Sie ist wieder da: Diese fast kindliche Unbeschwertheit, die einmal Markenzeichen von Matthias Reim (53) war. In schwarzer Jeans und Lederjacke steigt er auf Mallorca aus seinem weißen Ford Mustang. Und wird, obwohl in Portocolom an der Südostküste von Mallorca so gut wie nichts los ist, prompt von den wenigen Cafébesuchern angesprochen. Ein Holländer will ein Autogramm für seine Freundin. Ein paar Deutsche kommen hinzu, Matthias Reim plaudert kurz mit ihnen. Das passiert ihm auf Mallorca, wo er seit 2003 lebt, ständig. Anders als manch anderer Prominenter weiß er es zu schätzen: „Schlimmer, als erkannt zu werden, ist doch für Künstler nur, nicht erkannt zu werden."

Er wirkt wie befreit. Nach Jahren, in denen er als pleite galt, ist Matthias Reim schuldenfrei. Und aufgeblüht. Kein Wunder. Seine neue CD „Sieben Leben" ist seit Erscheinen im Oktober auf den ersten fünf Plätzen der Musik-Charts. Die schlimme Zeit hat er sich jetzt in seiner Autobiografie von der Seele geschrieben. Sie heißt „Verdammt, ich leb noch" (Südwest Verlag, 14,99 Euro).

Darin erzählt er in aller Offenheit, wie es kommen konnte, dass jemand, der mit seinen Hits Millionen verdiente, einen Schuldenberg von rund 20 Millionen Euro anhäufen konnte. „Ich hatte alle Kontrolle abgeben. Meinem damaligen Manager blind vertraut. Wenn jemand 100.000 Euro anlegt, wird er vielleicht im kleinen Stil betrogen mit einer Wohnung. Bei mir waren es ganze Häuser." Ost-Immobilien, mit denen Tausende pleitegingen. Aber kaum einer unter so viel medialer Aufmerksamkeit.

Der schwarze Tag, an dem Matthias Reim das Ausmaß seiner Schulden klar wurde, war der 14. September 2001. Es liest sich fast wie ein Krimi, wie Reim mit seiner damaligen Freundin Michelle in Kanada an einem idyllischen See Urlaub macht – und von bösen Vorahnungen heimgesucht wird: „Geahnt hatte ich lange, dass etwas nicht stimmt. Aber es immer wieder verdrängt." Warum ihn sein Manager nicht gewarnt hat? „Weil er wusste, dass er dann gefeuert wird. So aber verdiente er ja noch gut an mir." Auch die Banken sagten nichts: „Wenn du 50, 60 Konzerte im Jahr gibst, viel Geld verdienst und Arbeitsplätze schaffst, drehen die dir doch nicht den Hahn zu."

In seinem Buch erzählt er von seinem Entschluss, Insolvenz anzumelden und den folgenden sechs Jahren, die die schlimmsten seines bisherigen Lebens wurden. Wie ihn sein Bruder Christoph, ein erfolgreicher Banker, rettete, ihm ein Haus auf Mallorca finanzierte. Und wie sich Reim aus dem Schlamassel herausarbeitete. Er erzählt von seinen Anfängen, die klar machen: Gekämpft hat er immer. Bis der große Erfolg mit „Verdammt, ich lieb dich" kam, dauerte es über ein Jahrzehnt. Und fast wäre ihm der Hit geklaut worden: „Eigentlich sollte Jürgen Drews das von mir komponierte Lied singen." Zum Glück kam es anders. Der Leser fragt sich: Ist es diese Gutmütigkeit, die Reim Probleme bereitete? „Es ist meine Harmoniesucht. Ich scheue einfach Konflikte, egal, in welchem Bereich", sagt der Sänger selbstkritisch. Ob er den Menschen, die ihn betrogen haben, verzeihen kann? „Ja, aber nicht vergessen." Misstrauisch und verbittert ist er dennoch nicht geworden. „Warum soll ich mich denn ändern? Ich war immer zu allen freundlich. Und bin überzeugt, dass man diese Herzlichkeit zurückbekommt, wenn es einem schlecht geht."

So war es auch: „Ab 2003, während meiner Insolvenz, wurden meine Konzerte immer voller. Das gab mir das Gefühl: Es ist noch nicht vorbei. Es fängt alles erst an." An Wahrsager hat er nie geglaubt. „Bis mir vor ein paar Jahren eine alte Frau sagte: „Ab Ihrem 50 Lebensjahr wird sich Ihr Leben drehen. Sie bekommen alles wieder, was Sie verloren haben und noch mehr." Scheint zu stimmen. „Ich verdiene wieder genug, um meinem Bruder das Geld zurückzugeben." Am wichtigsten aber ist ihm, „dass ich mich nicht mehr rechtfertigen muss". Bei boshaften Reportern, die offen fragten, warum er die teuersten Wagen fährt oder in Luxushotels schläft. Antwort: Beides stellt der Veranstalter. Reim: „Ich erwirtschafte rund 600.000 Euro pro Jahr – soll ich da Fahrrad fahren, wenn ich unterwegs bin?" Privat interessiert ihn Luxus nicht. Und der Mustang? „Hat vielleicht 7 Prozent von einem Mercedes gekostet. Aber alle Kids drehen sich danach um."

Dass er Autos selbst restauriert, „ist doch logisch!" Genau wie Spielzeuggroßeinkauf mit Sohn Romeo (5) und Tochter Romy (2). „Ja, ich verwöhne meine Kinder. Weil ich es selbst einfach zu schön finde, Spielzeug zu kaufen." Endlich kann er seine Vaterrolle genießen. „Bei meinen ersten Kindern waren die Beziehungen ja schon fast vorbei, als die Kinder da waren." Zu Sara (32), seiner jetzigen Frau, hat er gesagt: „Endlich bin ich ein richtiger Vater." Warum ihm das früher so schwer fiel? „Ich gebe zu, dass ich gerne selbst im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehe. Das wollte ich nicht teilen, auch nicht mit einem Kind. Aber Sara hat alles richtig gemacht."

Beim Abschied zückt Matthias Reim die Geldbörse. „Ich lasse mich doch nicht von einer Frau einladen. Männer, die das tun, gehen einfach gar nicht." Zu Hause muss er noch Gute-Nacht-Geschichten erzählen. Selbst erfunden, selbstverständlich: „Am liebsten vom Räuber Hotzenplotz. Der ist aber inzwischen schwer bewaffnet."

Ab Donnerstag bleibt für Räuber Hotzenplotz vorerst keine Zeit mehr. Da stellt er sein Buch in ganz Deutschland vor, tritt in TV-Shows auf. Am 17. April startet seine Tournee in Dresden. Bis zum 20. Mai in Wien ist Reim ständig unterwegs. Hurra, er lebt wieder!

In der Printausgabe vom 27. Januar (Nummer 560) lesen Sie außerdem:

- Im Gespräch: Leopold Stiefel von Media Markt

- Ein Kurs für die Brücke zum Mann

- Port d'Andratx: Neues aus der Havana Bar

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