Es war einmal ein Sandstrand, der zu einem der größten Urlaubsgebiete Europas wurde und an dem sich der sogenannte „Ballermann" ansiedelte. An der Partymeile reiht sich ein Vergnügungslokal an das andere. Tausende deutsche Mallorca-Urlauber zieht es Nacht für Nacht hier hin. Weil Bier und Sangria in Strömen fließen, weil man und frau hier die Sau rauslassen kann, weil hier die Musik spielt. Die großen Party­tempel sind dabei zwei konkurrierenden spanischen Unternehmensgruppen zuzuordnen: Oberbayern und Bierkönig gehören der Unternehmensgruppe von Miguel Pascual an, Riu-Palace und Mega­Park derjenigen von Bartolomé Cursach. Beide Gruppen buhlen mit „ihren" Künstlern um die Feierwütigen. Ein Blick in die Karten der Partymacher und ihre Spielstrategien.

Oberbayern und Bierkönig

Im Oberbayern, der Kultdisco an der berühmten Schinkenstraße, bucht und betreut seit über 25 Jahren ­Beatrice Ciccardini die Schlager-Sänger. „Wir haben damals mit Stars wie Roy Black angefangen", erinnert sie sich. Die Schweizerin hatte Mitte der 80er mit ihrem damaligen Mann Miguel Pascual das Oberbayern übernommen.

„Die Musik darf nicht langsam sein", weiß die 56-Jährige aus jahrelanger Erfahrung. „Die Leute müssen mitmachen, mittanzen, mitbrüllen können." Singen sollten die Künstler selbstverständlich auch können. Damit im Ober­bayern – von Frühjahr bis Herbst und für alle Altersklassen im Publikum – die Mischung stimmt, setzt Ciccardini rund um die Woche auf mindestens einen Live-Sänger. Den Rest besorgen DJs. Doch die Sänger sind es, die zur Primetime um 1.30 Uhr locken. Sonntags gibt immer Peter Wackel den Ton an. Damit Montag, Dienstag und Mittwoch die Party in Schwung kommt, tischt Ciccardini den Feiernden etwa Matthias Reim oder Dolly Buster auf. Donnerstags heizt Big-Brother Jürgen Milski das Publikum an. „Freitags probiere ich im Oberbayern gerne Neue aus", sagt Ciccardini, „und samstags sind sowieso viele

Leute da."

Ihre „Neuen", wie Der Checker, Marco Angelini, Annina oder die im Frühjahr bei einer Brust-OP verstorbene Cora sucht sich Ciccardini bei diversen Reality- und Casting-Shows im Fernsehen. Auch Schäfer Heinrich, der durch „Bauer sucht Frau" bekannt geworden ist, wird seit zwei Jahren regelmäßig eingeflogen.

Für ihren Auftritt bekommen die Künstler meist Flug, Kost und Logis. „Die machen das ausschließlich zur Promotion", weiß Ciccardini und begründet: „Auf Mallorca werden die Hits gemacht." Lokale wie das Oberbayern seien eine wichtige Plattform für die Künstler, um auch in Deutschland im Geschäft zu bleiben. Und die Urlauber würden diese Hits dann zurück nach Deutschland tragen. Diese „Feierpropaganda" sei besser noch als „Mund-zu-Mund-Propaganda".

Seit rund 15 Jahren spielt Ciccardini auch im Bierkönig ihre Sänger-Trümpfe aus. Das Lokal hat rund ums Jahr geöffnet, im Winter allerdings mit stark eingeschränkten Öffnungszeiten. Unbestrittener Platzhirsch ist hier Peter Wackel, der im Frühling die Saison eröffnet, im Sommer gleich zweimal pro Woche auf der Bühne steht, im Herbst die Saison wieder verabschiedet und noch im Dezember mit seiner „Weihnachtsshow" Urlaubergruppen anlockt. Auch Tim Toupet, dessen „Vater Abraham" diesen Sommer ballerauf, ballerab ertönt, ist eine feste Größe im Oberbayern und Bierkönig.

In der Saison ist „klassische"­Ballermann-Musik angesagt, im Winter wird´s ruhiger. „Viele Künstler sind hier groß geworden", erzählt Ciccardini. Jürgen Drews habe im Bolero angefangen und sei auch im Oberbayern aufgetreten, bevor er zur Konkurrenz abwanderte.

Der Ballermann sei für die Künstler eine Art „Feuertaufe". „Tough" sei das Publikum, melde direkt, wenn ihm was nicht gefalle, sagt Ciccardini. Und sie weiß auch: „Frauen haben manchmal ein Problem, so spät nachts vor betrunkenen Männern aufzutreten."

Riu-Palace und MegaPark

„Das Riu-Palace ist sozusagen die Mutter unserer Unternehmensgruppe", sagt Radja Dalimonte. Der heute 69-Jährige ist seit der Eröffnung 1983 für PR und Künstlerbetreuung in diesem Partytempel der Cursach-Gruppe tätig. Schon Tony Marshall ist hier aufgetreten. Zunächst seien die Künstler ob des Veranstaltungsorts skeptisch gewesen. Das habe sich dann aber schnell gelegt.

1995 habe sich ihm ein junger Mann vorgestellt und ihm unplugged auf der Gitarre einen Song vorgespielt: „Zehn nackte Frisösen". Radja Dalimonte wurde sofort hellhörig: „Das wird ein Hit." Es war der Durchbruch von Mickie Krause, der seither ganz oben mitmischt und auch diese Saison mit „Schatzi schenk mir ein Foto" einen der Sommerhits beisteuert. Mickie Krause tritt zweimal die Woche im Riu-Palace auf. Genauso wie Costa Cordalis, den Dalimonte gerne mit einem Remake seines Hits „Anita" und seinem Sohn Lucas zusammen auftreten lässt. Seit zwei Jahren spielen auch Die Atzen im Riu Palace. Und Dalimonte setzt noch auf weitere Newcomer: Aktuell etwa die Rumänin Alexandra Stan mit „Mr. Saxobeat", ein weiterer Ohrwurm des Sommers.

„Hier auf Mallorca werden die Hits geboren", sagt auch Andy Bucher, PR-Manager im Mega­Park. Er arbeitet eng mit Dalimonte zusammen, die beiden stimmen ihre Künstler aufeinander ab. Weil der Ballermann gut für die Promotion ist, singen auch im Riu-Palace und im MegaPark viele Sänger nur für Flug, Kost und Logis. „Die verdienen alle in Deutschland ihr Geld", weiß Bucher, „und nehmen das hier unter der Woche mit."

Die Künstler für den im Jahr 2000 eröffneten MegaPark bucht der 50-Jährige gerne prominent und saisonal. Sein größter Trumpf ist Jürgen Drews, „ein Sänger, der drei Generationen im Publikum anspricht", sagt er. Vor vier Jahren holte Bucher den „König von Mallorca" zur Cursach-Gruppe.

Auch im MegaPark stammen viele der Newcomer aus den Reality- und Casting-Shows im Fernsehen. Seinen jüngsten Star, Norman Langen, holte Andy Bucher direkt vom „Deutschland sucht den Superstar"-Set an den Ballermann.

„Wir setzen aber auch zunehmend auf Motto-Party und Animation und binden die Urlauber stärker in die Party mit ein", sagt Bucher. Auf bekannte Fernseh-Sternchen möchte er aber auch dabei nicht verzichten. Und so schmeißt beispielsweise Gina-Lisa Lohfink, Ex-Kandidatin bei „Germany´s next Topmodel", in dieser Saison für den MegaPark die „Kiss-me"-Party.

Im Spätsommer und Herbst, wenn nach den Sportlern im Frühjahr und den ganz jungen Urlaubern in den Sommerferien die 30- bis 50-Jährigen am Ballermann urlauben, setzt Bucher eher auf die alten Meister wie Michael Wendler oder Costa Cordalis. „Auch für die etablierten Sänger ist es wichtig, hier am Ballermann die Stellung zu halten", sagt er.

Das einzige Problem, das die Schlager-Stars mit ihrer Feier-Mucke haben könnten, sei die Radiotauglichkeit ihrer Musik. Aber manche schaffen auch diesen Sprung. Denn: Ballermann, Schlager und Party sind ein Erfolgskonzept, das schon längst in die Skigebiete nach Deutschland und Österreich importiert worden ist und sich etwa mit der Parade „Schlagermove" feiert.

Und so sucht denn manch einer, der wie auch immer zu Bekanntheit gekommen ist, am Ballermann sein weiteres Glück. In dieser Woche hat sich DSDS-Teilnehmer Menderes Bagci in solcher Mission gemeldet. Mal schauen, wer noch alles in die der Traumfabrik Ballermann aufschlägt. Und wer es schafft.

In der Printausgabe vom 11. August (Nummer 588) lesen Sie außerdem:

- Die vielen Leben der Dolly Buster

- Ein Samstag auf Tagomago

- Abschidsküsse in Puerto Portals: Königsfamilie beendet Insel-Urlaub

- Neues Unternehmernetzwerk frühstückt fürs Geschäft

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