Mit dem Herrn Obama wolle sie ja nicht tauschen. Und auch könne sie sich nicht erklären, wie man sich um das Amt des Präsidenten der USA bewerben könne: ?Mit einem Hündchen kann er das, was er seinen Kindern da antut, nicht wieder gutmachen", meint Carlota von Münchhausen zwischen zwei Gabeln Schokoladenkuchen und einem Schluck Tee. Und wie die Baronin das so sagt, mit ganz geschliffenen Sätzen, möchte man eigentlich bei dem Thema bleiben. Die 98-Jährige strahlt eine Sicherheit und Geistesgegenwart aus, die auf jeden Gesprächspartner beeindruckend wirkt. Wahrscheinlich könnte man mit ihr stundenlang über Obama und die US-Wahlen sprechen und würde sich dabei nicht langweilen. Aber das ist nicht der Grund des Besuchs. Eigentlich ist man doch ihres hohen Alters und des berühmten Namens wegen hinausgefahren nach Marratxinet, wo die Baronin ein zauberhaftes kleines verwinkeltes Landhaus bewohnt.

Dann schwenkt sie von Obama auf Putin über, und man lässt sie wieder gewähren, weil es einerseits lustig ist, wie sie über den ?Kerl" spricht, und weil es andererseits in die Richtung geht, in die der Journalist sie mit seinen Fragen eigentlich drängen möchte: zur Lebensgeschichte der Baronin, die am Anfang des vergangenen Jahrhunderts auf einem Landgut in der Nähe der kleinen estnischen Stadt Revel im Baltikum beginnt.

In diese Welt wird Carlota von Münchhausen als Charlotte von Lilienfeld geboren. Sie ist von schwedischem Adel, der sich dort seit Jahrhunderten mit dem deutschen mischte. 800 Jahre zuvor hatten deutsche Ritter das Land besetzt, Carlotas Großmutter kam aus St. Petersburg.

Von ihrem ersten Lebensabschnitt, der 1943 mit der Heirat ihres zweiten Mannes Philipp Adolf von Münchhausen endet, sei nur erzählt, dass sie als Kindermädchen drei große Reisen auf einem Passagierschiff unternahm. Dadurch lernte sie New York, die westindischen Inseln und Südamerika kennen.

Nach der Heirat mit dem Baron von Münchhausen lebte sie mit ihm auf dessen Landgut, bis gegen Ende des Krieges die Russen kamen und sie enteignet wurden. Aus ihrem Schloss, das in den Kriegswirren zerstört wurde, konnten sie nur sechs Wandteppiche retten. Die Gobelins sollten ihnen später als Startkapital für ein neues Leben auf Mallorca dienen. Doch zunächst kam das Ehepaar Münchhausen bei Carlotas Mutter in Schweden unter, die bereits Jahre zuvor die Heimat verlassen hatte. Dass sie unversehrt durch die russischen Linien in Schweden ankam, habe sie ihren perfekten Russischkenntnissen und ihrer starken Persönlichkeit zu verdanken, glaubt sie. ?Ich habe in meinem ganzen Leben keine Angst gekannt". Wahrscheinlich sei sie deshalb den Vergewaltigungen durch die russischen Soldaten entgangen, die auf dem Fluchtweg an der Tagesordnung waren. ?Ich habe gewusst, mir Respekt zu verschaffen."

Fünf Jahre lebte sie in Schweden, dann versetzten die von Münchhausens 1953 ihre Gobelins und kauften sich einen gebrauchten Volkswagen, mit dem sie bis nach Mallorca fuhren. Von der Insel hatten sie bis kurz zuvor noch nie etwas gehört, Spanisch sprachen sie auch nicht. Doch die Sprache habe sie schnell gelernt, sagt die Baronin - genau wie Englisch, Estnisch, Französisch, Deutsch, Schwedisch und Russisch. ?Kinder", sagt sie, ?lernt Sprachen, dann kommt Ihr überall durch."

Auf Mallorca mietete sich das Ehepaar ein Haus in Cala Mayor und verdingte sich fünf Jahre, in dem es die Zimmer an Freunde vermietete: ?Für 35 Peseten", erzählt sie. Dass ihr Nachbar Joan Miró war, erwähnt sie eher beiläufig. Und auch, dass Miró ihr Haus später übernahm. Andere hätten dies wohl an die große Glocke gehängt. Die Baronin nicht. Denn Angeber kann sie nicht ausstehen. Miró sei zudem schüchtern, zurückhaltend gewesen, ?ein schwer zugänglicher Mensch".

Nach fünf Jahren gingen Carlota und ihr Mann nach Berlin, zuvor kauften sie aber das Haus in Marratxinet, in das sie 1970 wieder zurückkehrten. Ihr Mann starb bereits 1984. Mallorca, sagt sie, habe sich verändert im Laufe der Zeit - zum Guten und zum Schlechten. Das Leben heute sei einfacher auf der Insel. Aber auch nicht mehr so familiär.

Ganz zum Schluss, als die Teekanne leer ist, kommt man doch noch auf ihren berühmten Verwandten zu sprechen, den Lügenbaron Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen (1720-1797), der seinen Erzählungen zufolge auf Kanonenkugeln reiten konnte. Ihr Mann gehörte dem gleichen Adelsgeschlecht an. Wie war das eigentlich, das Leben mit einem von Münchhausen? ?Nett", sagt sie. Nur die Zollbeamten hätten manchmal etwas stutzig dreingeschaut wegen ihres Namens. Und wenn sie auf deren Frage hin, ob sie denn etwas zu verzollen habe, nur mit dem Kopf schüttelte, hätten diese gelächelt und gesagt: ?Na, wenn das mal stimmt!?"

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