Zu seinen Opfern zählten Prominente wie Udo Lindenberg oder Dieter Bohlen. Ende der 80er und Anfang der 90er brachte der ehemalige Anlagebetrüger Jürgen Harksen (49) Dutzende angesehene Bürger der Hamburger Gesellschaft um insgesamt mehr als 100 Millionen Mark. Er versprach Renditen von 1.300 Prozent (Faktor 13) aus dem Öl-Business. 1993 floh er nach Südafrika und wurde 2002 nach Deutschland ausgeliefert. Dort saß er fast sieben Jahre im Gefängnis. Seit gut einem Jahr lebt er mit seiner zweiten Frau und seinen drei Kindern auf Mallorca und arbeitet als Sommelier und Weinhändler. Kürzlich ist sein bereits 2006 erstmals veröffentlichtes Buch „Wie ich den Reichen ihr Geld abnahm“ als Taschenbuch noch einmal aufgelegt worden. Regisseur Dieter Wedel, der Harksen mehrfach in der Haft besuchte, ließ sich von der Figur des Hochstaplers für seinen Film „Gier“ inspirieren.

Sie haben Wedel mit einem Rechtsstreit gedroht und ihm vorgeworfen, ihr Leben geklaut zu haben.

Der Film ist fiktiv, aber angelehnt an mein Leben. Der Zuschauer wird mich deshalb mit fiktiven Inhalten verbinden.

Warum haben Sie ihm Interviews gegeben?

Ich saß in der Haft und war auf Einkünfte angewiesen. Ich musste die Flüge meiner Kinder finanzieren, die mich im Gefängnis besuchten. Aber ich war auch für jede Abwechslung dankbar.

Sie leben heute auf Mallorca. Warum?

Ich versuchte, nach meiner Entlassung in Hamburg neu anzufangen, und merkte, dass ich dort zu bekannt bin und es schwierig ist, Fuß zu fassen. Weil wir in den 90ern auf Ibiza ein Haus hatten, lag es nahe, es auf Mallorca zu versuchen. Wir haben uns ein Jahr zum Testen gegeben.

Haben Sie keine Angst, hier Ihren Opfern zu begegnen?

Ich bin fast allen meiner Opfer wieder begegnet. Ich habe mich bei vielen entschuldigt und für meine Taten bezahlt. Moralisch kann ich meine Schuld wohl nie begleichen. Aber von einem gesellschaftlichen und juristischen Standpunkt aus habe ich gesühnt.

Psychologen sagen, Hochstapler, wie Sie einer waren, leiden unter dem Felix-Krull-Syndrom: Sie seien skrupellos, hätten einen Drang zum Betrügen und einen Hang zur Schizophrenie.

Das trifft auf mich nicht zu. Ich hatte vielmehr das Bedürfnis nach Anerkennung, was ich mir mit meiner Jugendzeit erkläre. Meine Eltern sind sehr früh verstorben. Ich stamme aus sehr wackeligen gesellschaftlichen Verhältnissen und komme aus einer armen Gegend in Flensburg. Meine Kameraden, die eine Straße weiter wohnten, in einer besseren Straße, wurden eingeladen zu Geburtstagspartys. Ich nie. Da wurde mir klar: Geld ist wichtig. Aus vernünftigen Verhältnissen zu kommen, ist auch wichtig. So habe ich mich eben viele Jahre später in dieses Leben reingeschummelt. Schizophrenie ist eine Krankheit. Ich bin nicht krank.

Ulrich Tukur, der Hauptdarsteller im Wedel-Film, bezeichnet Betrüger als Menschen ohne Mitte.

Mag sein, dass er das so sieht. Er hat auch gesagt, dass Hochstapler nicht bindungsfähig sind. Ich war 20 Jahre mit meiner Frau verheiratet, habe drei Kinder und lebe jetzt seit Jahren wieder in einer Beziehung. Ich passe nicht in diese Schablonen.

Sie haben sich dennoch in psychologische Behandlung begeben.

Ich war während der gesamten Haftzeit in Betreuung. Freiwillig. Auch noch zwei Jahre danach.

Warum, wenn Sie nicht krank waren?

Ich musste lernen, was ich falsch gemacht hatte, um es nicht wieder zu tun. Ich lernte, mich selbst zu lieben. Ich liebte mich ja nicht so, wie ich geboren wurde, sondern in der Rolle, die ich mir selbst gegeben hatte.

Waren Sie als Täter gleichermaßen gierig wie Ihre Opfer?

Es klingt aus meinem Mund sehr abenteuerlich, aber es ist die Wahrheit: Ich war nicht gierig nach dem Geld. Geld war ein angenehmer Nebeneffekt. Der Reiz lag für mich darin, einem studierten Wirtschaftsprüfer oder einem Volljuristen weiszumachen, dass wir bald auf den Mond fliegen. Gierig nach Geld - mit allem Respekt - waren nur meine Kunden.

Wie hat Sie die Zeit im Gefängnis geprägt?

Sie hat mich bescheidener werden lassen. Die Zeit hat mir viel gegeben. Ich würde sogar sagen, dass ich ohne Gefängnis nicht geläutert worden wäre. Man muss das erlebt haben, um zu sagen: Oha, da willst du nicht wieder hin. Ich glaube, dass jeder, der eine Straftat begangen hat, das Gefängnis erleben sollte. Das ist abschreckend. Bewährungsstrafen bringen nichts.

Der Verdacht, dass Sie etwas von dem ergaunerten Vermögen auf die Seite gebracht haben, wird bleiben.

Das ist leider richtig. Aber ich bin für einen einfachen Betrug verurteilt worden. Wenn die Justiz noch eine versteckte Beute vermuten würde, wäre ein solches Urteil schlichtweg nicht zulässig gewesen. Der Richter hat damals in der Urteilsverkündigung gesagt: Herr Harksen, Sie sind als ein Habenichts geboren und jetzt sind Sie wieder ein Habenichts.

Dürfen Sie heute wieder Reichtümer besitzen?

Ja, es gibt keine Forderungen gegen mich, sie sind alle abgegolten. Nicht alle meine Opfer sind in vollem Umfang entschädigt worden. Aber dafür gibt es einen Täter-Opfer-Ausgleich, in den beispielsweise der Erlös aus dem Verkauf meines Buchs geht.

Leben Sie nach außen hin bewusst bescheiden?

Ich trinke lieber besseren als schlechteren Wein. Ich kann dazu stehen. Und wenn ich jetzt 20 Millionen im Lotto gewinnen würde, dann würde ich das Geld nicht verstecken wollen. Ich muss mich nicht rechtfertigen.

Haben Sie ein Haus auf Mallorca?

Nein, ich lebe in Palma zu Miete. Den einzigen Luxus, den ich mir leiste, sind die Schulgebühren für meinen Sohn, der auf eine Privatschule geht.

Wie legen Sie Ihr Geld an?

(lacht) In guten Wein. Man kann die Gewinne, die ich versprochen habe, tatsächlich mit gutem Wein erwirtschaften.

Mit Faktor 13?

Nein, nicht mit Faktor 13, einen Château Petrus habe ich damals für 40 oder 50 Mark eingekauft. Heute kostet die Flasche 1.000 Dollar.

Warum sind Sie Sommelier geworden?

Ich bin seit 25 Jahren ein Wein-Fan. Ich hatte mal einen Weinkeller, um den ich beneidet wurde. Im freien Vollzug habe ich dann in einem Hamburger Weinlokal gearbeitet und habe noch eine Ausbildung als Sommelier abgeschlossen. Darauf bin ich sehr stolz.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Jeanette Hain. Warum sie privat so ganz anders ist als Gloria Ganz

- Auf eine Ensaimada mit: Kinderarzt Joachim Noack

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