Schlagzeilen über Schulden? Sind Schnee von gestern, die Probleme sind gelöst. Und Justus Frantz (66) ist wieder voll da: Für Gäste der Privatbank Hauck & Aufhäuser gab er am Samstag (5.6.) in den Bodegas de Santa Catalina bei Andratx einen Chopin-Abend am Klavier. Immer an seiner Seite: Frau Ksenia (30, Violinistin) und Sohn Justus (5). Mit der MZ sprach er über Herausforderungen, Melancholie und neue Wege.

Wie kommt es, dass Sie wieder als Solist auftreten?

Ich bin in erster Linie Dirigent, wollte solche komplizierten, pianistischen Wunderwerke nicht mehr aufführen. Dass ich es doch mache, ist schwacher Charakter – ich ließ mich überreden. Dann setzte eine ganz große Begeisterung ein.

Worin besteht die?

Beim Dirigieren fühle ich meine Verantwortung gegenüber der Musik deutlicher. Ich bin aber auch abhängig von einem ganzen Orchester. Wenn ich dann plötzlich wieder auf mich gestellt bin, und nur die Musik, die ich spiele, eine Wichtigkeit hat, ist das ein ganz außerordentliches Gefühl.

Chopins Klavierkompositionen wie die Terzen und Etüden gehören zu den schwierigsten Klavierstücken überhaupt. Ist das eine Herausforderung?

Natürlich. Immer wieder neu. Es wird nicht unbedingt leichter, wenn man älter wird. Ich habe heute zum ersten Mal seit 30 Jahren wieder einen Chopin-Abend gegeben. Dafür musste ich unglaublich üben.

Wie viel?

Ich fange morgens im Schlafanzug an, übe den ganzen Tag, wenn ich keine Auftritte habe. Die Nachbarn freuen sich, weil ich meist die Fenster aufmache!

Ausländische Pianisten wie Lang Lang kennt jeder. Wer aber sind die besten deutschen?

Christopher Tainton und Martin Stattfeld machen in der jüngeren Generation Furore.

Christopher Tainton (36) ist Ihr ältester Sohn. Spielt auch der Fünfjährige schon?

Justus spielt ganz toll. Er hat sogar schon an einem Klavierwettbewerb teilgenommen. Ich selbst habe übrigens erst mit zehn angefangen. Nicht mit vier, wie immer wieder behauptet

wird.

Stört es Sie, wenn Musiker auch ans Geld denken?

Wir machen Vorspiele in der ganzen Welt. Junge Russen oder Chinesen fragen mich nur: Was werden Sie spielen? Amerikaner fragen: Was werden Sie spielen – und was zahlen? Deutsche fragen mich nur: Was zahlen Sie? Deutsche nehme ich fast nicht. Wenn Sie Musik als Job auffassen, um Geld zu verdienen, sind Sie bei mir nicht richtig.

Welche Länder beeindrucken Sie musikalisch?

China, Russland und die USA. Weil dort die Liebe zur Musik, gerade auch in der nächsten Generation, unglaublich intensiv ist. Im Gegensatz zu Deutschland.

Woran liegt das?

An einer schlechten Kulturpolitik. Im Oman senden zum Beispiel alle Sender auf Erlass des Sultans von 12 bis 15 Uhr nur klassische Musik. Bei uns hört man sie kaum noch. Da hat die akustische Umweltverschmutzung Besitz ergriffen von der öffentlichen Wahrnehmung. So dass junge Leute nichts anderes mehr kennenlernen. Und an Schulen fällt Musikunterricht aus. Dabei ist die Identität der Deutschen nur ergründbar, wenn wir wissen, was gut ist an unserem Land. Das erleben junge Leute leider nicht mehr.

Sind Sie auch melancholisch?

Natürlich. Musik ist eine Zeitkunst. Wenn wir in die Zeit kommen, ist das auch eine Form von Melancholie. Das Leben geht immer schneller, bis plötzlich alles nur noch an einem vorbeifliegt. Leider versteht man erst viel zu spät im Leben, dass die Zeit eine Ressource ist, die man nicht ausdehnen kann.

Trotzdem wirken Sie nicht gerade wie ein Eremit …

Nein. Aber ich bin überhaupt nicht unglücklich, wenn ich mal einen Tag alleine bin mit meinem Instrument. Oder wenn ich unter Palmen Musik schreiben kann. Das finde ich herrlich. Ich werde nie unkreativ sein, solange mir der liebe Gott das erlaubt. Insofern habe ich keine Bedenken, auch die Ziele eines etwas älteren Lebens anzusteuern. Schumann hat gesagt: Neue Wege musst du gehen, damit du Spuren hinterlässt und nicht nur Staub.

Was ist das nächste Ziel?

Ein Festival, das wir im kommenden Jahr in China machen.

In der Printausgabe vom 10. Juni 2010 (Nummer 527) lesen Sie im Ressort Gesellschaft außerdem:

- Alles wahr – Neues aus der Szene

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