gar nicht geschlafen hat. Von Freitagnacht bis Sonntagmorgen, innerhalb von 26 Stunden, hat er zwei Konzerte in Leipzig und Rostock gegeben und mehr als 1.350 Kilometer am Steuer seines Wagens gesessen. Ganz gleich, wo er in Deutschland auftritt, er fährt immer noch am gleichen Abend zurück zu Ramona und Joelina ins Heim im Münsterland, wo er mit seiner Familie lebt, wenn er nicht auf der Insel ist. Um eins klingelt der Wecker

Als er am Sonntag mit den beiden zum Flughafen nach Dortmund fuhr, wo die Maschine Richtung Palma wartete, löste sich auf der Autobahn auch noch ein Rad. ýPlötzlich rollte es neben dem Auto her." Es ist nicht klar, warum. Die Staatsanwaltschaft ermittele, die ýBild"-Zeitung auch, erzählt Drews bei einem Glas Apfelschorle in einer Pizzeria an der Playa de Palma. In wenigen Stunden wird er wie jeden Montag wieder vor einer grölenden Partygesellschaft auf der Bühne stehen. Jahrelang trat er im Oberbayern auf, seit Saisonbeginn ist er bei der Konkurrenz vom MegaPark unter Vertrag. Und vorher wird er sich in einem Apartment an der Playa ein paar Stunden Schlaf gönnen, bis um eins der Wecker klingelt oder MegaPark-Marketingchef Andy Bucher anruft und sagt: ýJürgen, es ist so weit." Dann steht er wieder kerzengerade im Bett. An den Rhythmus hat er sich in all den Jahren nicht gewöhnt. ýDas kann man auch nicht", sagt er. Warum tut er sich das dann alles noch an? Drews ist 63, auch wenn man es ihm nicht ansieht. Das Geld ist es nicht. Finanziell hat er ausgesorgt, besitzt Immobilien in Deutschland und auf Mallorca. Er könnte es ruhig angehen lassen, wie andere Männer in seinem Alter. Mit Ramona und Joelina auf dem heimischen Gestüt in Dülmen ausreiten, die Seele baumeln lassen, auf Mallorca Golf spielen. Warum also diese ständig wiederkehrenden Kraftakte? ýWeil ich das einfach brauche", sagt er. ýWeil ich mich mindestens einmal pro Woche wie ein Gockel auf die Bühne stellen und aufplustern muss." Andernfalls neige er zu Wehleidigkeit. ýIch mache das nur für mich." Seine Frau Ramona habe nicht den Sängerknaben und auch nicht den König von Mallorca, sondern ihn, den Jürgen Drews, geheiratet. Aber sie akzeptiere seine doppelte Persönlichkeit. Eigentlich sei er ein zurückgezogener, schüchterner Mensch, der Angst vor der Öffentlichkeit habe. ýDeswegen krakeele ich ja auch so." Sein Vater habe ihn zu seinen ersten Konzerten in der Schülerband fast auf die Bühne prügeln müssen, erzählt er. Zurzeit bekommt er so viele Angebote, dass er fast täglich irgendwo auf der Bühne steht: auf dem Kongress einer Versicherung, in einem Festzelt auf dem platten Land oder eben auf Mallorca. Solange ihn die Menschen noch wollen, wird er weitermachen. Heute hier, morgen da. Sein Ziel sei es, ein Party-Heesters zu werden. Nein sagen ist nicht seine Stärke, seine ganze Laufbahn sei eigentlich von außen bestimmt worden. Er sei immer eher unschuldig irgendwo reingeraten und habe so regelmäßig die Trittbretter verpasst, die ihm eine solide Karriere ermöglicht hätten, sagt er. Les Humphries holte ihn, den wenig begabten Medizin-Studenten, Anfang der 70er völlig überraschend in seine international erfolgreiche Gesangsgruppe. Und als das Kapitel etwa fünf Jahre später vorbei war, erhielt er von einem Produzenten ganz unvermittelt ýDas Bett im Kornfeld" zugeschickt, den Song, mit dem er in Deutschland über Nacht berühmt wurde. Auch die Sache mit dem ýKönig von Mallorca" sei schließlich nicht auf seinem Mist gewachsen. Wenn es um Qualifikationen, sprich um Hits, gegangen wäre, dann hätte Thomas Gottschalk 1999 bei der ýWetten, dass ??"-Show in Palma dem DJ Ötzi den Titel verleihen müssen oder vielleicht Mickie Krause, aber doch nicht ihm. Aber das Schicksal habe es nun einmal so gewollt. Jetzt sei er der König und werde es auch bleiben. Genauso wie sein Name auf ewig mit dem ýBett im Kornfeld" verbunden sei - selbst wenn ihm 1.000 andere Songs nachfolgten. Aufgedrängt habe er sich nicht. USA statt Schlager-Tournee

Dabei wollte er nie ein Schlagersänger sein. Nichts gegen die Hausfrauen, die mit Stäbchen winken, höflich applaudieren und nachher Blumen schenken. Seine Schwiegermutter sei schließlich auch so. Aber das sei nie sein Ding gewesen. Weil er im deutschen Radio nur noch auf den einschlägigen Kanälen gespielt wurde, flüchtete er Anfang der 80er Jahre sogar in die USA, statt in Deutschland mit Schlagern auf Tournee zu gehen. Fast zehn Jahre blieb er dort, landete mit ein paar seiner Songs sogar in den Charts und kam 1989 wieder zurück, um die Ehe mit seiner ersten Frau Corinna zu retten, die zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr zu retten war. Da musste er wieder von vorne anfangen. ýWenn du neun Jahre raus bist aus dem Geschäft, giltst du eigentlich als tot." Doch Drews kam wieder auf die Beine und moderierte 66 Mal die deutsche Schlagerparade im dritten Programm. Bis die ýBild"-Zeitung irgendwann berichtete, er habe sich den Po liften lassen. In Wirklichkeit war es eine Hämorrhoiden-Operation (ýIch war halt viel Auto gefahren"). Für das öffentlich-rechtliche Fernsehen war er daraufhin nicht mehr tragbar. Auf eine Gegendarstellung in der ýBild" verzichtete er, um die Sache nicht an die große Glocke zu hängen. Mit den Boulevardblättern verbindet ihn seither eine Hassliebe. Mal jubelten sie ihn hoch, mal kratzten sie an seinem Image. Wie damals, als alle Welt über Daum und Kokain sprach und man auch ihn, den verrückten Partysänger, verdächtigte, sich mit der weißen Droge bei Laune zu halten. ýDabei trinke ich allenfalls mal ein Glas Wein zusammen mit Ramona", sagt er. Oder diese Titelstory vor einigen Jahren in der ýBild"-Zeitung. Der König von Mallorca verhöhne seinen Hofstaat und mache sich über seine Fans am Ballermann lustig. Da war die Marke ýKönig von Mallorca" plötzlich in Gefahr. ýDa habe ich um mein Leben gekämpft." So wie er die Jugend bis dahin hinter sich hatte (,Der alte Sacke, der ist echt geil, Methusalem, aber geil´), so hatte er sie auf einmal gegen sich. Man habe ihn bewusst falsch zitiert. Er habe gesagt: ýSchaltet euer Hirn aus, seid für eine Stunde genauso blöd wie ich." In der Zeitung stand später: ýAlle, die vor mir stehen, sind bekloppt." ýIch hab´ mich zum Affen gemacht, um die Sache wieder gerade zu biegen", sagt er. ýDieter macht einen Fehler"

Für Kollegen, die sich von ihren Fans genervt abwenden, zeigt er kein Verständnis: ýStell dir vor, es kommt irgendwann mal keiner mehr, der dich um ein Autogramm bittet. Dann wirst du danach lechzen." Vor Dieter Bohlen, sagt Drews, habe er großen Respekt. Der verstehe sein Fach. Aber von vielen Fans höre er, der Bohlen sei anders, der gebe kaum Autogramme. Und wenn er den Dieter das nächste Mal treffe, dann würde er es ihm auch sagen: ýDieter, da machst du einen Fehler. Wenn du dich schon in die Nähe der Leute begibst, dann wende dich nicht ab." Er würde niemals ein Mädchen wegschicken, beteuert Drews. ýIch denke dann immer, es könnte meine Tochter sein. Das würde mir wehtun." Er sei ein ganz normaler Typ, eigentlich ein Z-Promi, der den Menschen auch normal gegenüber trete. Wenig später werden ihm die Gäste in der Pizzeria applaudieren, weil er drei Mädchen und einen kleinen Jungen für ein Erinnerungsfoto in den Arm nimmt. Da ist er wieder, der ýKönig von Mallorca". Immer da für sein Volk. Er tröstet es auch, wenn andere es im Stich lassen. So wie im Mai bei der Ankunft der Fußball-Nationalmannschaft auf Mallorca. Als Ballack und Kollegen die wartenden Autogrammjäger am Mannschaftshotel links liegen ließen, war wenigstens ýOnkel Jürgen" (Stefan Raab) zur Stelle. Die Zeitungen titelten am nächsten Tag: ýDer König von Mallorca empfängt die deutsche Mannschaft." So spielt im Showgeschäft eben jeder seine Rolle: Drews den Netten, MegaPark-Kollege Michael Wendler den Großkotz, der von sich behauptet, er sei der Beste, der König des deutschen Schlagers. Als Strategie findet Drews die Masche von Wendler genial. Gute Lieder zu singen, reiche eben nicht. Denn nur wer polarisiere, sei auch in­teressant, glaubt er. ýLetztendlich ist doch alles eine Verarsche, ein Spiel. Denn nichts ist doch langweiliger als Langweile - oder?" In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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