Der Anfang war nicht leicht. Elisa (13) lebt seit drei Jahren mit ihrer Mutter auf Mallorca. „Zuerst wollte ich nicht hierherziehen." Inzwischen aber genießt sie die Möglichkeiten, die die Insel bietet: „Im Sommer gehe ich oft schwimmen und an den Strand." Nach der Schule ist sie täglich mit ihrem Hund unterwegs: „Den habe ich hier bekommen. Mit Tieren ist es viel schöner, weil man immer raus kann." Ihr großes Hobby aber ist Musik: „Ich spiele Schlagzeug. Seit ein paar Wochen singe ich auch." Unterricht bekommt sie in der Schule. In ihrer Freizeit nutzt sie den Musikraum, denn zu Hause hat sie noch kein Instrument.

Nicht alle deutschsprachigen Jugendlichen auf Mallorca, mit denen man sich unterhält, klingen so unbeschwert wie Elisa. Und auch Eltern machen sich Sorgen über das Freizeitangebot. Eine Mutter, die nicht genannt werden möchte, berichtet, dass ihre 13-jährige Tochter, die auf Mallorca aufgewachsen ist und eine öffentliche Schule besucht, in schlechte Gesellschaft geraten sei: „Die Wochenenden verbringt sie mit mallorquinischen Freunden in Sa Pobla. An Geburtstagen stecken sie Mülleimer in Brand – und keiner sagt etwas dagegen. Im Gegenteil: Es wird sogar akzeptiert. Bei solchen Anlässen herrscht eine Art Narrenfreiheit." Statt Sport zu treiben oder Musik zu machen, würden die Jugendlichen nur vor ihren Computern hocken.

Schwierigkeiten hatte auch Jan (15). Als er vor vier Jahren nach Mallorca zog, besuchte er eine öffentliche Schule in der Nähe von Cala d´Or. Und wurde dort von einer Jugendgang regelrecht bedroht. „Es gibt dort viele Rowdys. Man kann nichts dagegen tun, weil sie dann mit der ganzen Verwandtschaft anrücken." Nicht mal die Lehrer hätten etwas gesagt. Noch heute erzählt er ungern Details: „Es ging richtig zur Sache. Sie zerrissen Bücher, machten alles Mögliche. Es war eine schreckliche Zeit für mich."

Mädchen seien von den Auseinandersetzungen weniger betroffen. Jan wurde immer stiller, zog sich zurück, sagte zu Hause erst nach einiger Zeit etwas. Die Familie zog für zwei Jahre zurück nach Deutschland, kam dann wieder auf die Insel. Seither besucht Jan die deutschsprachige Viva-Schule in Santa Ponça. Seine Sorgen von früher hat er inzwischen fast vergessen. In seiner Freizeit macht er Kampfsport und fühlt sich inzwischen sehr wohl auf Mallorca.

In solchen Fällen seien die Eltern gefragt, sagt Gerhard Kollmann. Er ist Geschäftsführer der deutschen Viva-Schule und selbst Vater eines 13-jährigen Sohnes. Natürlich gebe es Kinder, die am liebsten nur am Computer sitzen. Eltern sollten Alternativen anbieten, mit dem Nachwuchs etwas unternehmen. „Wenn ein Vertrauensverhältnis da ist, bekommt man ein Kind dazu, etwas auszuprobieren. Ich muss sagen, was ich erwarte, es begründen", so Kollmann. Nur zu sagen: Hör auf, am Computer zu spielen und mach was Vernünftiges, bringe hingegen gar nichts. Der Einsatz der Eltern ist also gefragt. Genau dazu fehlt aber vielen die Zeit oder Energie. Vor allem, wenn sie alleinerziehend sind. Am mangelnden Freizeitangebot liege es hingegen nicht, meint Kollmann. Das fänden viele sehr gut. „Man muss sich nur die Mühe machen, sich zu informieren. Es gibt mehr Möglichkeiten, aktiv zu werden, als man denkt. Ob Hip-Hop-Kurse, Töpfern oder Tanzen."

Vieles hat mit dem Grad der Integration zu tun. Denn die Gemeinden bieten zahlreiche Aktivitäten an, zum Beispiel Sportkurse für Jugendliche bis 15 Jahre. Der Haken daran: Ohne Sprachkenntnisse, am besten Spanisch und Mallorquinisch, fällt die Teilnahme schwer. Für deutsche Jugendliche, die schon lange hier sind, ist das kein Problem. Sie sprechen ohnehin beide Sprachen. „Das Sprachniveau der deutschen Kinder auf der Insel ist sehr unterschiedlich. Manche sprechen perfekt Spanisch und Mallorquinisch, einige sind erst seit kurzer Zeit hier und lernen es noch", berichtet Kollmann.

Wie zum Beispiel Siegfried (16). Er lebt erst seit einem knappen Jahr auf Mallorca, lernt gerade Spanisch. Langeweile kennt er trotzdem nicht: „Mein Vater ist ein absoluter Wanderfreak, er hat mich schon als Kind mitgenommen." Eine Zeit lang fand der Teenager das zwar nicht so spannend. Inzwischen ist er aber wieder mit Begeisterung dabei, „am liebsten offroad". Sprich: abseits der Wege. Von der Insel ist er begeistert: „Sie ist viel größer, als ich dachte." Sein zweites großes Hobby ist Basketball: „Wenn ich die Sprache schon könnte, würde ich sofort mit spanischen Jugendlichen spielen. Noch traue ich mich das nicht." Trotzdem hat er, kaum hier, die Initiative ergriffen. Verabredet sich an den Wochenenden mit seinen Cousins und Onkeln zum Spiel. Auch Mitschüler hat er gefragt und hofft, dass bald einige mitmachen.

Pfarrer Klaus-Peter Weinhold von der deutschen evangelischen Gemeinde bestätigt, dass die Jugendlichen, die er im Konfirmationsunterricht betreut, „sehr ausgelastet" sind. „Sie haben ein volles Schulprogramm, die meisten machen in der Freizeit Sport – sie haben eher das Problem, sich nicht zu verzetteln vor lauter Angeboten." Typisch für diese Altersgruppe sei eine gewisse Unruhe, die ständige Angst, man könne etwas verpassen: „Das zeigt sich auch beim dauernden Checken von Mails und SMS." Die Mehrheit sei außerdem gut integriert, spreche überwiegend Spanisch „auch untereinander". Für die deutschen Jugendlichen bietet die Gemeinde einmal im Monat eine Freizeitaktivität an, im Sommer „zum Beispiel Banana-Boat fahren".

Auch Caroline Kloß, die auf Mallorca ein freiwilliges diakonisches Jahr absolviert, findet die Jugendlichen „ganz gut beschäftigt". Ob beim Segeln oder Ballett – viele Teenager seien in ihrer Freizeit aktiv. Sie arbeitet daran, das Angebot noch weiter auszubauen. Seit drei Wochen gibt es deshalb einen Kinotreff in den Räumen der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in der Carrer Forn de L´Olivera, neben der Kirche Santa Cruz. „Das erste Treffen war okay. Aber wir wünschen uns natürlich, dass möglichst viele Jugendliche kommen." Etwa alle vier Wochen soll der Abend künftig stattfinden.

Am Wochenende ist das Einkaufszentrum Porto Pi beliebter Treffpunkt vieler deutschsprachiger Teenager rund um Palma. Auch Elisa und Jan gehen gerne dorthin, um zu „chillen". Soll heißen: „abhängen" mit Freunden, gerne bei Kentucky Fried Chicken. Shoppen, Billard spielen oder ins Kino gehen.

Ohne die Eltern als Chauffeure kommt dabei kaum wer aus. Elisas Mutter Angelika: „Es gibt zwar eine Busverbindung, aber da bin ich vorsichtig und fahre sie lieber selbst." Manches Wochenende verbringt Elisa auch bei ihrer Freundin in Alcúdia: „Es ist schade, dass sie so weit weg ist." Die Entfernungen zu den Wohnorten der Freunde seien ein Nachteil. Elisa: „In Deutschland wohnten sie in der gleichen Straße."

In der Printausgabe vom 24. Februar (Nummer 564) lesen Sie außerdem:

- Glassplitter in Spitzenschuhen: Die Welt des Tanzens

- Lebensgeschichten: Von der Großen Freiheit auf der Inselpalme

- Alles wahr - Neues aus der Szene

- Fische und Schafe: Die Markenzeichen des Jochen Maiwald

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